Tour de France 2009:Medikamente im Tour-Müll

Nach der Frankreich-Rundfahrt sind nun die Dopingfahnder um AFLD-Ermittler Bordry am Zug - sie haben nach SZ-Informationen im Abfall einiger Teams verbotene Substanzen gefunden.

Andreas Burkert

Pierre Bordry hat drei Wochen geschwiegen, mit einer Ausnahme, als er die skandalösen Umstände einer Dopingkontrolle des Astana-Rennstalls um Gesamtsieger Alberto Contador in Andorra meldete. Nun sind die letzten Fanfaren auf den Champs-Élysées erklungen, sie galten dem nun sechsmaligen Etappensieger Mark Cavendish und eben Contador, der allerdings nicht die spanische, sondern die dänische Hymne zu hören bekam. Und in den Schlussakkord auf dem Pariser Prachtboulevard streut Bordry jetzt doch einige Misstöne. Was der Präsident der französischen Anti-Doping-Agentur (AFLD) bekanntzugeben hat, dürfte das ohne Dopingaffäre ins Ziel getrudelte Feld beunruhigen.

Tour de France 2009: Tour-Sieger Alberto Contador hat eine Dopingprobe hinter sich gebracht.

Tour-Sieger Alberto Contador hat eine Dopingprobe hinter sich gebracht.

(Foto: Foto: AFP)

Die AFLD hat 2008 sieben Positivsünder aus dem Verkehr gezogen, doch nach der Versöhnung der nur kurzzeitig am Antidopingkampf interessierten Veranstalter mit dem Weltverband UCI sind die Fahnder des Gastgeberlandes diesmal nur geduldete Beobachter gewesen. Bordry, 70, ist darüber nicht glücklich, zu viele Vorfälle legen nahe, dass die UCI im Zweifel eher auf Seiten der Teams und Fahrer steht. So muss Bordry am Montag mit Bedauern bestätigen, dass seine Wissenschaftler nicht nur auf die Werte der UCI-Kontrollen kein Auge werfen dürfen. "Das gilt zunächst auch für unsere eigenen Kontrollen bei der Tour", sagte Bordry. "Die Proben gehen direkt ins Labor, das sich dann wieder an die UCI wendet - wir sind da leider bei unseren eigenen Tests außen vor. Wir müssen nun abwarten, ob und über was wir informiert werden."

Dass eine Auswertung durch eine breitere Expertenbasis nicht nur für mehr Glaubwürdigkeit der UCI sorgen würde, ist die eine Sache. Die andere: Bordry hat konkrete Anhaltspunkte, dass auch bei der vermeintlich skandalfreien 96. Ausgabe der Tour fleißig betrogen wurde: Nach Informationen der französischen Zeitung Le Monde und der SZ haben die AFLD-Beobachter in Mülleimern einiger Teams diverse verbotene Substanzen gefunden. Bordry bestätigt: "Wir haben einige schwere Medikamente gefunden, etwa eine Substanz, die Insulin produziert und normalerweise bei Diabetes genommen wird." Wen er in Kenntnis setzen wolle von den kompromittierenden Funden, mochte Bordry am Montag lieber nicht kommentieren. Taktieren kann wohl nicht nur die UCI.

Bordry ist zudem, was Wunder, davon überzeugt, dass der verbotene Blutaustausch weiterhin angesagt ist. Er sagt: "Es ist wahrscheinlich, dass es wieder Bluttransfusionen gab." Die ungelöste Madrider Puerto-Affäre aus 2006, in die auch Contador aktenkundig verwickelt war, die anschließenden Enthüllungen um den einstigen Telekom-Rennstall sowie die Affäre um das Wiener Dopingnetzwerk belegten die Beliebtheit des Blutaustauschs. Und: Die Methode ist bekanntermaßen noch nicht nachweisbar.

Nicht nur, weil Fuentes weiter im Verborgenen praktizieren soll, zuletzt angeblich auch in Portugal und Osteuropa, ist davon auszugehen, dass die verbotene Masche unverändert verbreitet ist. "Bislang gibt es ja nur Verfahren wegen indirekter Parameter, im Rahmen der Blutprofilanalysen", sagt Dopingforscher Mario Thevis vom Institut an der Sporthochschule Köln. "Das heißt aber nicht, dass an einem direkten Nachweisverfahren nicht fleißig gearbeitet wird." Bordry verkündete zuletzt: "Für Blutdoping dürfte es schon bald einen Test geben."

Überhaupt tut sich wohl etwas an der Analysefront. Thevis muss zwar, wie in all den Jahren zuvor, einräumen, "dass sicher auch bei dieser Tour Methoden und Substanzen im Umlauf gewesen sind, für die es noch keine Testmöglichkeit gibt." Allerdings soll es, früher oder später, Nachtests geben. Von der Tour 2008, dies hatte Bordry an diesem Sonntag gesagt, sollen die ersten 20 des Klassements nachträglich auf die Epo-Variante Cera überprüft werden. Auch französische Nachkontrollen der jüngsten Rundfahrt sind avisiert, und Bordry hat auch hier bereits Ansatzpunkte. Er sagt: "Wir sind der Überzeugung, dass bei dieser Tour zwei Medikamente benutzt wurden, die noch gar nicht auf dem Markt sind."

Konkreter wurde Bordry offiziell nicht. Dem Vernehmen nach soll es sich aber zum einen um Hematide handeln, ein Epo-Imitat, das wohl erst 2011 bei Blutarmut verschrieben werden darf; zum anderen um synthetisches Aircar, das im Muskel die Kraftwerke vermehrt und Fett verbrennt. Für diese Mittel will das Pariser Labor in Châtenay-Malabry offenbar spätestens im Herbst einen Test erstellt haben. Forscher Thevis sagt: "Es ist deshalb wichtig, dass die aktuellen Proben aufbewahrt werden. Es braucht leider Zeit, aber die Fahrer sollten nicht allzu sicher sein."

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