Trainersuche beim FC Bayern:Bayern stellt sich die T-Frage

Trainersuche beim FC Bayern: Heuert Thomas Tuchel nach seiner Station bei Borussia Dortmund beim nächsten deutschen Top-Verein an? Die Bayern müssen es fast schon mit dem Trainer versuchen.

Heuert Thomas Tuchel nach seiner Station bei Borussia Dortmund beim nächsten deutschen Top-Verein an? Die Bayern müssen es fast schon mit dem Trainer versuchen.

(Foto: AFP)
  • Der FC Bayern München sucht nach der Trennung von Carlo Ancelotti nach einem neuen Trainer.
  • Als Top-Kandidat gilt Thomas Tuchel, doch eine Verpflichtung wäre mit einem gewissen Risiko verbunden.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass Julian Nagelsmann kommt, sei zuletzt ohnehin etwas kleiner geworden, heißt es - unter anderem, weil Michael Reschke die Bayern verlassen hat.

Von Christof Kneer

Der Fußballtrainer Thomas Tuchel besitzt eine Wohnung in München, und man muss das ganz klar sagen: Mit Carlo Ancelotti hat diese Wohnung nichts zu tun. Insofern sind manche dieser verwackelten Bilder, die in der Öffentlichkeit gerade wie geheimdienstliches Material gehandelt werden, einfach nur verwackelte Bilder: Tuchel, erwischt am Flughafen, auf dem Weg nach ... uiuiui, München! Es kommt vor, dass Tuchel nach München reist, das kam schon vor, als Pep Guardiola noch Trainer beim FC Bayern war, und das kommt auch jetzt noch vor, da dieser FC Bayern plötzlich einen Trainer sucht.

Der Plan der Bayern war es ursprünglich, mit Ancelotti durch die Saison zu gehen und sich im Sommer 2018 ein Jahr vor Vertragsende zu trennen - um dann einen Trainer zu verpflichten, der sich wieder mehr als Sportlehrer begreift. Ancelotti hat sich offenbar mehr als Ancelotti begriffen - als ebenso gemütlichen wie oberflächlichen Aufstellungsverfertiger, der es für verschwendete Lebenszeit hält, allzu viel Substanz in die komplizierte Herstellung einer Spielidee zu investieren.

Von Tuchel hat noch keiner behauptet, dass er gemütlich oder oberflächlich sei. Und deshalb ist dieser Trainer jetzt selbstverständlich ein naheliegender Kandidat - was aber nicht an der Wohnung liegt.

Die Hoffnung auf ein letztes Jahr mit Ancelotti ist Bayerns Bossen zuletzt zunehmend abhanden gekommen, offenbar haben sie zunehmend auch am Commitment und Verantwortungsbewusstsein dieses Trainers gezweifelt, sonst hätten sie sich nicht zu dieser radikalen Lösung entschlossen. Denn immerhin haben sich die Bayern nun sehenden Auges auf einen Markt begeben, den es eigentlich gar nicht gibt: Wo soll, mitten im Herbst, ein tauglicher Bayern-Trainer herkommen? Ein handelsüblicher Erstligist würde sich jetzt mit Markus Weinzierl befassen, mit Bruno Labbadia, Armin Veh, Andries Jonker oder mit einem dieser ambitionierten U 19-Trainer, deren Namen außer den eigenen U 19-Spielern noch niemand gehört hat. Aber Bayern?

Dass Tuchel auf dem Markt ist, bedeutet für die Münchner nun zweierlei: einerseits eine unverhoffte Chance, weil Trainer dieser Qualität um diese Jahreszeit sonst nicht zu haben sind - und andererseits ein Risiko. Weil die Situation nun eben so ist, dass Bayern und Tuchel fast schon gezwungen sind, es miteinander zu versuchen - keine günstige Ausgangslage für einen komplexen Denker wie Tuchel und für einen Verein, dessen Reflexe mindestens so folkloristisch und milieugeprägt sind wie beim BVB; jenem Klub, der Tuchel ebenso wenig verstand wie Tuchel den Klub.

Es ist ein bisschen wie mit der Jamaika-Koalition: Die muss jetzt gehen, sonst wird das Land unregierbar. Bayern und Tuchel müssen jetzt auch irgendwie gehen - denn welchem verfügbaren Trainer sollte man sonst zutrauen, all diese herausragenden Einzelspieler wieder in einen schlüssigen Gesamt-Zusammenhang zu bringen?

Könnte es Bayern verantworten, mit einer Übergangslösung durch die Saison zu gehen?

Ja, natürlich habe es "bereits Gespräche gegeben", bestätigte Sportdirektor Hasan Salihamidzic am Sonntag, wobei er das mehr so allgemein meinte und nicht konkret auf den Namen Tuchel bezogen. Dennoch, hört man, haben sich die Parteien offenbar bereits ausgetauscht, und am Ende dürfte es wohl um zwei entscheidende Fragen gehen. Die eine lautet: Trauen sich die Bayern an diesen herausfordenden Trainercharakter heran? Das Verhältnis zwischen den Rivalen aus München und Dortmund ist zurzeit wieder recht intakt, und so darf man davon ausgehen, dass der mit Tuchel aufs Innigste verfeindete BVB-Boss Aki Watzke seinem westfälischen Landsmann Karl-Heinz Rummenigge ein paar kompromittierende Tuchel-Geschichten erzählt haben dürfte. Und ebenso sicher darf man sein, dass Watzke die anderen Geschichten nicht erzählt haben wird - jene, die den BVB belasten würden und Tuchel das Arbeiten definitiv erschwert haben.

Und die zweite entscheidende Frage lautet: Wer ist zurzeit eigentlich der FC Bayern? Sind sich Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge in der Trainerfrage einig?

Fürs zweite mögliche Denkmodell wäre eine massive Einigkeit in der Chefetage jedenfalls nicht so schlecht, denn das Modell würde ein hohes Risiko beinhalten: Könnten es die Bayern angesichts ihrer satzungsgemäß verankerten Maximalziele verantworten, mit einer Übergangslösung durch die Saison zu gehen - um etwa auf Julian Nagelsmann zu warten, den die Hoffenheimer trotz traditionell guter Drähte nach München kaum mitten in der Saison freigeben werden? Aber welche Übergangslösung sollte das sein: ein Dreivierteljahr mit dem gebürtigen Bayer Weinzierl oder dem ehemaligen Bayern-Coach Jonker - oder gar mit Interimstrainer Willy Sagnol, dessen Qualitätsnachweis bisher ausschließlich in einem 2:2 in Berlin besteht und darin, als Spieler ausgesprochen schöne Halbfeld-Flanken geschlagen zu haben?

Die Wahrscheinlichkeit, schon bald einen Bayern-Trainer namens Nagelsmann zu erleben, sei zuletzt ohnehin etwas kleiner geworden, heißt es - unter anderem, weil Michael Reschke, inzwischen Sportchef in Stuttgart, die Bayern verlassen hat. Reschke galt als offensivster Nagelsmann-Befürworter im Klub, und umgekehrt heißt es von Nagelsmann, ihm habe Reschkes Abschied in München nicht gefallen.

Der junge Coach ist inzwischen schon leicht genervt von den zahlreichen Spekulationen, und den Münchner Machern wiederum dürften Hoffenheims jüngste Niederlagen in Europa League und Bundesliga nicht entgangen sein. So deutet zurzeit vieles auf den Trainer mit Wohnung in München hin, aber es dürfte von den Verhandlungen abhängen, wann die Bayern mit einem neuen Trainernamen heraus rücken. Bis Ende der Länderspielpause wolle man eine Lösung präsentieren, hatte Uli Hoeneß am Anfang des Wochenendes gesagt. Gegen Ende des Wochenendes sagte nun Hasan Salihamidzic, dieser Zeitpunkt sei "der Wunsch von Uli Hoeneß". Man werde sich "Zeit lassen".

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