Trainer in München:Bayern betreibt feinstes Positionsspiel

FILE - Pep Guardiola Set To Leave Bayern Muenchen At The End Of The Season Real Madrid v FC Bayern Muenchen - UEFA Champions League Semi Final

April 2014, Madrid: Der Tortellinifan Carlo Ancelotti (re.) coacht den Systemtheoretiker Pep Guardiola aus und besiegt ihn 1:0, im Rückspiel sogar 4:0.

(Foto: Martin Rose)
  • Pep Guardiola verlässt den FC Bayern München im Sommer, er hinterlässt aber auch ein Spielsystem.
  • Sein Nachfolger wird Carlo Ancelotti, der viel Erfahrung mitbringt und als gelassener gilt als der Spanier.
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Von Peter Burghardt und Benedikt Warmbrunn

Am späten Samstagnachmittag saß Pep Guardiola im Niedersachsenstadion alias HDI Arena von Hannover 96 und beging den letzten Sieg des FC Bayern im letzten Spiel des Jahres 2015, ein schlichtes 1:0. Er war erstklassig gekleidet, wie immer: dunkler Anzug, beigefarbener Pullover, weißes Hemd, violette Krawatte. Bei der Pressekonferenz fiel auf, dass sein graubärtiger und nahezu kahl geschorener Charakterkopf dem des Kollegen Michael Frontzeck nicht unähnlich ist, aber natürlich wirkt Dressman Guardiola wie ein Guru und Frontzeck eher wie ein Feldarbeiter in Trainingsjacke.

Vorstandsboss Rummenigge lobt, dass Nachfolger Ancelotti "mit Stars umgehen kann"

Dieser schmale Katalane hat es tatsächlich geschafft, dass trotz einer Mannschaft voller Nationalspieler alle auf ihn schauten: den Trainer. Es hatte sich ja bis in dieses Betonoval herumgesprochen, dass er München im Sommer 2016 nach drei Jahren verlassen und vom Italiener Carlo Ancelotti beerbt werde. Die Meldung machte seit Tagen die Runde, aber das Geheimnis auflösen wollte Guardiola in Hannover noch nicht, Rätsel gehören zu seiner Aura.

"Morgen", erwiderte er erst auf die Frage, ob das angekündigte Gespräch mit Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge am Sonntag stattfinden werde, und dann: "Wir haben heute gesprochen, im Bus, wir können am Flughafen sprechen. Wir sprechen immer, wenn wir uns sehen." Aber es gab nicht mehr viel zu besprechen. Guardiola flog am Sonntag in die Weihnachtsferien nach Barcelona, Rummenigge verkündete erwartungsgemäß dessen Abschied.

Zukunft von Guardiola gibt Rätsel

"Wir sind Pep Guardiola dankbar für alles, was er unserem Verein seit 2013 gegeben hat", ließ sich der Vorstandsboss in einer Mitteilung zitieren, die am Sonntagmittag um Punkt 12 Uhr bestätigte, was sich in den vergangenen Wochen angedeutet hatte. Auch Rummenigge wusste im Bus, am Flughafen, natürlich schon lange Bescheid, das entscheidende Gespräche hatte da schon längst stattgefunden. Guardiola wehrte sich in Hannover nur noch dagegen, die Ergebnisse selbst zu verkünden. Ein Rätsel bleibt nun vorerst nur noch, was der Trainer von Juli an machen wird und ob er tatsächlich, wie allgemein erwartet, zu Manchester City gehen wird.

Auch dass Ancelotti, 56, auf Guardiola folgen werde, war ja durchgesickert, die Personalie war keine Überraschung - es war, angesichts der anderen verfügbaren Trainer auf dem deutschen und internationalen Trainermarkt, fast die einzige, zumindest aber eine logische Entscheidung. "Carlo ist ein ruhiger, ausgeglichener Fachmann, der mit Stars umgehen kann und einen variantenreichen Fußball spielen lässt - das haben wir gesucht, das haben wir gefunden", sagt Rummenigge über den Italiener, der die Champions League, jenen Titel, der Guardiola in München noch fehlt, zweimal mit dem AC Mailand und einmal mit Real Madrid gewinnen konnte.

Ancelotti, der einen Dreijahresvertrag unterschrieben hat, sagt in der Mitteilung vom Sonntagmittag, dass er "sehr geehrt" sei, Trainer des "großen FC Bayern" sein zu dürfen. Auf seinem Twitter-Account schreibt er, der zuletzt auch mit Zenit St. Petersburg und dem FC Chelsea in Verbindung gebracht wurde, am Sonntag zudem unter der Überschrift "Danke!": "Als ich vom Interesse des Klubs an mir erfuhr, kam für mich auch kein anderer Klub mehr in Frage." Schließlich wünscht er noch dem Verein und "meinem Freund Pep Guardiola alles erdenklich Gute für den Rest dieser Saison".

Guardiolas Abschied soll Champions-League-Ambitionen beflügeln

Acht Punkte Vorsprung hat das Team nach dem 1:0 in Hannover auf Borussia Dortmund, doch wie Guardiolas Zeit in München bewertet werden wird, von anderen, aber auch von ihm selbst, darüber entscheidet vor allem das Abschneiden in der Champions League. "Ich bin überzeugt, dass Pep und unsere Mannschaft jetzt noch intensiver daran arbeiten werden, die großen sportlichen Ziele zu erreichen - gerade, weil nun feststeht, dass Pep den FC Bayern verlassen wird", sagt Rummenigge in der Mitteilung, in der auf 16 Zeilen Guardiola nicht einmal zitiert wird.

In der Stunde, da der Verein bekannt gibt, dass sich der bisherige Trainer lieber eine neue Herausforderung sucht, erklärt der Verein im Grunde auch, dass er zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Der FC Bayern ist von der neuen Saison an kein Trainerverein mehr, kein Verein also, der vieles dem Willen eines Einzelnen unterordnet. Er ist jetzt wieder ein Spielerverein, ein Verein, der seinem Trainer eine Elf zusammenstellt, mit der dieser dann bitte schön möglichst viele Titel sammeln möge.

Ihrem Kader trauen sie beim FC Bayern zum einen zu, dass er sich von möglichen Diskussionen in dem letzten halben Jahr unter Guardiola nicht irritieren lassen wird. Sie trauen ihm aber vor allem zu, dass er unter einem erfahrenen Trainer wie Ancelotti einfach weiterhin zur internationalen Spitze gehören wird, auch dank der selbstverständlich gewordenen dominanten Spielweise, die als Guardiolas Werk und Erbe gelten darf.

Für Ancelotti hat sich die Klubführung um Rummenigge ja auch entschieden, weil dieser mit den Gefühlsregungen in dieser Ansammlung an Nationalspielern umzugehen weiß, weil er als taktisch erfahren gilt - und doch nicht als ein Ideologe wie Guardiola. Die Spielweise, die der Katalane in München eingeführt hat, wird natürlich trotzdem bestehen bleiben, wenn auch auf eine entspanntere Art, wie sie Ancelotti pflegt, nicht zuletzt im Umgang mit den Spielern.

Folgt Guardiola dem Vorbild von Heynckes?

Wie gut das System Guardiola funktioniert, zeigte sich auch am Samstag, als der Trainer auf eine halbe Weltauswahl an verletzten Spielern verzichten musste. Unheimlich schwer sei es gegen das Positionsspiel der Bayern, klagte 96-Trainer Frontzeck dennoch, aber er wusste ja, dass das Ergebnis schmeichelhaft war. Nur einmal musste Manuel Neuer bei einer Großchance einschreiten. Ron-Robert Zieler dagegen rettete zehnmal. Das Tor erzielte Thomas Müller nach 40 Minuten mit einem Strafstoß, nachdem Christian Schulz im Strafraum die Hand eingesetzt hatte.

Müller trifft, Müller redet, Müller lacht. Anders als Guardiola hat der Stürmer gerade wie Jérôme Boateng, Javier Martínez und Xabi Alonso seinen Vertrag verlängert, auch das ein Zeichen, dass die Spieler wieder die Hauptrolle im Klub übernehmen werden. Bei Müller hält sich sogar die Dramatik der Pep'schen Entscheidung in Grenzen. "Für uns spielt das keine Rolle", sagte er. "Wir wollen erfolgreich sein. Der Vertrag von Jupp Heynckes ist damals auch ausgelaufen und wir haben das Triple gewonnen." Das würde Guardiola gefallen, ehe er ein anderes Land, eine andere Stadt, einen anderen Verein beehrt.

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