Torschütze Leroy Sané:Tanzen statt antworten

Hamburger SV - FC Schalke 04

Der dritte Treffer innerhalb einer Woche: Leroy Sanés Tore tragen entscheidend zur Erfolgsserie der Schalker bei.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

Nach Draxlers Weggang hat Schalke wieder junge Spieler, die die Fans begeistern. Einer ist Torschütze Leroy Sané, den die Schalke-Führung nun lieber etwas abschirmt.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Der Papa war schon ein reifer Profi, als er in drei Spielen hintereinander in ein deutsches Bundesligator traf. Im Frühling 1994, im Alter von 33 Jahren, schoss der Senegalese Souleymane Sané für einen Klub namens Wattenscheid 09 gegen den 1. FC Köln, Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt drei seiner insgesamt 51 Erstligatore. Sein Klub stieg aber trotzdem ab und ist heutzutage in der Regionalliga West aktiv. Sané beendete seine Karriere mit knapp 40 bei der örtlichen DJK und war zwischenzeitlich Europa-Trainer einer Auswahl von Sansibar.

Der Sohn nahm am Samstagabend im Hamburger Volksparkstadion nach 60 Minuten einen grandiosen Pass des Schalker Mittelfeldspielers Leon Goretzka entgegen. Leroy Sané, als Kind seines damals bei Lausanne Sports angestellten Vaters im Januar 1996 in Essen geboren, schickte mit flotten Schritten und Körpertäuschungen den HSV-Verteidiger Emir Spahic und Torwart Jaroslav Drobny (beide 35) ins Leere. Dann vollendete der Wuschelkopf mit wunderbarer Leichtigkeit zum 0:1, auf dem königsblauen Trikot die weiße Nummer 19. Es war sein dritter Treffer binnen einer Woche, zuvor hatte er bereits gegen Stuttgart und in Frankfurt zur Siegesserie von Schalke 04 beigetragen.

Der Geniestreich genügte, um auch dieses fünfte Match hintereinander zu gewinnen und seine Mannschaft fürs Erste auf Platz drei hinter dem FC Bayern und Borussia Dortmund zu verankern. Normalerweise würde so ein Schütze anschließend von Reportern vernommen, doch Sané tänzelte nachher im Bauch der Arena mit entblößtem Oberkörper an den Berichterstattern vorbei und ließ sich bloß noch einmal von den Mitstreitern abklatschen. "Im Moment ist er unverzichtbar, das macht er Weltklasse", sprach ersatzweise der Mittelfeldspieler Johannes Geis. Wie gut Sané, der Zweite ist, das hatte im März ja sogar das Opernpublikum von Real Madrid im Estadio Santiago Bernabéu erlebt, als dieser abenteuerlich talentierte Jungspund in der Champions League gegen Iker Casillas das 3:3 in den linken Torwinkel setzte.

Damals hieß sein Trainer noch Roberto Di Matteo, inzwischen passt André Breitenreiter auf Schalkes Nachwuchs auf. "Leroy hat das eiskalt gemacht", lobte auch Breitenreiter, aber Helden-Interviews sollte der feurig-kühle Sané Junior keine geben. Zu viel PR halten die Pädagogen von S04 vernünftigerweise für unpassend. Dass "viele Klubs" an seinem Buben interessiert seien, das hatte Sané Senior bereits nach dessen ersten Großtaten der Bild-Zeitung eröffnet und versichert, dass Schalke trotzdem "der richtige Verein" sei, "auch über den Sommer hinaus". Im Frühherbst jetzt ließ Breitenreiter den umschwärmten Sané in Hamburg erst sitzen, wechselte ihn aber früh ein und spät aus. "Wir versuchen, die Euphorie um ihn herum einzudämmen und auch ihn zu bremsen", sagt Manager Horst Heldt, der bis vor kurzem noch grundsätzlichere Sorgen hatte.

Tatsächlich sind die traditionell rätselhaften Schalker derzeit vor allem damit beschäftigt, ihre herrlich gute Laune zu pflegen. Zur Erinnerung: Zum Kader gehört auch noch Kevin-Prince Boateng, der verwöhnte Großverdiener spielt indes längst nicht mehr mit, trainiert alleine und soll bald die Gehaltsliste entlasten. Dann verschwand zu Saisonbeginn Julian Draxler zum VfL Wolfsburg. Doch siehe da, unter Breitenreiter gelang dennoch - oder erst recht? - der beste Schalker Saisonstart seit Menschengedenken. Die Stimmung ist so stabil, dass nicht mal Stürmer Klaas-Jan Huntelaar beleidigt war, obwohl er in Hamburg Franco di Santo den Vortritt lassen musste und anders als Pierre-Emile Hojbjerg und der genesene Weltmeister Benedikt Höwedes nicht mal in der Endphase aufs Feld durfte. Nach dem Abpfiff standen die Seriensieger minutenlang im Kreis zusammen. "Erst kommt das Team", sagt Breitenreiter, "dann das eigene Ego."

Drei junge Hochbegabte - da fehlt Julian Draxler gar nicht so sehr

Das funktioniert bisher ausgezeichnet, ein Kollektiv mit jugendlichen Hochbegabten wie Max Meyer, 20, Leon Goretzka, 19, und Leroy Sané, 19. Da fehlt der junge Draxler gar nicht so sehr. Solche Harmonie und solche Qualität waren auch für die Gastgeber zu viel, dabei hat es Bruno Labbadia geschafft, den HSV aus der Abstiegszone in solides Mittelmaß zu überführen, ein historisches Verdienst. Das entscheidende Gegentor fiel dummerweise, als seine Elf gerade eine Sturm- und Drangphase hatte, unterbrochen von einer Verletzung des Schiedsrichters. "Wir waren am Drücker", klagte Spielmacher Aaron Hunt. Andererseits hätte Leroy Sané schon nach 22 Minuten im Alleingang treffen können, wäre ihm der Ball nicht versprungen. "Individuelle Klasse" habe die Partie entschieden, fand Labbadia. Sané? "Die Schalker haben da ein echtes Juwel." Breitenreiter weiß das. "Sané ist ein Riesentalent. Er bekommt seine Zeit, um sich in Ruhe zu entwickeln." Ruhe auf Schalke, das wäre nun wirklich neu.

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