Trainer in Wimbledon:Williams-Bruder läuft über

Trainer in Wimbledon: Sascha Bajin

Sascha Bajin

(Foto: sonn)

Der Münchner Sascha Bajin gehörte jahrelang zum Clan von Serena Williams, auch privat. Doch jetzt coacht er eine der stärksten Rivalinnen.

Von Lisa Sonnabend, Wimbledon

Sascha Bajin springt auf, er ballt die Faust. Der 30-jährige Münchner Tennistrainer ist in Wimbledon noch im Turnier, seine Spielerin Victoria Asarenka hat die Französin Kristina Mladenovic glatt geschlagen. Für Bajin rückt damit eine spezielle Begegnung näher. Eine Begegnung mit Serena Williams.

Noch eine Partie müssen Asarenka und Williams überstehen, dann treffen sie im Viertelfinale aufeinander. Asarenka spielt gegen die junge Schweizerin Belinda Bencic, Serena Williams gegen ihre Schwester Venus. Siegen beide wie erwartet, spielt im Viertelfinale Bajins Aktuelle gegen seine Ex. Acht Jahre lang arbeitete er als Sparringspartner der Weltranglistenersten, mit keinem anderen Menschen verbrachte er mehr Zeit. Es gab nicht wenige Menschen auf der Tour, die glaubten, dass die Liaison Williams-Bajin ewig halten würde. Denn es war mehr als nur Bälleschlagen auf dem Platz.

Wenn Bajin über die Anlage in Wimbledon schlendert, bleibt er alle paar Meter stehen. Plaudert kurz mit Trainerlegende Bob Brett, grüßt einen Reporter, flachst mit Dustin-Brown-Betreuer Scott Wittenberg. Er ist ein entspannter und freundlicher Typ, hat eine extrem positive Ausstrahlung - und das ist auch ein Grund, warum ihn Asarenka im März von Serena Williams weg zu sich ins Team lockte.

Ein Trainingspartner soll bisweilen mehr können, als gut Tennis spielen. "Mit Vika habe ich mich gleich gut verstanden", sagt Bajin. Er verließ Serena Williams nach all den Jahren, auch weil er das Gefühl hatte, eine neue Herausforderung zu brauchen, einen Job mit Perspektive, wie er erklärt. Das Kalkül ging auf: Nur zwei Monate später war er nicht mehr nur Hitting Partner von Asarenka, sondern löste vorübergehend den bisherigen Coach ab. Wim Fissette hat bis zum Ende des Sommers Elternzeit genommen.

"Als Trainer bekommst du mehr Lorbeeren ab, wenn es gut läuft", sagt Bajin über seinen neuen Job. "Während eines Matches sind meine Hände aber auch schwitziger." Sonst habe sich allerdings nicht viel verändert. Auch davor habe er die Wochen vor einem Turnier oft mit der Spielerin alleine verbracht, mit ihr Schwächen analysiert oder die Taktik für das nächste Match besprochen. Bajin trägt Asarenka weiterhin die Schlägertasche, bucht die Trainingscourts oder bringt ihre Kleidung in die Wäscherei.

So wie er es davor bei Serena Williams machte. Er trainierte nicht nur mit ihr, sondern war Chauffeur, Dienstbote, Bodyguard - und vor allem guter Freund. Serena Williams meinte einmal, er sei wie ein großer Bruder für sie. Sie nahm ihn mit zur Grammy-Verleihung, schleppte ihn auf Partys, stellte ihm ihre Rapper-Freunde vor. 330 Tage pro Jahr verbrachte er mit der Amerikanerin, schätzt er. "Ich habe mein ganzes Leben nach Serena ausgerichtet", sagt Bajin und es klingt, als bereue er es nun fast ein wenig. Er kaufte sich sogar ein Haus in Palm Beach Gardens, um in ihrer Nähe zu wohnen.

Dort übernachtete er allerdings seit Februar nicht mehr. Asarenka hat ihre Basis in Los Angeles. Bajin wechselte seinen Wohnort. "Es geht nun mal um die Spielerin, es geht nicht um mich."

Eigene Ambitionen endeten mit dem Tod des Vaters

Als Jugendlicher hatte Bajin selbst den Traum, Tennisprofi zu werden. Er feierte beachtliche Erfolge. Doch dann starb sein Vater, der zugleich sein Trainer war, bei einem Autounfall. Bajin hörte auf, täglich zu trainieren. Statt bei internationalen Turnieren spielte er beim Iphitos-Klub in München in der Regionalliga und absolvierte eine Trainerausbildung. Ein Klubmitglied vermittelte ihm schließlich den Kontakt zu Serena Williams.

Die Amerikanerin war nach ein paar Probetrainings begeistert. Bajin war stark genug, um sie zu fordern, den Ball genauso zu spielen, wie sie es wollte. Zugleich gelang es ihm, ihr Selbstvertrauen zu stärken. Zehn Grand-Slam-Turniere gewannen sie im Laufe der Jahre gemeinsam. Bajin genoss das Leben auf der Tennistour, knüpfte Freundschaften. Der Williams-Clan wurde zu seiner Ersatzfamilie. Noch heute schreibt er Mutter Oracene SMS, in London plant er noch einen Pub-Besuch mit Schwester Lynn. Wenn er Serena Williams sieht, umarmen sie sich kurz. Der große Bruder von früher ist nun Rivale. So läuft das Sportgeschäft.

Nach acht Jahren auf der Tennistour sieht Bajin längst nicht mehr nur die positiven Seiten. Es nerve ihn, Weihnachten nicht daheim zu sein. Es sei schwierig, eine Beziehung zu führen. "Dabei komme ich langsam in das Alter, wo man eine Familie gründen möchte." Ein Tennisprofi hat dafür nach der Karriere Zeit, ein Trainer dagegen reist noch lange von Grand Slam zu Grand Slam. Bajin kennt viele Kollegen, die viermal geschieden sind oder keine Familie haben.

Doch dann schwärmt er wieder vom Tennis. Erzählt, wie sich die ehemalige Weltranglistenerste Asarenka nach ihrer langen Verletzungspause zurückkämpft. Wie er mit ihr am Aufschlag arbeitet, ihr beibringt, aggressiver zu spielen. "Bald steht sie unter den Top Ten", prophezeit er. Siege in Wimbledon wären dafür nützlich.

Seit Bajin das Team gewechselt hat, trafen Serena Williams und Asarenka bislang zweimal aufeinander. Beide Male gewann die Amerikanerin knapp, einmal musste sie zwei Matchbälle abwehren. "Natürlich kenne ich Tricks, wie Serena zu schlagen ist", sagt Bajin und grinst. Das würden viele gerne wissen. Doch die einzige Spielerin auf der Tour mit dem Draht zum großen Williams-Bruder heißt Victoria Asarenka.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: