Tour de France:Vorsicht! Gegenwind!

Vor der 98. Tour de France wird tatsächlich auch über Sport gesprochen und über den Zweikampf zwischen Alberto Contador gegen Franck Schleck. Das wichtigste Thema lautet jedoch wie in den Jahren zuvor: leistungsfördernde Mittel.

Andreas Burkert, Les Herbiers

Es weht ein kräftiger Wind rüber vom Atlantischen Ozean. In Les Herbiers, wo die 98. Tour de France vor dem Start an diesem Samstag ihr Quartier aufgeschlagen hat, sorgt die Brise für eine trügerische Sicherheit vor den Strahlen der am wolkenfreien Himmel glühenden Sonne.

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Favorit und Verdächtiger: der Spanier Alberto Contador.

(Foto: dpa)

Der Wind ist natürlich ein Thema vor dem Grand Départ, in den nächsten Tagen geht es von der Vendée hoch in die noch rauere Bretagne. Bis zu den ersten schweren Bergetappen in knapp zwei Wochen in den Pyrenäen komme es deshalb darauf an, "keine Zeit auf diesen Strecken entlang der See zu verlieren", sagt der luxemburgische Tour-Favorit Andy Schleck.

Es wird also auch noch über Sport gesprochen vor der Abreise, über Schleck und sein mutmaßliches Duell um den Gesamtsieg mit dem spanischen Titelverteidiger Alberto Contador, hinter dem er die beiden vergangenen Jahre jeweils auf Platz zwei landete.

Aber seit dem Vorfall von Puy du Fou am Donnerstag, als die rund 10.000 Zuschauer in der römischen Arena des Vergnügungsparks den Darsteller Contador mit lärmenden Buhrufen bedachten, ist klar, dass Frankreich auch wieder ernsthaft über das Hauptthema des Radsports nachdenkt.

Die Affäre um Contador, der positiv auf Clenbuterol getestet wurde und noch auf das Urteil des obersten Sportgerichts (Cas) in Lausanne wartet, "ist eine Last, die nun drei Wochen mitgeschleppt wird", konzedierte betroffen die französische Sportzeitung L'Équipe auf der Frontseite ihrer Sonderbeilage zur hauseigenen Veranstaltung. Niemals habe er mit so einer Aktion des Publikums gerechnet, sagt der schottische Routinier David Millar, 34, "aber offenbar haben wir unser Konto an Schuld endgültig überzogen".

"Das habe ich nicht verdient", sagte Contador nach der Erniedrigung im Live-Programm. Schon voriges Jahr registrierte die gastgebende Nation kühl seinen dritten Erfolg, wohl auch, weil er Schleck nach einem Defekt davongefahren war. "Diese Pfiffe sind nicht schön für Alberto", sagt Schleck, der nun wohl wegen seiner smarten Art als Gegenentwurf zum nichtssagenden und hochgradig verdächtigen Rivalen zu gelten hat.

Hoffnung auf ein Spektakel

Ob die Tour mit dem Duell wieder an Faszination gewinnen kann beim mehr und mehr aufgeklärten Publikum, ist eine andere Sache. Nach allgemeiner Einschätzung sind ja Herausforderer wie der Holländer Robert Gesink, 25, der spanische Olympiasieger Samuel Sanchez, 33, sowie der ebenfalls vorbelastete Telekom-Veteran Andreas Klöden, 36, aus Cottbus (TeamRadioShack) allenfalls als Podiumskandidaten anzusehen.

Die Hoffnung der Veranstalter auf ein Spektakel gründen sich auf den Streckenverlauf, der diesmal nur ein Einzelzeitfahren beinhaltet und vier Bergankünfte; der Galibier wird gleich zweimal überfahren, auch der Tourmalet, Télégraphe, Izoard, der Col Angel (2744m) als höchster Punkt und Alpe d'Huez sind prestigeträchtige Wegmarken.

Das Rennen ist also schwer genug, hinzu kommt wieder die Sorge vor DopingSünden. Sicher wirkt der Eschborner Top-10-Kandidat Tony Martin, 26, derzeit auch deshalb so nachdenklich, denn seinem US-Team Highroad droht das Aus. Auch wegen der zahlreichen Enthüllungen sei die Sponsorensuche bislang erfolglos, sagt Besitzer Bob Stapleton. Auf dessen Heimatmarkt ist es die fortschreitende Diskreditierung der einstigen US-Ikone Lance Armstrong, aber auch auf dem alten Kontinent der Branche nehmen die Peinlichkeiten kein Ende.

Der frühere belgische Profi Wim Vansevenant, 39, etwa gilt der Polizei neuerdings als Importeur "ultra-moderner Dopingprodukte", wie es in Berichten heißt. Vansevenant - der 2008 zurücktrat - gab an, die Mittel für den eigenen Gebrauch zu nutzen. Er sollte bei der Tour Vip-Gäste seines alten Arbeitgebers Omega-Lotto betreuen, aber das habe man jetzt storniert, teilte das Team mit.

In Haft sitzt wegen ähnlicher Funde seit Wochenbeginn ein weiterer Belgier, der bisher als Pfleger des Schweizer Tour-Rennstalls BMC arbeitete. Sven S. steht in Zusammenhang mit einem Fund von 195 Einheiten Epo am Flughafen Brüssel im Jahr 2009, auch er gab Eigengebrauch als Grund für die Sendung an.

Mehrere BMC-Offizielle dementierten zunächst, Sven S. überhaupt zu kennen. Dabei war der Belgier laut Team-Homepage auch dieses Jahr schon im Einsatz. "Aber er war natürlich nicht für die Tour eingeplant", erklärte Teamchef Jim Ochowicz nun in einer offiziellen Stellungnahme.

Die Last Contador, dazu ein paar belgische Affären - diesen Gegenwind hat die Tour 2011 zu ertragen. Aber die Bilder beim Start auf der Passage du Gois vor der Insel Noirmoutier werden großartig sein, schwärmen die Menschen hier in der schönen Vendée. Man muss nur vorsichtig sein bei diesen Bildern. Es wird sehr heiß sein und sehr sonnig. Das bedeutet Gegenlicht.

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