Trainer von Bayer Leverkusen:Schmidts Revolutiönchen stockt

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"Wir werden ihn viele Jahre hier haben", sagt Bayer-Sportchef Rudi Völler über Roger Schmidt. (Foto: dpa)

"Eine mittlere Ergebnisproblematik": Vor dem Champions-League-Achtelfinale gegen Atlético Madrid steckt Bayer Leverkusen in einer kleinen Krise. Ein Erfolg gegen die Spanier wäre vor allem für den Coach enorm wichtig.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Die Hörer der ARD-Radiokonferenz machten sich am Samstag große Sorgen, als das Spiel des FC Augsburg gegen Bayer Leverkusen in die Schlussphase eintrat: Karlheinz Kas, der zuständige Reporter des Bayerischen Rundfunks, schien wegen der Vorfälle auf dem Spielfeld den Verstand zu verlieren.

"Tooor! Tooor! Tooor! Ja, glaubst du das!?", schrie Kas in allerhöchster Aufregung - und recht hatte er. Das konnte ja keiner ahnen, dass just der Augsburger Torwart Marvin Hitz dem Spiel die Wende geben würde.

Keine Krise, sondern eine "Ergebnisproblematik", sagt Völler

Nicht mal der Fußballweise Rudi Völler hat das wissen können, der als Augenzeuge aufrecht entsetzt war, als erneut ein spektakuläres Spiel ein spektakuläres Ende nahm. Einerseits, so hebt der Bayer-Sportchef hervor, "waren wir jetzt zweimal an Spielen beteiligt, die zu den tollsten der Saison zählten". Andererseits, stellt er betrübt fest, "waren wir leider auch zweimal die mit den langen Gesichtern".

Auch Völler leugnet nicht, dass Leverkusen in den fünf Spielen der Rückrunde zu wenig Punkte gesammelt hat. Aber er leugnet energisch, dass die Kluboberen aus ihren langen Gesichtern nun einen kritischen Blick auf den Trainer Roger Schmidt werfen, und ebenso energisch verwahrt er sich gegen Darstellungen, er habe einen neuen Job angenommen: als Beschützer des Trainers, um dessen öffentliches Ansehen zu retten.

Als es zu Saisonstart hieß, Schmidt revolutioniere die Fußball-Lehre, habe er versucht, die Deutungen "auf normale Rasenhöhe zu bringen", sagt Völler. Und nun versuche er eben zu erklären, dass Bayer keine fundamentale Krise habe, sondern - schöner neuer Fachbegriff - "eine mittlere Ergebnisproblematik".

An diesem Mittwoch spielen die Leverkusener gegen Atlético Madrid und genießen den Vorteil, als Außenseiter anzutreten. Ein Achtelfinale in der Champions League sei für einen Klub wie Bayer 04 "ein Kürprogramm", schließt sich Völler der herrschenden Meinung an. Er erwartet allerdings, dass Atlético in den beiden Spielen "bis an seine Grenzen gehen" müsse, um ins Viertelfinale zu kommen. "Wir sind nicht chancenlos", findet er.

Für Schmidt, 47, käme ein Erfolg gegen die Spanier zur rechten Zeit. Trotz des Rückhalts der Vereinsführung benötigt er bessere Ergebnisse, um Fortschritte bei seiner Arbeit zu dokumentieren. Vom hohen Unterhaltungsfaktor (beim 1:2 in Bremen wie beim 4:5 gegen Wolfsburg und beim 2:2 in Augsburg) hat der Leverkusener Kontostand nicht profitiert.

Hier und da wurde von den ständigen Kommentatoren schon darauf hingewiesen, dass der (Vor-)Frühling traditionell eine gefährliche Jahreszeit für Bayer-Trainer ist, Robin Dutt und Sami Hyypiä hatten das zuletzt erfahren müssen. Vor den berufsmäßigen Kritikern hat sich Schmidt mit seinem demonstrativ unbeirrten und gelegentlich gebieterischen Auftreten nicht immer beliebt gemacht, manche halten ihn für arrogant und allzu eitel.

"Roger provoziert halt manchmal Gegenwind"

Bei Bayer heißt es wiederum, dass man sich gerade deshalb für Schmidt entschieden habe, weil er so ein starkes Selbstbewusstsein besitzt. Dass er mit seiner Art polarisieren könnte, das hatte man im Klub vorher geahnt. "Jeder Trainer hat seine Methode, um sich ein Schutzschild aufzubauen. Roger provoziert auf seine Art halt manchmal Gegenwind - aber das hält er aus", sagt Völler.

Schmidt macht sich keine Umstände, um die Skeptiker zu besänftigen. Des Öfteren hat sich der Trainer schon darüber beschwert, dass sein Werk missverstanden werde. Zweifel an seinen Methoden und seiner Stilpraxis weist er zurück, als ob solche Zweifel notwendig auf Denkfehlern beruhen müssten.

Völler wertet nun aber gerade die jüngsten Auftritte ohne Punktelohn als Indizien dafür, dass Schmidt das Richtige tut. "Unser Fußball ist viel besser geworden", findet der Sportchef und gerät über seine allgemeine Trainer-Diagnose so ins Schwärmen, dass er Bekenntnisse wie auf dem Standesamt ablegt: "Unser Trainer hat einfach was", sagt er, "er ist innovativ, er hat gute Ideen, und er macht hervorragende Arbeit. Wir werden Roger Schmidt noch viele Jahre hier haben."

Und die fehlenden Ergebnisse? "Die Ergebnisse werden kommen", verspricht Rudi Völler "aus tiefster Überzeugung". Schon überraschend, den altgedienten Realisten so begeistert zu erleben.

© SZ vom 25.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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