Trainer schlägt auf eigenen Spieler ein:"Das Schlimmste, was ich in zehn Jahren Fußball erlebt habe"

Delio Rossi, der Trainer des AC Florenz, verprügelt seinen eigenen Spieler und wird prompt gefeuert. Die Episode aus dem Abstiegskampf der ersten italienischen Liga zeigt: Im Fußballstadion können selbst gestandene Männer den Kopf verlieren.

Birgit Schönau

Nur ein einziges Mal in seinem unspektakulären Trainerleben hat Delio Rossi über die Stränge geschlagen: Als Coach von Lazio Rom verkündete er, im Falle eines Derby-Sieges über die Lokalrivalen der AS Roma ein Bad im Gianicolo-Brunnen nehmen zu wollen. Lazio gewann 3:0 und Rossi stieg, nur mit einer Unterhose bekleidet, in das edle Marmorbecken.

ACF Fiorentina v Novara Calcio  - Serie A

Unterstes Niveau: Delio Rossi schlägt nach einem Wortgefecht auf Ljajic ein.

(Foto: Getty Images)

Die Episode aus einer lausig kalten Winternacht im Dezember 2006 verrät viel über die erstaunlichen Allüren eines rustikalen Trainers aus der Fußballprovinz. Denn der von Rossi erwählte Brunnen steht nicht irgendwo, sondern auf einem Hügel, den die alten Römer dem doppelköpfigen Gott Janus geweiht hatten. Und das barocke Becken selbst hatte nicht ein neureicher Fußballpräsident gestiftet, sondern Papst Paul V., ein ebenso kunstsinniger wie kriegerischer Kirchenfürst.

Mit Lazio gewann Rossi einen Italien-Pokal als einzige Trophäe seiner Karriere. Über US Palermo führte ihn dann sein Weg nach Florenz. Dort trainierte er seit November 2011 eine Mannschaft, die vor zwei Jahren noch im Achtelfinale der Champions League dem FC Bayern unterlag, jetzt aber in Richtung Abstieg trudelt.

Am Mittwoch kam es zum Kellerduell gegen Novara Calcio, Florenz spielte derart unterirdisch, dass es nach einer halben Stunde zu Recht 2:0 für die Gäste stand. Auf der Ehrentribüne versteinerte sich das Gesicht des Präsidenten Andrea Della Valle, dessen Bruder Diego einst die Fiorentina gekauft hatte, weil er sich vom Fußball Werbewirkung für seine Luxusunternehmen versprach.

Inzwischen investiert Diego Della Valle lieber in die Restaurierung des Kolosseums. Die weltberühmte Arena der Gladiatorenkämpfe hat eben doch ein ganz anderes Appeal als das marode Stadion von Florenz. Im Kolosseum wurde zwar nicht gerade jenes Fair Play erfunden, das die Fiorentina für sich beansprucht. Dafür kann dessen Mythos und damit das Image Della Valles nicht von einem Hitzkopf wie Rossi beschädigt werden.

In der 31. Minute wechselte Rossi den Mittelfeldspieler Adem Ljajic aus. Was dann folgte, beschrieb Präsident Della Valle als "das Schlimmste, das ich in zehn Jahren Fußball erlebt habe". Der 20 Jahre alte Ljajic applaudierte ironisch seinem Trainer. Und Rossi flippte aus. Vom Spielfeldrand hechtete er zu dem hinter ihm stehenden Spieler, pflanzte ihn auf die Bank und ließ dann seine Fäuste auf den entsetzten Ljajic niederhageln. Vor laufenden Kameras verdrosch der Trainer den Spieler nach Strich und Faden, bis der Mannschaftsarzt den Rasenden bremsen konnte.

Der Schiedsrichter sah fassungslos zu und vergaß in seiner Verblüffung ganz, die rote Karte zu ziehen. Das Publikum solidarisierte sich spontan mit dem Rowdy Rossi, schmähte den Prügelknaben Ljajic hingegen als "Zigeuner." Und Präsident Della Valle berief zwar einen Krisenrat ein, feuerte Rossi aber dann doch nicht sofort. Zu Beginn der zweiten Halbzeit nahm der Trainer seinen Platz ein, als ob nichts gewesen wäre.

Die Fiorentina kam mit zwei Toren des Deutsch-Italieners Riccardo Montolivo noch zum Ausgleich, vielleicht unter Androhung weiterer Prügel. Auf das 2:2 folgte dann die fristlose Kündigung. Rossi sei ein "anständiger Mann" und habe sich entschuldigt, verkündete Della Valle. Ihn weiter zu beschäftigen sei aber leider unmöglich. Wie es aussieht, wird Delio Rossi so schnell nicht wieder ein Jubelbad im Barockbrunnen nehmen. Aber Provokateur Ljajic wurde auch suspendiert.

In Florenz konnte man sich noch nicht einmal darüber freuen, dass der Erzrivale Juventus Turin sich mit einem 1:1 gegen Lecce blamierte und im Titelkampf nur noch einen Punkt Vorsprung vor dem AC Mailand hat. Und Italiens Medien lieferten wie gewohnt selbstquälerische Leitartikel zum Thema Gewalt im Fußball. Dabei hatte der Faustkämpfer Rossi einfach nur bewiesen, wo gestandene Männer vollkommen den Kopf verlieren können: im Stadion. Es muss gar nicht das Kolosseum sein.

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