Tour de France:"Sinkewitz lag in Freiburg neben Klöden"

Trotz eindeutiger Aussagen des Kronzeugen Patrik Sinkewitz darf sich der deutsche Astana-Profi Andreas Klöden bei der Tour präsentieren.

Andreas Burkert

Doch, schon, er kann sprechen, und wenn sich Andreas Klöden unter seinesgleichen wähnt, sprudeln die Worte sogar richtig aus ihm heraus. So wie am Samstagnachmittag nach seinem Zeitfahren in Monte Carlo, als er sich zu seinem spanischen Mannschaftskollegen Alberto Contador herunterbeugte, der gerade den Kreislauf für seinen Einsatz in Schwung brachte. Er habe ihm Tipps für die Strecke gegeben, wurde später berichtet von Menschen, mit denen Andreas Klöden, 33, noch redet.

Tour de France: Andreas Klöden startet bei der Tour de France für das Astana-Team.

Andreas Klöden startet bei der Tour de France für das Astana-Team.

(Foto: Foto: Reuters)

Klöden ist ansonsten sehr wählerisch, was seine Gesprächspartner angeht, wenn er zum Beispiel das Mikrophon von deutschen Rundfunkanstalten oder kritischen Begleitern des Feldes entdeckt, dreht er sich weg, als schaue er auf ein verschimmeltes Cordon Bleu. Seit den Enthüllungen über seinen Freund und langjährigen Teampartner Jan Ullrich und das Dopingsystem bei Telekom (später T-Mobile) hat Klöden beschlossen, nicht mehr mit deutschen Medien zu kommunizieren.

Ein Schaden entsteht dadurch allerdings nicht, denn schon immer galt der Cottbuser als besonders nichtssagendes Element des Pelotons; selbst wenn er denn redete. Und zur Dopingproblematik seines Sports oder gar den ihn betreffenden Vorwurf, auch er habe am Betrugssystem bei den Magenta-Teams teilgenommen, für die er von 1998 bis 2006 fuhr, schweigt er ohnehin beharrlich. Er lässt dann allenfalls Anwälte ein paar Erklärungen abgeben.

Wie nicht anders zu erwarten, tauchte im Abschlussbericht der Freiburger Expertenkommission auch der Name des zweimaligen Tour-Zweiten auf. Bezugnehmend auf den Kronzeugen Patrik Sinkewitz heißt es in dem Dossier des Gremiums um Hans-Jochim Schäfer: Sinkewitz habe in einer Vernehmung ausgesagt, dass bei der Tour 2006 "seine frühere Freundin auch die Teammitglieder Matthias Kessler (wegen Testosteron-Dopings noch bis Ende Juli gesperrt; d.Red.) und Andreas Klöden von Straßburg nach Freiburg mitgenommen und wieder zurückgefahren hat. Dies hat seine frühere Freundin auch bei ihrer Vernehmung am 20. März 2008 durch das BKA bestätigt".

Um 18 Uhr habe sich das Trio damals vom Teamquartier im Elsass zur Uniklinik aufgemacht, wo Professor Schmid sie empfing. "In einem Zimmer mit Liege wurde dann allen drei Fahrern Eigenblut reinfundiert", heißt es in dem Bericht. Schäfer, ein früherer Sozialgerichts-Präsident, konkretisiert die Angaben sogar noch, der SZ sagte er am Montag: "Sinkewitz hat es ja doch selbst gesehen - er hat neben Klöden gelegen." Zweifel am Kronzeugen aus Fulda, der sich auch dem BKA und der Weltantidoping-Agentur zur Verfügung stellte, erübrigen sich nicht nur aus Schäfers Sicht, der sagt: "Sinkewitz ist absolut glaubhaft."

Klöden ließ derweil eine Presseerklärung seiner Anwälte verbreiten, in der er den Bericht und Sinkewitz' Glaubwürdigkeit in Frage stellte. "Für uns ist nicht nachvollziehbar, wie eine selbst ernannte Expertenkommission nach angeblich intensiver Prüfung von Sachverhalten derart vage Behauptungen verbreiten kann", heißt es dort zum Abschluss. Nicht erwähnt wurde, dass Klöden vor Schäfer nicht aussagen wollte.

Astanas dürftige Reaktion

Team Astana hat so auf die Lektüre des Berichts reagiert, wie man das von dieser Skandalmannschaft erwarten durfte: Sie nominierte ihn für die Tour, wo Klöden nach dem Auftaktwochenende als Vierter in das Teamzeitfahren an diesem Dienstag geht. "In dem Bericht steht doch nur, dass Sinkewitz sagt, dass Andreas in Freiburg war", zitiert Teamsprecher Philippe Maertens die offizielle Linie von Manager Johan Bruyneel, "nur mit dieser Information können wir ihn nicht belangen."

Andreas Klöden, ein langjähriger Klient des früheren Schweizer Profis Tony Rominger - der sich einst vom später verurteilten Dopingarzt Michele Ferrari präparieren ließ und der auch die Sünder Sinkewitz, Kessler oder Alexander Winokurow betreute -, hat die konkreten Vorwürfe durch den einstigen Kollegen Sinkewitz nicht konkret dementieren lassen; auch von einer Klage ist bislang nichts bekannt.

Und auch zur Veröffentlichung einer Medikamentenlieferung durch die Freiburger Kommission aus dem Jahr 2000 im Wert von 1000 Mark an seine heutige Frau ließ der Sachse allenfalls spitzfindig seine Anwälte kontern, "dass bisher niemand behauptet hat, unser Mandant habe Doping mit Arzneimitteln praktiziert".

Wie gesagt, von Astana ist keine Reaktion zu Klöden im Sinne einer Imageverbesserung des Radsports zu erwarten. Der Weltverband UCI äußert sich ähnlich und verweist auf die nationalen Verbände. Da Andreas Klöden in der Schweiz, wo er in der Nähe der Kumpels Ullrich und Kessler wohnt, lizensiert ist, dürfte sich der dortige Dachverband Swiss Olympic mit ihm beschäftigen. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es aber bisher nicht.

Dafür kümmern sich offenbar bereits die Freiburger Ermittler im Zuge ihrer anhaltenden Recherchen zu den Uniärzten und Teambetreuern um den derzeit bestplatzierten Deutschen bei der Tour, wie Staatsanwalt Christoph Coen der SZ bestätigte. Bezugnehmend auf das unmissverständliche Fazit des Schäfer-Gremiums sagte er: "Wenn es da, wie jetzt geschehen, eine klare Aussage zu Klöden gegeben hat, gehen wir dem natürlich nach und werden das Gebotene veranlassen."

Womöglich muss Klöden also bald dort auch reden, wo ihm nicht seinesgleichen gegenüber sitzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: