Torhüter des FC Bayern:Bayerns Back-up-Problem mit Sven Ulreich

Bayern München - FC Augsburg

Zum Ende der vergangenen Saison und zu Beginn dieser Spielzeit bereits mehrere Wochen lang Vertreter des Stammtorwarts: Sven Ulreich.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Bayerns Torwart Manuel Neuer will immer spielen - für den Ersatztorwart heißt das, dass er vor allem auf der Bank sitzt.
  • Sven Ulreich hatte deshalb schon beschlossen, den FC Bayern im Sommer zu verlassen - doch nach Neuers Verletzung könnte er umdenken.
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Von Christof Kneer

Walter Junghans sitzt in München immer noch oft im Stadion. Man sieht ihn bei Heimspielen manchmal durch die Zuschauerreihen laufen, manchmal wird er noch angesprochen. Sagen Sie mal, waren Sie nicht der ...? Ja, Walter Junghans war der, der mal Sepp Maier im Tor ablösen sollte. Das war kein so schlechter Plan damals, Junghans war jung, Maier wurde älter, nur litt die Ausführung des Plans ein wenig darunter, dass Sepp Maier nicht der Meinung war, dass man ihn überhaupt jemals ablösen müsste. "Hinter mir wird der Junghans zum Althans", witzelte der Maiersepp damals, 1977.

Und damit gleich zu Sven Ulreich.

Sepp Maier hat damals einen Tonfall geprägt, der sich über Jahrzehnte halten sollte. Nach Maier folgten erst ein paar kürzere Konkurrenzkämpfe, Junghans gegen Manni Müller, Raimond Aumann gegen Jean-Marie Pfaff, aber spätestens seit der Ankunft des großen Oliver Kahn sind eine Menge Jungsiegfriede in München zu Althänsen geschrumpft. Gospodarek, Scheuer, Wessels, Dreher, auch Rensing: Okay, sie waren alle gut, aber was in Drei-Ollis-Namen hätte es für einen Grund gegeben, sie spielen zu lassen? Und ganz ehrlich: Von welchem Trainer, dem sein Leben lieb ist, hätte man verlangen können, dass er zu Olli Kahn hingeht und ihn fragt, ob er sich vielleicht womöglich unter Umständen vorstellen könne, mal drei, zwei, okay: auch nur ein Spiel herzuschenken?

Das Lewandowski-Problem am anderen Ende des Spielfelds

Manuel Neuer ist kein Halsbeißer und Kragenschüttler, aber in einem gleicht er Kahn wie ein Zwillingsbruder: Auch Neuer will immer, immer spielen. Kein Spiel ist ihm zu klein, als dass er es nicht doch haben möchte. Für die Bayern ist das bei allem Luxus ein kleines Problem: Denn welchen Torwart von Format soll man überreden, nach München zu kommen, wenn man da zwar anstößig viel Geld verdienen, aber unanständig wenig spielen kann?

Es ist das Lewandowski-Problem, nur am anderen Ende des Spielfelds. Nach dem Viertelfinal-Hinspiel gegen Real Madrid ist ja aufgeregt diskutiert worden, ob der FC Bayern sich das leisten kann: ohne sogenannten Lewandowski-Back-up in die Saison zu gehen. Die Bayern haben dann sinngemäß geantwortet: Gute Frage, aber uns bleibt ja nix anderes übrig. Welcher Topstürmer, der gut genug wäre, Lewandowski in einem Champions-League-Viertelfinale zu ersetzen, ist gleichzeitig anspruchslos genug, um sich für den Rest der Saison auf die Bank zu setzen?

Und damit endgültig zu Sven Ulreich.

Ulreich, 28, wird am Wochenende gegen Mainz 05 im Tor stehen, er wird an den nächsten Wochenenden ebenfalls im Tor stehen, auch im Pokal-Halbfinale am Mittwoch gegen Dortmund. Neuer ist passiert, was ihm ebenso selten passiert wie Lewandowski: Er ist verletzt, Bruch des linken Mittelfußes, Saisonende.

Die Bayern hoffen bei Ulreich auf einen "Prozess des Umdenkens"

Für Ulreich bedeutet das, dass er sich nun wieder daran erinnern muss, wie das so ist: Torwart zu sein. Im Training ist er das täglich, er trainiert mit Neuer auf höchstem Niveau, aber der moderne Fußball hat das Spiel auch für Torhüter so verändert, dass Spielpraxis auch auf dieser Position viel wichtiger geworden ist als früher. Wenn Kahn mal pausierte, war er im nächsten Spiel trotzdem wieder voll ausgerüstet: Er hatte seine Reflexe am Mann, seine Athletik und seinen bösen Blick. Der moderne Fußball hingegen verlangt einen mitspielenden Torwart, der Räume abschätzen und Risiken abwägen muss, und jedes Wettbewerbsmatch, das man nicht bestreitet, schadet der Selbstverständlichkeit dieses Orientierungsgefühls.

Im Sommer sind es nun zwei Jahre, die Ulreich beim FC Bayern verbringt, und er hat in dieser Zeit dieselbe Erfahrung gemacht wie vor ihm der Spanier Pepe Reina. Man spielt nicht nur wenig hinter Neuer, man spielt so wenig, dass es fast gar nichts ist - jedenfalls für einen wie Reina, der heute, als 34-Jähriger, noch Stammkeeper beim SSC Neapel ist. Oder eben auch für einen etablierten Bundesliga-Vertreter wie Ulreich, der sich bei seinem Heimatverein, dem VfB Stuttgart, vorübergehend sogar in der Nähe der Nationalelf pariert hatte, bevor der Abwärtstrend des Vereins auch ihn ein wenig Souveränität kostete.

Die Münchner haben Reina nach nur einem Jahr wieder gehen lassen, trotz laufenden Vertrags, sie hatten ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Auch Ulreich sei kürzlich mit dem "massiven Wunsch" vorstellig geworden, den Klub ein Jahr vor Vertragsende verlassen zu dürfen, heißt es bei Bayern; er wolle künftig mehr spielen.

Noch haben die Münchner nicht entschieden, ob sie diesem Wunsch entsprechen wollen, aber inzwischen ist ja nicht mal mehr sicher, ob es den Wunsch noch gibt. Dass Ulreich nun ein paar Spiele nacheinander ins Tor darf, könnte sein Gefühl für seine Rolle verändern. Auf einen "Prozess des Umdenkens" hoffen sie bei Bayern, nach dem Motto: Siehste, du spielst ja doch. Und kann ja auch sein, dass er sich in fünf Wochen nicht mehr wie ein Althans fühlt, sondern wie Sven Ulreich, der DFB-Pokalsieger.

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