Torlinientechnik im Fußball:Hawkeye würde helfen

Tennis, American Football und mittlerweile auch die Premier League: Technische Hilfsmittel im Sport haben sich bewährt und helfen, Fehlentscheidungen zu vermeiden. Die Deutsche Fußball Liga schiebt das Problem jedoch beharrlich auf - trotz dreier strittiger Szenen allein in dieser Saison.

Von Johannes Aumüller

Mal angenommen, das Ganze wäre in einem Ligaspiel des FC Arsenal passiert. Mesut Özil hätte einen Eckball getreten, Per Mertesacker hätte geköpfelt, der Ball wäre vorbeigegangen und durch ein Loch im Außennetz ins Tor hinein. Und dann? Dann wäre wahrscheinlich weiter nichts Außergewöhnliches geschehen, sondern hätte es schlicht und einfach Abstoß für den Gegner gegeben und hätte sich Per Mertesacker über die vertane Chance ärgern müssen.

Seit Saisonbeginn vertraut die Premier League bei unklaren Torlinienszenen auf ein technisches Hilfssystem namens Hawkeye, das aus anderen Sportarten wie Tennis oder dem American Football bestens bekannt und bewährt ist. Das Prinzip funktioniert so: An jedem Tor ermitteln sieben Kameras die exakte Position des Balles und prüfen, ob er zwischen den Pfosten vollständig die Linie überschritten hat. Falls ja, vibriert die Uhr des Schiedsrichters und kann dieser guten Gewissens auf Tor entscheiden; vibriert die Uhr nicht, geht es ganz normal weiter.

Lediglich zwei Millionen Pfund hat es gekostet, alle 20 Premier-League-Stadien mit diesem System auszustatten - ein sehr übersichtlicher Betrag im Vergleich zu den Summen, um die es ansonsten in der Fußball-Welt geht. Und nachdem das System nun ein paar Spieltage läuft, gibt es auf der Insel auch gar keine großen Debatten mehr zu diesem Thema.

Im Prinzip könnte sich jede Liga und jeder Verband für seine Wettbewerbe dieses System zulegen. Genauso wie das Konkurrenz-Modell GoalControl. Der Fußball-Weltverband (Fifa) hat beide Torlinientechnologien grundsätzlich gestattet - als eine Art Minimalzugeständnis. Denn den Forderungen nach einem vollumfänglichen Videobeweis, der bei allen strittigen Entscheidungen zurate gezogen werden kann, wollte er nicht nachgeben. Aber immerhin lässt sich so schon einmal die Frage "Tor oder nicht Tor" zuverlässig lösen.

Doch nur wenige Föderationen haben eine der beiden Techniken bisher eingesetzt, neben der Premier League noch die niederländische Ehrendivision sowie die Fifa selbst zuletzt beim Confed Cup. In Deutschland hingegen sind die Verantwortlichen diesbezüglich zurückhaltender - obwohl sich in dieser Saison bereits drei Szenen ereigneten, in denen der Schiedsrichter die Torlinientechnologie dringend hätte gebrauchen können.

Die erste gab es im August beim Spiel zwischen Hoffenheim und Nürnberg, als der Schiedsrichter nicht sah, dass ein Schuss der Gäste erst 30 Zentimeter hinter der Linie geklärt wurde. Dann folgte ein uneindeutiger Moment bei der Partie zwischen Hannover und Mainz. Und nun das Phantomtor von Stefan Kießling.

Die Uefa-Alternative heißt Torrichter

Doch die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat das Thema bisher stets aufgeschoben; und es sieht nicht so aus, als solle der Fall Hoffenheim diesbezüglich eine rasche Meinungsänderung herbeiführen. Bisher lautete die übliche Sprachregelung stets, die Liga wolle erst einmal schauen, welche positiven und negativen Erfahrungen es mit diesen Systemen gebe; bisher sei sie von keinem Modell überzeugt. Nun betonte DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig noch einmal: "Das K.-o.-Kriterium sind die drei Zentimeter Toleranz, die wir nicht akzeptieren können."

In der Tat räumt die Fifa gemäß Statuten grundsätzlich eine Fehlertoleranz von zwei bis drei Zentimetern ein; das in der Premier League benutzte System Hawkeye beispielsweise kommt allerdings mit 0,5 Zentimetern aus. Sollte trotz der bisher skeptischen Haltung in den nächsten Monaten ein Umdenken einsetzen, könnte die Torlinientechnik in der Bundesliga wohl erst ab der Spielzeit 2015/16 zum Einsatz kommen.

Der Hintergrund: Neben den sogenannten kamerabasierten Hilfsmitteln wie Hawkeye oder GoalControl sind grundsätzlich auch sogenannte ballorientierte Techniken wie der "Chip im Ball" denkbar. Für solche ballorientierte Techniken müsste allerdings das Spielgerät verändert werden, und das geht erst nach einer Änderung der Ausschreibung für den offiziellen Spielball.

Und dann gibt es ja noch die Alternative der Europäischen Fußball-Union (Uefa). Diese lehnt in ihren Wettbewerben die Torlinientechnologie bekanntlich ebenfalls ab und setzt stattdessen auf jeweils einen zusätzlichen Assistenten an der Torauslinie, sogenannte Torrichter. Mal angenommen also, das Ganze wäre in einer Partie der Champions League geschehen. Toni Kroos hätte den Eckball getreten, Mario Mandzukic hätte vorbeigeköpfelt und so weiter . . . und dann? Dann liegt die Vermutung nahe, dass die Torrichter die Situation problemlos hätten auflösen können, weil sie doch in der Nähe stehen.

Doch dem ist nicht zwingend so. Denn auf jeder Torlinie gibt es nur einen Torrichter, und gemäß des Regelwerkes befindet sich dieser Torrichter immer an dem vom Schlussmann aus gesehen linken Pfosten. Der Kopfball von Stefan Kießling aber war auf der anderen Seite ins Netz gerollt.

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