Traditionsklub Glasgow Rangers:54 Mal Meister und trotzdem pleite

170 Millionen Euro Schulden, als Betrüger verspottet: Diese Woche entscheidet sich die Zukunft der altehrwürdigen Glasgow Rangers. Den Fans wäre ein Neuanfang in der vierten Liga am liebsten - doch das würde der schottische Fußball kaum überleben.

Christian Zaschke, London

Wenn alle Dauerkartenbesitzer für die neue Saison im Stadion der Glasgow Rangers Platz nähmen, blieben noch 50 832 Sitze frei. Sie kämen sich im Ibrox-Stadion wohl ein wenig verloren vor, die 250 treuen Fans, die sich trotz allem ihre Karten gesichert haben. Sie wissen nicht, in welcher Liga ihr Lieblingsklub in der kommenden Saison spielen wird, sie wissen nicht mal, wie ihr Lieblingsklub derzeit eigentlich genau heißt, aber sie haben ihre Karten gekauft. 250 Fans.

Glasgow Rangers laut britischen Medien vor dem Zwangsabstieg

Was früher die Glasgow Rangers waren, gehört heute der Firma Sevco 5088 Ltd. - die Fans klammern sich an die alten Fahnen.

(Foto: dapd)

Für einen Klub, der 54 Mal die schottische Meisterschaft gewonnen hat und dazu ein paar Wandschränke voller Pokale, ist das nicht viel. Es ist sogar lächerlich wenig, 250 Dauerkarten verkaufen Witzvereine wie der FC East Stirlingshire, Elgin City oder Annan Athletic. Aber anders als die Glasgow Rangers sind diese vermeintlichen Witzvereine nicht überschuldet. Sie sind finanziell gesund und kicken in der vierten schottischen Liga munter vor sich hin, was selten schön anzuschauen ist, aber stets unterhaltsam.

Die Rangers hingegen haben im Februar Insolvenz anmelden müssen, weil sie 134 Millionen Pfund Schulden angehäuft hatten, 170 Millionen Euro. Jetzt hoffen die Fans des vormals so stolzen Klubs, dass ihr Team in der kommenden Saison gegen den FC East Stirlingshire, Elgin City oder Annan Athletic spielt. Sie hoffen auf einen Neuanfang ganz unten.

Rechtlich existieren die Rangers nicht mehr. Sie haben sich auflösen müssen, aus der Insolvenzmasse kaufte der englische Geschäftsmann Charles Green mit einer Firma namens Sevco 5088 Ltd. unter anderem das Stadion und das Trainingsgelände. Da sich Sevco 5088 Ltd. auch mit viel Fantasie nur schwer in einen Fangesang einbauen lässt, hatte Green die ziemlich gute Idee, die Firma in "The Rangers Football Club Ltd." umzubenennen, was ihm das für das Handelsregister zuständige Companies House zunächst untersagte - die Gläubiger müssten dem zustimmen. Mittlerweise gehören Stadion und Trainingsgelände der Sevco Scotland Ltd. Der in der Öffentlichkeit zumeist benutzte Name für die neue Firma lautet "Newco Rangers".

In der vergangenen Woche hatte die schottische Premier League abgelehnt, dass die neue Firma in der ersten Liga mitspielen darf. Über die Zukunft der Rangers entscheidet deshalb nun die Scottish Football League, die für die Ligen zwei bis vier zuständig ist. An diesem Freitag gibt sie ihre Entscheidung bekannt, und die Frage ist: In welche Liga wird sie die Rangers einordnen? Dass dieser Freitag der 13. Juli ist, mithin von abergläubischen Menschen als Unglückstag angesehen wird, passt recht gut zu der Geschichte. Wobei: Was Glück ist und was Pech, darüber gibt es rund um den Klub unterschiedliche Ansichten.

"Langsamer, nachhaltiger Tod"

Die neuen Chefs hoffen, dass sie in der so genannten First Division einsteigen dürfen, der zweiten Liga. Ein Jahr hätte der Klub schnell überbrückt, und mit der Hilfe von Gönnern und Sponsoren könnte er rasch eine konkurrenzfähige Mannschaft aufbauen. Der einzig ernst zu nehmende Gegner im Land ist ohnehin seit Jahren der Stadtrivale Celtic Glasgow. Auch die anderen Erstliga-Klubs haben ein Interesse daran, dass die Rangers schnell wieder oben dabei sind: Zum einen sind bei Heimspielen gegen den Klub die Stadien voll, zum anderen erhält die Liga ihr Fernsehgeld in erster Linie dafür, dass Celtic und Rangers möglichst oft gegeneinander spielen - denn Duelle wie Inverness Caledonian Thistle gegen Dunfermline Athletic sind doch eher was für Spezialisten.

Es gibt jedoch ein massives Problem für die Rangers: Die überwältigende Mehrheit der Fans will einen kompletten Neustart. 80 Prozent der organisierten Anhänger haben sich dafür ausgesprochen, in der Third Division anzufangen, der vierten Liga. Sie wollen sich nicht von den Celtic-Fans dafür verhöhnen lassen, dass sie trotz der Pleite fast ganz oben wieder einsteigen dürfen. Es wäre ihnen unerträglich, als Betrüger verspottet zu werden.

Die Celtic-Fans haben jetzt schon einen Heidenspaß an der Sache. Es ist zum Beispiel mit Sicherheit davon auszugehen, dass es Celtic-Anhänger sind, die derzeit regelmäßig am Wikipedia-Eintrag der Rangers herumfummeln. Mit großer Wonne setzen sie den Eintrag immer wieder in die Vergangenheitsform: "Rangers Football Club was a football club based in Glasgow . . . "

Allerdings werden wohl auch die Fans von Celtic insgeheim auf eine Rückkehr des geliebten Feindes hoffen. Ohne den Rivalen würde es unendlich langweilig werden im schottischen Fußball, der mit Attraktionen ohnehin nicht überreich gesegnet ist. Der Chef des schottischen Fußball-Verbands, Stewart Regan, hat zwar kein Mitspracherecht in der Sache, aber er hat sich entschieden dafür ausgesprochen, dass die neuen Rangers in der zweiten Liga spielen dürfen. Der Funktionär fürchtet den "langsamen, nachhaltigen Tod" des schottischen Fußballs, wenn die Rangers in der vierten Liga beginnen müssten.

Die Vertreter der 30 Vereine in zweiter, dritter und vierter Liga diskutieren nun bis zum Freitag, wie zu verfahren ist. Jeder Verein hat eine Stimme, auch der FC East Stirlingshire, Elgin City und Annan Athletic. In allerlei Internet-Foren bitten Rangers-Fans eindringlich darum, nach ganz unten strafversetzt zu werden, damit ihnen niemand nachsagt, ihr Klub erhalte eine Vorzugsbehandlung. Doch der Wunsch der Fans wird vermutlich nicht in Erfüllung gehen: Es ist zu viel Geld im Spiel.

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