Trainerwechsel beim FC Schalke:Erlöst von der Achterbahnfahrt

Lesezeit: 2 min

Trainer Jens Keller (li.) und Sportdirektor Horst Heldt: Ihre gemeinsame Zeit bei Schalke endet nun. (Foto: dpa)

Die Trennung von Trainer Jens Keller ist ein richtiger Schritt für Schalke 04 - auch wenn dem Coach nach 22 sportlich ereignisreichen Monaten nur bedingt ein Vorwurf zu machen ist, bleibt die Erkenntnis: Der Klub braucht eine Folklore erfahrene Führungsfigur.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Im Grunde ist die Trennung eine Erlösung für alle, auch wenn es eine Zeit dauern wird, bis dies alle akzeptieren werden. Dem aufrecht um seinen Job kämpfenden Jens Keller ist nichts Schlechtes nachzusagen, doch wenn ein Strich unter seine Bilanz gesetzt wird, kommt man nicht umhin, festzustellen, dass die Schalker Mannschaft immer tiefer in eine Sackgasse geraten ist. In der sie dann keine Mittel mehr hatte (oder ihr vom Trainerteam zur Verfügung gestellt wurden), um dort herauszufinden.

Gefährlich wird es immer dann, wenn die Trainer-Debatte einem Kader als Alibi dienen kann. Nur so sind solche sportiven Achterbahn-Fahrten ansatzweise zu deuten, wie sie die Schalker seit der Sommerpause hinlegten: Erstaunliche Auftritte beim FC Chelsea (1:1), gegen den FC Bayern (1:1) und jüngst im Derby mit Dortmund (2:1) zeugen von der grundsätzlichen Qualität des Kaders. Bereits drei Niederlagen in der Bundesliga, Tabellenplatz 11, der frühe Pokal-K.o bei Drittligist Dresden und die Enttäuschung in der Champions League gegen NK Maribor (1:1) wurden hingegen zu irritierenden Dokumenten des Wankelmuts.

Jens Keller war als Interimstrainer vorgestellt worden, in dieser Rolle bewies er ein fast bravouröses Beharrungsvermögen. Doch über die Strecke von 22 Monaten hatte er diesem gewiss nicht einfachen Kader keine Konstanz vermitteln können. Dieses Argument dient nun als erster Entlassungsgrund.

Roberto Di Matteo auf Schalke
:Liebhaber der Fleißarbeit

Präzise wie ein Schweizer, elegant wie ein Italiener: Roberto Di Matteo verkörpert Eigenschaften, die Schalke 04 gut gebrauchen kann. Auch der Umgang mit russischen Oligarchen ist ihm nicht fremd.

Von Birgit Schönau

Ist dies aber auch ein Beleg für all jene, die die Folkloristen des Ruhrgebiets für unregierbar, für dauerhaft nicht trainierbar halten? Kaum, denn dieser Vorbehalt wurde schon allein von Huub Stevens widerlegt - in dessen legendärer "Eurofighter"-Amtszeit, in der Schalke 1997 zum Uefa-Cup-Sieg rauschte.

Natürlich muss heute auch die Frage gestellt werden, ob Manager Horst Heldt in der Kaderplanung immer die richtige Idee verfolgte; beispielsweise, als er Kevin-Prince Boateng vom AC Mailand holte und auf die Hierarchie obendrauf pfropfte. Offen ist jedoch, ob es unter einer resoluten Trainerfigur, wie es Stevens war, überhaupt zu einer solchen Personalie gekommen wäre. Denn wenn man schon Folkloreklub sein will, dann braucht man eine Autorität. Keinen, der wie Keller vermittelt bekommt, dass er nur auf Bewährung coachen darf. Sondern einen, der die königsblauen Aufgeregtheiten qua Persönlichkeit aushält. Und sie bei Bedarf solide ignoriert wie damals der Knurrer aus Kerkrade.

Ob der Italo-Schweizer Roberto Di Matteo weiß, worauf er sich da eingelassen hat? Zu einem Klub zu gehen, der seinen Trainer nicht einmal zwei Wochen nach dem Triumph im prestigereichsten Spiel der Saison, dem Derby mit Dortmund, vor die Tür setzt. Sechssprachig ist Weltenbürger Di Matteo, aber entscheidend wird sein, wie er auf die sensible Stimme des Ruhrgebiets reagiert.

© SZ vom 08.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Trennung von Jens Keller
:Schalke giert nach Schampus

Richtig glücklich waren sie auf Schalke mit Trainer Jens Keller nie. Jetzt muss er gehen. Nachfolger Roberto Di Matteo soll dem Team eine Identität verleihen - und Erfolg.

Von Jonas Beckenkamp

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: