Tour de France 2013:Alles sauber. Oder?

Lesezeit: 2 min

Sieger in Gelb: Christopher Froome. (Foto: AFP)

Bei der 100. Tour de France ist bislang kein Fahrer wegen Dopings erwischt worden - ein gutes Zeichen? Dummerweise gewinnt der Brite Christopher Froome so überlegen, dass er an den gefallenen Regenten Lance Armstrong erinnert.

Von Andreas Burkert

Ein faszinierendes Chaos empfing die Fahrer auch am Samstag hoch oben über dem schönen Lac d'Annecy, in der kleinen Skistation Semnoz. Kuschelig wie Fußballer haben sie es leider nicht, wenn die Arbeit erledigt ist; statt einer Kabine wartet auf sie nach dem Rennen ein irrsinniges Geschubse und Gedränge. Auch der frustrierte Etappensiebte Alberto Contador - nassgeschwitzt, schnappatmend, die Halsschlagadern prall wie Würstl - kam nach der letzten Bergetappe der Tour de France nicht am Knäuel aus Kameras, Begleitwagen, Betreuern und schreienden Polizisten vorbei.

Von einem " jour sans" hörte man den Spanier dann auf Französisch keuchen, einem "Tag ohne" also: einen, an dem nichts geht. Ein früherer Doper wie er ohne Saft, am entscheidenden Abschlusstag, sein Absturz von Gesamtrang zwei auf vier - ist das nicht ein weiterer Beleg, dass die 100. Tour sauberer gewesen sein muss als viele Vorgänger?

Das kann gut sein, gerade Contadors Leistungen dienen jedenfalls Optimisten als Indiz. Als er das letzte Mal durch Annecy fuhr, beim Einzelzeitfahren der Tour 2009, düpierte der Madrilene ja sogar Spezialisten wie den Olympiasieger Fabian Cancellara aus der Schweiz - und Lance Armstrong. Contador gewann die Tour, ebenso 2010. Dieser Sieg wurde ihm jedoch aberkannt: Doping. Nach seiner Sperre fährt nun irgendwie ein anderer Contador durchs Gebirge. Seit seiner Rückkehr gewann der heute 30-Jährige übrigens nie wieder ein Einzelzeitfahren.

Letzte Etappe der Tour de France
:Kittel siegt auf den Champs Elysées

Marcel Kittel krönt seinen erfolgreichen Auftritt bei der Tour de France und gewinnt den Schlussabschnitt nach Paris. Es ist sein vierter Tageserfolg bei der diesjährigen Rundfahrt.

Es gab während der dreiwöchigen Tour 2013 einige Beispiele derartiger Leistungen von einstigen Überfliegern zu beobachten: menschlich anmutende Leistungen. Dummerweise fuhr der diesmalige Gewinner, der Brite Christopher Froome, so dominant, dass er den fachkundigen Teil des Publikums an den gefallenen Regenten Armstrong erinnerte. In den Anstiegen der Pyrenäen und am Mont Ventoux schwang er sich sogar flink wie die Asse in der verseuchten Armstrong-Epoche hinauf, merkten Sportwissenschaftler an. Froome, 28, ist während der Tour zwei Dutzend Mal kontrolliert worden, in der Saison jetzt schon mehr als 30 Mal. Aber auch das heißt nichts, wie Armstrong selbst eingeräumt hat: Das Testsystem, die Kontrolleure - sie konnten ihm und vielen anderen nichts anhaben.

Der Wettbewerb zwischen Sportlern und Dopingjägern wird unfair bleiben, nicht nur im Radsport. Ständig sind neue Dopingsubstanzen im Umlauf, darunter häufig noch gar nicht zugelassene Medikamente für Sterbenskranke. Die Aussicht auf Geld und Ruhm bleibt überall im Sport Anreiz zum Betrug - die Tour fördert ihn mit ihren enormen Anforderungen womöglich zusätzlich. Dieses Jahr waren zweimal die 21 legendären Serpentinen nach Alpe d'Huez zu erklimmen. Es hat zwar schon mal schwerere Etappen gegeben. Doch muss das sein in einer Zeit, in der sich der Radsport verändern will?

Die Tour hat ungesunde Rekorde gar nicht nötig, sie ist Spektakel und großartig genug. Sie wird die nächsten 100 Jahre überstehen, auch wenn ihre Siegerlisten weiter ausdünnen, vor allem dank der Arbeit der Justiz. Auch die 100. Tour war wieder ein Fest, obwohl Froome sie mit rund fünf Minuten Vorsprung gewann: dem größten seit Armstrongs vermeintlich letztem Toursieg 2005.

© SZ vom 22.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: