Jürgen Klopp erinnert sich noch gut an seinen früheren Mainzer Mitspieler Josef Zinnbauer: "Joe war damals der erste Mensch, den ich kannte, der schon drei Handys hatte, ich selbst hatte noch gar keins", erzählt der Dortmunder Trainer, der vor seinem Einstieg bei der Borussia beinahe selbst beim Hamburger SV gelandet wäre. Seit Dienstag ist nun also Zinnbauer Chefcoach des HSV. Als Zweitligaspieler hatte er mit 26 Jahren seine Profi-Karriere wegen eines Knorpelschadens aufgeben müssen - und schon damals Eindruck gemacht.
Nach Ausbildungen zum Zerspanungsmechaniker und zum Versicherungsfachmann - bei einer großen Versicherungsfirma wurde er gleich zum Newcomer des Jahres - gründete Zinnbauer parallel zum Fußball ein eigenes Finanzberatungs-Unternehmen. Und nachdem der inzwischen 44-Jährige 2010 als Praktikant zum Karlsruher SC kam, überzeugte er dort auch als Co-Trainer von Uwe Rapolder und als Chef der zweiten Mannschaft.
Und zwar so nachdrücklich, dass der kürzlich beurlaubte HSV-Sportchef Oliver Kreuzer, der zuvor ebenfalls beim KSC tätig war, Zinnbauer im Sommer 2014 zum Hamburger SV holte, um das marode U23- Team auf Vordermann zu bringen.
Die Verabschiedung von Trainer Mirko Slomka ist einer der letzten Schritte in der HSV-Personalpolitik, um dem gescheiterten Klub ein neues Fundament zu geben. Nun müssen die Verantwortlichen hoffen, dass mit U23-Trainer Josef Zinnbauer endlich die Wende gelingt.
Dies ist Zinnbauer, der von 1996 bis 2010 in unteren Klassen trainierte und erst vor fünf Monaten seine A-Lizenz erwarb, in Windeseile gelungen. Mit jedem Sieg der HSV-Reserve in der Regionalliga Nord wuchs sein Ansehen innerhalb des Klubs. Acht Erfolge in acht Partien katapultierten die zuletzt stets gegen den Abstieg kämpfende U23 an die Tabellenspitze, denn der Coach formte die Talente mit Strenge und Spaß flott zu einer echten Mannschaft.
Vom beurlaubten Kreuzer geholt, von Beiersdorfer geschätzt
Schon bald rang daher Zinnbauer, der anfangs noch als Kumpel des gescheiterten Kreuzer galt, auch dem neuen Vereinschef Dietmar Beiersdorfer Respekt ab. Kreuzer, der immer noch in Hamburg lebt, sagt über den alten Weggefährten: "Er ist ein Typ, der gut ankommt und der sehr kommunikativ ist." Zinnbauer könne junge Spieler "packen und heiß machen" und habe immer einen guten Matchplan.
Auch seine bisherigen Schützlinge sind voll des Lobes über ihren alten Chef, den sie angeblich auch nachts um zwei Uhr hätten anrufen können. Mittelfeld-Talent Tolcay Cigerci sagt etwa: "Er legt viel Wert darauf, dass wir uns mit Fußball beschäftigen." Zudem habe er "immer einen Plan". Stürmer Ahmet Arslan sagt über die Zielstrebigkeit, die Zinnbauer von den Spielern verlange: "Das lebt er uns vor."
Am Mittwoch hat der gebürtige Oberpfälzer, dessen Trainingsanzug jetzt ein JZ ziert, die erste Übungseinheit bei den Profis geleitet - und dabei gleich lautstark den Ton angegeben. Er sei nicht nur "leidenschaftlich und akribisch", sagte er über sich selbst bei seiner ersten Pressekonferenz als Profitrainer, "ich will auch die Zügel in der Hand haben".
Neuer Nachwuchsbereich, neuer Sportchef, neue Spieler: Nach der Entlassung von Mirko Slomka kann die Führung des Hamburger SV auch ihren Wunschtrainer installieren. Doch die Frage lautet: Hat Thomas Tuchel Lust auf diesen HSV?
Gleich drei Spieler aus der U23 hat er mit den Profis üben lassen. Weil er glaubt, dass im Nachwuchsteam "einige Spieler sind, die wir hoffentlich mal in der Bundesliga sehen". Auch er selber hat extrem Lust auf den Karrieresprung. Es sei doch "geiler, vor 50 000 Zuschauern zu spielen als vor 500 Leuten", sagte er und betonte: "Ich habe Bock auf die erste Liga."
Vor seinem ersten Spiel am Samstag, gleich gegen Rekordmeister FC Bayern, schränkte Zinnbauer ein: "Normalerweise stehen meine Mannschaften für Dominanz auf dem Platz. Gegen die Bayern muss ich mir da schon ein anderes Konzept überlegen." Stärken und Schwächen kommen seiner Meinung nach durch die Art des Spiels zur Geltung - man könne Schwächen mit einer klugen Taktik "auch verstecken", glaubt er.
Wie lange Zinnbauer von Beiersdorfer die Chance erhält, ein richtiger Erstliga-Coach zu werden, ist ungewiss. Der HSV-Chef lässt offen, ob Zinnbauer eine Interims- oder Dauerlösung ist. Der Mainzer Kumpel Klopp, erzählte Zinnbauer am Mittwoch, habe jedenfalls schon damals gesagt: "Wir zwei Blinden können zwar nicht Fußball spielen, aber vielleicht packen wir es ja als Trainer."