Traditionsklub in Not:24 Fehler

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Freud und Leid in der Münchner Arena: Romario Kortzorg hat zum 1:0 für Erzgebirge Aue getroffen - 1860 München trifft das hart. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Hinten gepatzt, vorne harmlos: Durch ein 0:1 gegen den direkten Konkurrenten FC Erzgebirge Aue rutscht der TSV 1860 München tief in den Abstiegskampf der zweiten Bundesliga.

Von Markus Schäflein, München

Am Ende standen 24:9 Torschüsse in der Statistik, aber 0:1 Tore. Also verlor der Fußball-Zweitligist TSV 1860 München sein Heimspiel gegen den direkten Konkurrenten Erzgebirge Aue, hat nun nur noch einen einzigen Zähler Vorsprung auf die Abstiegszone und steckt so tief wie nie im Kampf um den Klassenverbleib. "Wir haben hinten ein paar Fehler gemacht", stellte Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner fest, "aber vorne haben wir im Prinzip 24 Fehler gemacht."

Einen erfolglosen Torabschluss gleich als Fehler zu bezeichnen, mag eine gewagte Haltung sein, angesichts der Qualität der Münchner Versuche lag Poschner allerdings durchaus richtig. Oft gingen die Schüsse in den zweiten Rang der überdimensionierten Fröttmaninger Arena, und wenn sie einmal aufs Tor kamen, waren sie geradezu eine Beleidigung für Aues Torwart Martin Männel. Vor allem die jungen Julian Weigl und Korbinian Vollmann machten keine gute Figur bei ihren Versuchen, den Raum zum Abschluss aus 15 bis 20 Metern, den Aue ihnen gewährte, zu nutzen. "Es hat nicht funktioniert", sagte Poschner, "aber die grundsätzliche Qualität dieser Spieler stelle ich nicht in Frage."

Das wäre ja auch noch schöner, Weigl ist erst 19 Jahre alt, und Vollmann, 21, etwa war ja eigentlich für die Regionalliga-Mannschaft vorgesehen und steht nun im Kader der Profis, weil Poschners Kaderumbau, gelinde gesagt, nicht glückte. Insgesamt 13 Neue holte der frühere Spielervermittler seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr zu Sechzig; Torjäger Rubin Okotie war sein bester Griff, arbeitet sich nach einer Verletzung aber seit der Winterpause erst ganz langsam wieder an die Mannschaft heran. "Wir tun im Moment gut daran, uns auf das nächste Spiel zu konzentrieren und keine allzu großen Gesamtanalysen zu betreiben", sagte Poschner, was nichts daran ändert, dass andere im Verein und im Umfeld große Gesamtanalysen betreiben - und, wie sollte es anders sein, zu niederschmetternden Ergebnissen kommen.

Trainer Torsten Fröhling, wie etliche Spieler aus der Not heraus von der U21 zu den Profis aufgerückt, hatte zu Beginn einiges Glück und holte Siege gegen St. Pauli und in Fürth; zuletzt gingen allerdings zwei Heimspiele gegen direkte Konkurrenten schief, beim 1:1 gegen Aalen und nun beim 0:1 gegen Aue. Fröhling setzt auf eine Mischung aus motivierten Jungspunden, lang gedienten Profis und denjenigen Neuen, die er für tauglich hält im Abstiegskampf. Gegen Aue war es in Kai Bülow ein alter Fahrensmann, der mit einem Fehlpass schon nach fünf Minuten das 0:1 einleitete; Christopher Schindler, ebenfalls einer der langjährigen Profis, sah danach auch nicht gut aus, als Stefan Mugosa konterte und Romario Kotzorg bediente. Alle Versuche, diesen Rückstand noch zu egalisieren, brachten nichts ein, und Pech im Torabschluss war nur in den wenigsten Situationen dabei. "Sehr, sehr bitter, sehr ärgerlich, sehr unnötig" fand nicht nur Poschner die Niederlage - zumal der FC Erzgebirge keineswegs überzeugt hatte. Trotz ultradefensiver Taktik ließen die Auer viele Möglichkeiten zu, und trotz zahlreicher Einladungen der verunsicherten Sechzig-Defensive legten sie ihrerseits keinen zweiten Treffer nach. "Wir haben uns im Prinzip selbst in den Arsch getreten", fand Poschner, "für die Mannschaft ist das ein harter Schlag, man kann ihr ja nicht vorwerfen, dass sie nicht wollte."

In die Kritik ist auch Vitus Eicher geraten, der Torwart, der beim Gegentor schuldlos war, aber eben nicht gerade Sicherheit ausstrahlt. Es war Fröhlings Idee, dem aus der eigenen Jugend stammenden Eicher den Vorzug vor dem von Poschner verpflichteten Stefan Ortega zu geben, wohl ein Zeichen fürs Vertrauen in langjährige Sechziger, so genannte "echte Löwen". Poschner, der den Trainer-Vorgängern Ricardo Moniz und Markus von Ahlen schon mal nachdrückliche Tipps gab, hält sich aus der Aufstellung mittlerweile heraus: "Alles, was der Torsten entscheidet, ist so." Womöglich hat Poschner festgestellt, dass es für einen Trainer schwer genug ist, aus seinem Kader eine Mannschaft zu bilden.

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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