Tour de France:Bis die Dominanz von Froome bricht

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Kann sich nicht absetzen: Christopher Froome aus Großbritannien. (Foto: Getty Images)
  • Die Organisatoren der Tour de France haben in diesem Jahr eine ungewöhnliche Route gewählt. Ausreißer haben es schwer.
  • Viel fehlt nicht mehr, und sie müssen den Kreis der Sieganwärter in den kommenden Tagen wegen Überfüllung schließen.
  • Nun steht in den Alpen die Vorentscheidung an.

Von Johannes Knuth, Rodez/Puy-en-Valey

Der Führende kam ohne seine Insignien. Christopher Froome erschien am Samstag im blütenweißen Trikot seines Teams Sky zur abendlichen Fragerunde, nicht im gelben Leibchen, wie es die Kleiderordnung dem Klassenbesten der Tour de France vorschreibt. Wenn der Weltverband das mal nicht noch sanktioniert. Andererseits wird Froome den damit einhergehenden Obolus, für gewöhnlich 200 Schweizer Franken, gerade noch aufwenden können, bei zuletzt drei Millionen Pfund Jahressalär. Vielleich war der Brite auch bloß noch immer überrascht, dass ihm das Gelbe Trikot nach dieser 14. Etappe von Blagnac nach Rodez schon wieder zugefallen war, nach allem, was sich zuletzt ereignet hatte.

Froome hatte am vergangenen Donnerstag am giftigen Schlussanstieg hinauf zur Skistation Peyragudes den Kontakt zu seinen ärgsten Verfolgern verloren, das Gelbe Trikot wanderte in den Besitz des Italieners Fabio Aru. Schlimmer noch: Der Nimbus der Unantastbarkeit drohte zu verdampfen, der Froome in den ersten beiden Wochen, ach was, während seiner bisherigen drei Gesamtsiege umweht hatte (2013, 2015, 2016). Und dann? "Ich denke, ich bin wieder ganz gut auf die Beine gekommen", fand Froome.

Was heißt Distanz?

Am Freitag, bei der nur 100 Kilometer langen, mit drei knackigen Bergen gespickten Hatz durch die Pyrenäen, streuten Froome und sein Helfer Mikel Landa immer wieder Attacken ein. Aru parierte, er war mit den Aufräumarbeiten aber weitgehend alleine gelassen. Dario Cataldo und Jakob Fuglsang, der erste Offizier seiner Helferflotte, hatten verletzungsbedingt aufgesteckt. Am Samstag zahlte Aru den Tribut. Als Froome auf der zehn Prozent steilen, 570 Meter langen Rampe zum Ziel hinter Tagessieger Michael Matthews eintraf, verlor Aru den Kontakt. Froome fiel nicht nur das Gelbe Trikot wieder zu, das er am Sonntag trotz eines Defektes verteidigte. Er legte auch etwas Distanz zwischen sich und seine Verfolger, 18 Sekunden zu Aru, 23 zu Romain Bardet. Wobei, was heißt Distanz?

Viel fehlt nicht mehr, und sie müssen den Kreis der Sieganwärter in den nächsten Tagen wegen Überfüllung schließen. Sieben Fahrer lagen nach der 15. Etappe am Sonntag innerhalb von zwei Minuten. Was Froome wenig überrascht. "Ich habe schon vor dem Start gesagt, dass dies die größte Herausforderung meiner Karriere ist", erinnerte er: "Die Route ist so gestrickt, dass es extrem eng bleibt." Die Tour besucht in diesem Jahr alle fünf Bergregionen im Land, sie passieren weniger, dafür kürzere und steilere Rampen. Die eignen sich gut für Attacken, sind aber zu kurz, als dass Ausreißer große Lücken in die Wertung reißen könnten. Dazu passt, dass diesmal nur drei Etappen auf einem Bergplateau enden und die Organisatoren wenige Zeitfahren im Programm haben: 14 Kilometer in Düsseldorf, 23 in Marseille am kommenden Samstag. Sehr zur Freude von Aru, Bardet und dem Kolumbianer Rigoberto Urán, Froomes ärgsten Verfolgern.

Wollten die Organisatoren die Dominanz des Briten brechen? Tour-Chef Christian Prudhomme sagt: "Wir wollten einen Kurs entwerfen, der abwechslungsreich ist und ein offenes Rennen verspricht." Oder in den Worten von Frankreichs Hoffnung Bardet: "Es ist offensichtlich, dass die Organisatoren ein verrücktes Rennen wollen." Nicht immer ist klar, ob dies im Sinne der Sicherheit ist, bei den kurvigen, halsbrecherischen Abfahrten etwa, aber das ist eine andere Geschichte.

Froomes Edelhelfer sprintete weg

Die Fahrer werden in diesen Tagen jedenfalls aus ihrer Komfortzone gerissen, und man kann nicht sagen, dass dieses ungewöhnliche Skript der Spannung abträglich ist. Froome und Sky, die in den vergangenen Jahren meist das Tempo kontrollierten und so Attacken (und Abwechslung) erstickten, wühlten das Feld zuletzt mit Angriffen auf - die Aru im wilden Finale von Rodez zusetzen. Sky hatte Froome in der kurvigen Anfahrt kurz hinter die Führenden gezogen, der Brite war also noch gut bei Kräften, als das Tempo verschärft wurde. Aru, seiner stärksten Helfer beraubt, strampelte sich im hinteren Teil des Feldes ab. "Mein Team hat heute den Unterschied gemacht", sagte Froome. Vermutlich nicht zum letzten Mal.

Am Montag gönnt sich die Tour einen Ruhetag, am Mittwoch und Donnerstag steht in den Alpen die Vorentscheidung an - verbunden mit vielen Fragen: Können Aru, Bardet und Urán dem alten und neuen Mann in Gelb noch einmal beikommen? Rettet sich Froome ins Zeitfahren, wo er der Stärkste ist? Und was ist mit seinem Edelhelfer Mikel Landa, der etwas mehr als eine Minute hinter Froome lauerte? Der Spanier war dem Briten auf den letzten Metern in Peyragudes davongesprintet, anstatt den Kapitän ins Ziel zu geleiten. Später kam es am Teambus zu angeregten Gesprächen mit dem Sportdirektor. Der Vertrag des Spaniers läuft aus, angeblich ist Movistar an ihm interessiert, die Equipe des Kolumbianers Nairo Quintana.

Ob er überhaupt noch loyal zu seinem Kapitän stehe, wurde Landa am Wochenende immer wieder gefragt. Klar, beteuerte er; am Sonntag ließ er sich brav zurückfallen, um Froome nach dessen Defekt wieder ans Feld zu führen. Der Brite werde in diesem Jahr die Tour gewinnen, kein Zweifel, sagte Landa: "Und wenn doch nicht, dann gewinne ich."

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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