Champions-League-Finale:Kroos triumphiert, Khedira leidet

Real Madrid's Toni Kroos in action with Juventus' Dani Alves

Toni Kroos im Champions-League-Finale.

(Foto: REUTERS)
  • Toni Kroos gewinnt mit Real Madrid bereits seinen dritten Titel in der Champions League.
  • Sami Khedira wird bei Juventus Turin zur tragischen Figur.

Von Frank Hellmann, Cardiff

Überschwängliche Jubelgesten gehören nicht zum Repertoire des Toni Kroos. Und so zählte der gebürtige Greifswalder auch nicht zu denjenigen, die beim Triumphator Real Madrid nur wegen der Titelverteidigung in der Königsklasse den Kollegen gleich enthemmt in den Schoß sprangen. Selig lächelnd nahm der 27-Jährige diesen historischen Triumph hin, selbst als die ersten Kinder seiner Kollegen auf dem Rasen des walisischen Nationalstadions herumtrollten. Bei ihm sollte es zuerst eine stille Genugtuung sein, zum dritten Mal in seiner Karriere Champions-League-Sieger, zum zweiten Mal hintereinander mit Real Madrid geworden zu sein.

Keine Frage: Der stille Stratege hat inmitten der flirrenden Atmosphäre des Millennium Stadium am Taff River mit seinem geschlossenen Dach seinen Saisonhöhepunkt erlebt. "Ich bin unfassbar glücklich, dass es funktioniert hat. Die Champions League einmal zu gewinnen, ist unglaublich. Sie zu verteidigen, ist Wahnsinn", sagte Kroos dann im ZDF-Interview und schwärmte vom Matchwinner Cristiano Ronaldo: "Cristiano hat uns seit dem Viertelfinale durch alle Runden geschossen. Du brauchst am Ende den, der die Tore macht."

Dass ihm Bundestrainer Joachim Löw den Confed Cup in Russland erspart, ist nachvollziehbar wie gerecht. Kroos hat es nach dieser Saison verdient, die Beine hochzulegen. Letztlich war Reals Nummer acht - der in der 89. Minute mit erhobenen Händen und Applaus bei seiner Auswechslung für Alvaro Morata den Platz verließ - einer der entscheidenden Taktgeber. 89 Ballkontakte, 67 Pässe gespielt, davon 92 Prozent zum Mitspieler gebracht. Dazu gewann Kroos 62 Prozent seiner Zweikämpfe. Es ist der letzte Schritt, um Geschichte zu schreiben", hatte Kroos zuvor gesagt, "wenn wir es schaffen, kann man durchaus von einer Ära sprechen."

Khedira wird zur tragischen Figur

Das totale Kontrastprogramm erlebte hingegen Sami Khedira: Als allererster gratulierte er unmittelbar nach Abpfiff dem deutschen Schiedsrichtergespann um den guten Referee Felix Brych, und die Juve-Sechs blieb auch tapfer im Mittelkreis stehen, aber im Zentrum dieses Finals war Khedira nicht wirklich. Letztlich fehlten auch ihm die Kraft, um den Real-Ansturm in der zweiten Halbzeit zu bändigen. Auch die Statistik sprach im deutschen Duell deutlich gegen ihn. Nur 42 Ballkontakte und nur 43 Prozent Zweikämpfe gewonnen - zu wenig für einen, der sich sonst als Wellenbrecher den Angriffswellen der Gegner stellt. Und so wurde der Stuttgarter sogar zur tragischen Figur, als er den Ball unglücklich und unerreichbar für Torwart-Legende Gianluigi Buffon abfälschte, mit dem Casemiro das zwischenzeitliche 2:1 per 25-Meter-Schuss erzielte (61.). Ihn traf zwar keine direkte Schuld, aber die Szene war durchaus bezeichnend.

Dass sich die beiden Nationalmannschaftskollegen nichts schenken sollten, wurde in der 53. Minuten deutlich: Kroos sah die Gelbe Karte, als er Khedira mit gestrecktem Bein am Fuß traf. Ansonsten hatte er deutlich besser in die Partie gefunden, Kroos war mit seinem gekonnten Vorstoß auch Ausgangspunkt für das 1:0, denn die wie vom Reißbrett aufgezogene Kombination, die schlussendlich Cristiano Ronaldo veredelte, ging auf seine Inspiration zurück. Bereits vor der Pause hatte der stille Stratege 49 Ballkontakte auf seinem Konto und mal wieder eine beeindruckende Ballsicherheit zu bieten.

Kurios, dass die beiden deutschen Protagonisten mit den Madrilenen einen Champions-League-Sieg hinter sich haben, bei denen sie nicht mit bis zum Ende mitwirken durften - und bei dem sie gegen denselben Akteur ausgetauscht wurde. Und jeweils hieß Atlético der zähe Widersacher. Kroos hatte im Vorjahr im San Siro von Mailand gegen den Stadtrivalen (6:4 nach Elfmeterschießen) eigentlich ein gutes Spiel gemacht, als ihn Trainer Zinedine nach 72 Minuten gegen Isco austauschte. Verlängerung und Elfmeterschießen sah der Weltmeister dann nur von der Ersatzbank, doch allzu großen Gram verbreitete der Deutsche danach nicht. Nur diese Spitze ließ er hernach fallen: "Der Trainer wollte wohl etwas Frisches bringen, um den Vorsprung über die Zeit zu bringen. Ich hatte keine Probleme. Ich denke auch, dass ich ein ordentliches Spiel gemacht habe. "

Bei Khedira war es vor drei Jahren im Estádio da Luz von Lissbabon erneut gegen Atlético (4:1 nach Verlängerung) ganz ähnlich. Nur hieß sein Trainer damals noch Carlo Ancelotti, der den Stabilisator der deutschen Nationalmannschaft nicht mehr brauchte. Der Abräumer stapfte nach nicht einmal einer Stunde vom Feld und - wie bei Kroos - kam das Eigengewächs Isco, um offensive Impulse zu setzen. Ancelottis Maßnahme machte damals Sinn, Real lief gegen Atlético einem Rückstand hinterher, den Sergio Ramos erst in letzter Sekunde egalisierte. In der Verlängerung überrollte Real den ermatteten Kontrahenten. Ein Jahr später zog der aus seiner Sicht zu wenig gewürdigte Khedira weiter nach Turin.

Beide hatten den Finaleinzug vorab noch einmal als Signal interpretiert, den richtigen Karriereplan verfolgt zu haben. Kroos betonte, dass das Scheitern der Vertragsgespräche 2014 beim FC Bayern ihm letztlich sogar geholfen habe, den richtigen Schritt zu machen. Khedira beteuerte, dass sein Weggang aus Madrid ihm mehr öffentliche Wertschätzung eingebracht habe, weil man in Italien "vielleicht Spiele mit anderen Augen bewertet". Nach diesem Endspiel aber gab es keine zwei Meinungen: Kroos war der verdiente Sieger. Und Khedira der klare Verlierer.

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