Trainerwechsel beim Hamburger SV:Oenning geht, Cardoso kommt

Allen Treueschwüren zum Trotz: Bundesliga-Schlusslicht Hamburger SV trennt sich mit sofortiger Wirkung von seinem erfolglosen Übungsleiter. Die Bilanz von Michael Oenning war nach sechs Spieltagen einfach zu schlecht. Der frühere HSV-Profi Rodolfo Cardoso soll das Traineramt übernehmen - bis ein Nachfolger gefunden ist.

Natürlich, sagte Frank Arnesen, der neue Sportdirektor des Hamburger SV, werde Michael Oenning Trainer bleiben, "wir haben am Freitag ein Spiel gegen Stuttgart, und da sitzt Michael neben mir im Flugzeug". Das war am Samstag, kurz nach der 0:1-Niederlage des HSV gegen Mönchengladbach. Auch am Sonntag hat er das noch erklärt. Am Montagnachmittag gab Arnesen dann auf einer Pressekonferenz bekannt, Oenning sei mit sofortiger Wirkung entlassen.

HSV: Oenning entlassen - Cardoso Interimstrainer

Alter Trainer, neuer Trainer: Michael Oenning (links) und Rodolfo Cardoso.

(Foto: dapd)

Angst um seine Glaubwürdigkeit hat der Sportdirektor nicht. "Fußball ist so, sehr emotional. Man muss das fühlen und analysieren", sagte er. Erst komme das Herz, das bei ihm am Samstag und Sonntag noch die Oberhand behielt, dann der Verstand, der sich am Montag nach vielen Gesprächen auch mit Oenning durchsetzte. "Große Entscheidungen", sagte Arnesen, fälle man nicht "zwölf Stunden nach einem Spiel".

Der Däne wird sich ab sofort "intensiv" mit der Suche nach einem Nachfolger beschäftigen. Vorübergehend wird der frühere HSV-Profi und bisherige U23-Trainer Rodolfo Cardoso das Traineramt übernehmen. Es könne ein paar Wochen dauern, bis man den neuen Mann gefunden habe. Sein Profil hat er schon einmal umrissen. Er solle "leidenschaftlich, taktisch stark und mit vollem Einsatz dabei sein." Er müsse gut Deutsch sprechen, und die Spieler sollten Respekt vor ihm haben.

Der 45-jährige Oenning war im März dieses Jahres dem beurlaubten Armin Veh nachgefolgt, dessen Assistent er zuvor war. Er wurde der 30. Trainer in der Klubgeschichte seit 1963. Im April unterschrieb Oenning einen Zweijahresvertrag, schließlich hatte es ja vielversprechend begonnen zwischen ihm und dem HSV: Gleich das erste Spiel mit Oenning gewann Hamburg gegen den 1. FC Köln 6:2. Jetzt aber, ein halbes Jahr später, liest sich Oennings Bilanz erschreckend: Saisonübergreifend gelang den Hamburgern unter Oenning in 14 Spielen ein einziger Sieg - jener gegen Köln.

Der HSV ist zurzeit Tabellenletzter der Bundesliga, in bisher sechs Partien gelang nur ein Unentschieden: ein 2:2 gegen Aufsteiger Hertha BSC. Meist trat der HSV orientierungs- und hilflos auf, etwa beim deftigen 0:5 gegen den FC Bayern oder am vergangenen Samstag beim 0:1 gegen Gladbach. In den sechs Ligaspielen bot Oenning sechs verschiedene Startformationen auf, gegen Mönchengladbach versuchte er es mit sieben Defensiv-Spielern. Der Treffer zum 0:1 aber war bereits das achte Gegentor nach einer Standardsituation.

Die Fans hat längst die Angst erfasst, der HSV könnte in dieser Saison ein besonderes Prädikat verlieren: Der Klub ist bislang das einzige Gründungsmitglied der Bundesliga, das noch nie abgestiegen ist. Auch Arnesen sieht in seinem dänisch-holländischen Deutsch eine "sehr seriöse Situation", behauptet aber weiter: "Wir haben gute Spieler, die besser sind als ein 18. Tabellenplatz."

Oenning soll "mit menschlicher Größe reagiert haben", sagte Präsident Carl-Edgar Jarchow. Es sei für ihn "nachvollziehbar, dass der Verein in der jetzigen Situation einen anderen Weg geht". So wird Oenning in der HSV-Pressemeldung zitiert. Oenning, der 2008 sein Debüt als Bundesligatrainer beim 1. FC Nürnberg gefeiert hatte, setzt damit gewissermaßen eine Tradition bei den Norddeutschen fort: In acht Jahren ist er der zehnte Cheftrainer, der trotz laufenden Vertrags entlassen wurde.

Vermutlich wird der neue Mann keiner von jenen Kandidaten sein, die in Hamburg schon auf das Trainerkarussell gehoben worden sind, nämlich Huub Stevens, Thomas von Heesen und sogar Horst Hrubesch. TV-Experte Franz Beckenbauer glaubt ohnehin, ein normaler Mensch brächte den HSV kaum mehr voran. Vielleicht, schlug Beckenbauer vor, könne "ein Zauberer vom Zirkus Krone oder Zirkus Sarrasani helfen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: