Tour de France:Sagan verdient eine Strafe, aber nicht diese

Tour de France

Von der Tour ausgeschlossen: Sprinter Peter Sagan.

(Foto: Dirk Waem/dpa)

Der Tour-Ausschluss des Sprinters ist zu hart. Die Veranstalter beweisen damit ihre eigene Inkonsequenz.

Kommentar von Claudio Catuogno

Sebastian Vettel hätte wahrscheinlich auch den Ellenbogen genommen, wären da nicht noch das Chassis und die Räder seines Rennwagens im Weg gewesen. Zack, einmal den Ellenbogen in die Rippe von Lewis Hamilton gerammt, dann wäre die Sache geklärt gewesen. Aber weil die beiden ja hinter dem Steuer beschäftigt waren, kürzlich auf der Rennstrecke in Baku, fuhr Vettel dem Rivalen halt von der Seite ins Auto. Reifen gegen Reifen.

Macht man das? Natürlich nicht. Auch nicht, wie im konkreten Fall, bei niedrigem Tempo während einer Safety-Car-Phase. Was soll da bitte der Fahranfänger zu Hause am Fernseher denken? Nein, von einem, der ein 1000-PS-Auto anvertraut bekommt, um damit einem - nicht nur für sich selbst - tendenziell lebensgefährlichen Job nachzugehen, darf man erwarten, dass er seine Emotionen im Griff hat. Insofern war es eine sehr milde Strafe, mit welcher der Automobil-Weltverband FIA Vettel bedachte, zusätzlich zu den zehn Sekunden Standzeit noch während des Rennens: Es blieb bei einer Verwarnung. Sache erledigt.

Peter Sagan dürfte da bitter lachen.

"Egoismus ist die Zärtlichkeit der Ellenbogen" schrieb der Schriftsteller Norman Mailer - und so gesehen haben es der zweifellos ich-zentrierte Radfahrer Sagan und sein, nun ja, zärtlicher Ellenbogen jetzt zu beachtlicher Prominenz gebracht. Ausgeschlossen von der Tour de France, nach Hause geschickt nach der vierten Etappe. Weil der Weltmeister den Kollegen Mark Cavendish per Ellenbogen-Check von der Strecke geräumt hatte. Natürlich macht man auch das nicht, und Cavendishs Schulterverletzung steht als Folge der Rempelei für sich. Trotzdem: Man hätte der Jury etwas von jener Nachsicht gewünscht, von der Sebastian Vettel zu viel zuteil wurde.

Hat Sagan seinen Rivalen Cavendish absichtlich zu Sturz gebracht?

Man kann die Vettel/Hamilton-Szene zig mal in der Wiederholung anschauen, man sieht immer das Gleiche: eine Rowdy-Dummheit, wie beim Autoskooter auf dem Rummelplatz. Aber je öfter man die Szene anschaut, wie Peter Sagan im Massensprint von Vittel um die entscheidenden Hundertstel rang - es gibt die Szene von vorne, von oben, langsam, schnell, halbscharf, unscharf, sehr unscharf -, umso weniger klar ist: Hat er Cavendish absichtlich umgestoßen? Oder hat er im Eifer des Gefechts den Ellenbogen ein bisschen zu arg nach hinten gezogen? Und war wiederum Cavendish, seinerseits auf riskanter Linie unterwegs, nicht schon kurz vorher ins Straucheln geraten?

Bemerkenswert ist, dass selbst die unmittelbar Beteiligten da ihre Meinung änderten: André Greipel etwa, der zuerst noch gezetert hatte, Sagan habe auch ihn in der Rangelei "fast umgebracht", später aber zugab, dass es ganz so eindeutig nicht war.

Der Tour-Ausschluss wirkt sehr konsequent. Allzu oft schützen Veranstalter ihre Prominenz ja schon aus monetären Erwägungen um fast jeden Preis. Allerdings ist es im Fall der Tour de France ja der selbe Veranstalter, der die Fahrer sehr bewusst in waghalsige Sprintankünfte in engen Altstädten treibt. Ellenbogen an Ellenbogen - das ist das Geschäftsprinzip. Bestraft musste Peter Sagan werden, es wäre aber auch eine Nummer kleiner gegangen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: