Tour Championship:Golfer des Jahres

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Hat schwer zu tragen: Jordan Spieth mit den Trophäen für den FedEx-Cup und die Tour Championship. (Foto: Sam Greenwood/AFP)

Jordan Spieth krönt beim PGA-Finale seine spektakuläre Saison und sahnt auch finanziell ab.

Von Gerald Kleffmann, Atlanta/München

Als Jordan Spieth ein Knirps war, hatte er einen Traum: Er wollte einen eigenen elektronischen Roller haben. "Sie kosteten rund 100 Dollar", erzählte er am Sonntagabend, "ich habe fleißig gespart, 20 Dollar hier, 40 Dollar dort." Es klang, als würde ein rüstiger Mann Bilanz ziehen. Dabei ist Jordan Spieth erst 22 Jahre alt, womit schon klar wird: Er erlebt manches im Zeitraffer. Etwa den Aufstieg zum amtlich besten Golfspieler im Jahre 2015. Spieth setzte sich am Ende souverän beim Finalturnier der US PGA Tour durch, der Tour Championship im East Lake Golf Club bei Atlanta. Zwei Runden lang beherrschte der Schwede Henrik Stenson bei der letzten der vier Veranstaltungen einer Playoff-Turnierserie das Feld, dann leistete sich Spieth die wenigsten Fehler und siegte mit vier Schlägen Vorsprung. "Heute könnte ich mir einige Elektroroller leisten", merkte er süffisant an. Zum Unterstellen bräuchte er indes Garagen groß wie Werften. 12,03 Millionen Dollar verdiente er an Preisgeld in dieser Saison - Rekord. Nebenbei räumte er den Jackpot im FedEx-Cup ab - zehn Millionen Dollar.

Vor dem Turnier der besten 30 verbliebenen Profis war eifrig diskutiert worden, welcher Spieler 2015 den größten Stempel aufgedrückt hatte. Jason Day hatte sich ins Rampenlicht gesiegt mit seinem ersten Major-Erfolg. Der One-Man-Show bei der PGA Championship (Spieth wurde Zweiter) hatte der 27 Jahre alte Australier, der auch zur Nummer eins der Welt aufstieg, noch eine Demonstration seines Könnens hinzugefügt, als er beim vorletzten Playoff-Millionen-Dollar-Event in Illinois den zweitbesten Konkurrenten um sechs Schläge distanzierte. Doch seit Sonntag ist alles geklärt: "Spieth räumt alles ab" ( New York Times), "Spieth verändert den Golfsport" ( golf.com) - aus Debatten und Spekulationen sind Hymnen geworden, die auch von diversen Fakten gestützt werden.

Spieth ist der jüngste Fünffach-Sieger einer Saison seit 1929 (Horton Smith). Niemand spielte im Schnitt niedrigere Runden (68,91 Schläge). Spieth ist wieder die Nummer eins der Welt. Bezeichnend für seine Qualität ist, dass von 2015 etwas in Erinnerung bleiben wird, das er gar nicht gewonnen hat: den Grand Slam, den Gewinn aller vier Majors in einem Jahr (was nur Bobby Jones zu Amateur-Zeiten 1930 geschafft hat). Er war lange wie kein Zweiter vor ihm auf dem Weg zu diesem schwierigsten aller Erfolge. Nach den Siegen beim Masters und der US Open flirtete er, seit 2012 Profi, mit der Claret Jug bei der Open Championship in St. Andrews - und verpasste das Stechen um einen Schlag. Als er gefragt wurde, welche Ziele er sich setze, um dieser Saison eine ähnliche folgen zu lassen, sagte er: "Es gibt einiges, wo ich besser werden kann." Diese Bodenhaftung darf man ihm abnehmen. Spieth ließ sich noch nie von der Welt verrückt machen, auch das erklärt seine Erfolge. Er ordnet die Welt für sich selbst ein.

Schwester Ellie ist Autistin - und seine enge Bezugsperson

Der kernige PGA-Commissioner Tim Finchem hatte jüngst die Saison mit Bestnoten bewertet, "A-plus, fünf Sterne", lautete sein Urteil. Selbst wenn man es distanzierter sieht als der 68 Jahre alte Marketingexperte, bleiben viereinhalb Sterne übrig. Es gab in diesem Jahr keinen Ryder Cup, keinen Wettstreit zwischen Europa und den USA. Tiger Woods ist ein Schatten - trotzdem war die Saison eine der spannendsten seit langem, was an einer athletischen, spielerisch selbstbewussten, neuen Generation liegt, die gekommen ist, um zu bleiben. Spieth aus Dallas ist ihr Gesicht.

Der Texaner hat einen technisch ästhetischen Schwung, der weniger von der Kraft lebt, sondern mehr vom Fluss der Rotation und Bewegung. Spieth lebt auf dem Platz, er spricht oft laut mit sich, was ihn nahbar wirken lässt, wie einen Kumpel von nebenan. Und er hat das Herz offenbar am rechten Fleck. "Das Geld bedeutet mir so viel", sagte er nach dem Gewinn des Jackpots: "Denn es gibt mir die Chance, mich noch besser um die Menschen zu kümmern, die mich so weit gebracht haben." Was wie eine Phrase klingt, hat einen tiefen Hintergrund. Schwester Ellie ist Autistin und bis heute eine enge Bezugsperson für Spieth. "Sie inspiriert mich", meinte er. Seine Stiftung zugunsten beeinträchtigter Kinder wird auch von seinen Siegen profitieren.

Als Superman darf man sich Spieth nicht vorstellen. Aber doch als sympathischen Überflieger, dem ganz langsam die Haare ausgehen. In den ersten zwei Playoffs verpasste er die Cuts. Er qualifizierte sich nur fürs jeweils nächste Playoff-Turnier, weil er so hoch im FedEx-Ranking stand. "Ich habe nun die Gewissheit, dass wir auch nach Rückschlägen wieder zurückkommen können", sagte er noch, er bezog seine Mitarbeiter ein. Spieth vereint so viele Charakteristika in sich, dass ihn Schlitzohr Finchem nicht besser hätte schnitzen könnte.

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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