Tischtennis-WM:Der unbesiegbare Freund

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Nach seinem Sieg gegen den Protugiesen Marcos Freitas steht Timo Boll zum vierten Mal in Folge im Viertelfinale der Tischennis-WM. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty)

Bei der WM in Düsseldorf spielt Timo Boll so gut wie lange nicht mehr. Jetzt trifft er ausgerechnet auf seinen Doppelpartner - den besten Spieler der Welt.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Selbst nachdem Timo Boll am vergangenen Donnerstag das Drittrunden-Doppel mit seinem chinesischen Partner Ma Long verloren hatte, war er beseelt von dem Gedanken, bei der Weltmeisterschaft in Düsseldorf noch einmal gemeinsam mit Ma Long an die Platte zu treten. Die Auslosung hatte nämlich ergeben, dass Boll und Ma Long, sollten sie jeweils ihre ersten vier Einzel gewinnen, im Viertelfinale gegeneinander anzutreten hätten. Am Samstagabend um 20.21 Uhr erfüllte sich Bolls Wunsch. Während Ma Long an der Nachbarplatte den Taiwanesen Chih Yuan Chuang mit 4:0 besiegte, gewann Boll binnen 59 Minuten mit 4:1 gegen Marcos Freitas.

Boll zeigte sich auch im vierten Einzel nacheinander bei dieser WM in bestechender Form und dominierte mit seinen 36 Jahren den sieben Jahre jüngeren Portugiesen. 8000 Zuschauer in der Düsseldorfer Messehalle feierten den Odenwälder, der seit zehn Jahren für Borussia Düsseldorf spielt. Während Boll es an diesem Sonntag (15 Uhr) mit dem Weltranglisten-Ersten Ma Long aufnimmt, hofft Deutschlands nominell bester Spieler Dimitrij Ovtcharov auf ein Viertelfinalduell mit dem Weltranglisten-Zweiten Fan Zhendong. Ovtcharov spielt sein Achtelfinale gegen den Japaner Koki Niwa allerdings erst an diesem Sonntag um 11 Uhr. Schon acht Stunden später würde ein mögliches Viertelfinale folgen.

Genau 24 Stunden vorher war am Samstag um 11.12 Uhr der Goldtraum von Petrissa Solja zerplatzt. In jenem Augenblick, als die 23-jährige Pfälzerin immerhin als erste deutsche Frau seit 46 Jahren eine WM-Medaille gewann, blickte sie recht unglücklich drein. Der Gewinn von Bronze hatte bereits seit ihrem Viertelfinalsieg im Mixed mit dem Chinesen Fang Bo am Donnerstag festgestanden. Seither hatte Solja einen ganzen Tag Zeit gehabt, von der Goldmedaille zu träumen, doch im Halbfinale gegen ein eingespieltes japanisches Duo vermochten die beiden eine 3:1-Satzführung nicht zum Einzug ins Finale zu nutzen. 51 unerzwungene Fehler waren ein Indiz dafür, dass die beiden nicht ihren besten Tag erwischt hatten. Sie verloren noch mit 3:4 und waren frustriert, weil eine Goldmedaille beiden viel bedeutet hätte. "Enttäuscht bin ich eigentlich nicht, aber es ist schon ärgerlich, dass wir die 3:1-Satzführung noch aus der Hand gegeben haben", sagte Solja. Immerhin trösteten sich beide mit Bronze, denn ein Spiel um Platz drei ersparen die Turnierregeln den Halbfinal-Verlierern. "Mit etwas Abstand werde ich mich darüber freuen", sagte Solja, "jetzt fahre ich mit dem Wohnmobil nach Disneyland, da kann ich die Freude herausschreien."

Die übermächtigen Chinesen wirken ungewohnt anfällig

Nicht nur, weil auch der sonst so starke Fang Bo anfällig wirkte, musste man sich an diesem Wochenende um die unantastbaren Chinesen beinahe ein bisschen Sorgen machen. Der Weltmeister von 2011 und 2013 und Olympiasieger von 2012, der Weltranglisten-Vierte Zhang Jike, war am Freitag gegen den Südkoreaner Lee Sangsu in der dritten Runde kraftlos ausgeschieden. Auch Ma Long hatte zwischenzeitlich nicht gerade den üblichen unbesiegbaren Eindruck gemacht. Und Ruwen Filus, der es mit herausragenden Leistungen ins Achtelfinale geschafft hatte, bot dem möglichen Ovtcharov-Gegner Fan Zhendong am Samstagmittag ein unerwartet enges Match. Er verlor zwar erwartungsgemäß (2:4), spielte dabei aber auf ganz hohem Niveau mit. "Es hat extrem viel Spaß gemacht, gegen die Nummer zwei der Welt zu spielen", sagte Filus und hatte sich nichts vorzuwerfen: "Ich war in den ersten beiden Sätzen auf Augenhöhe und habe mein bestes Tischtennis gezeigt."

Letzteres hatte auch Boll über sich nach seinem 4:1-Drittrundensieg gegen den Südkoreaner Jang Woojin am Freitag gesagt. Und auch nach seinem Sieg gegen Freitas brauchte er nicht abzurücken von dem Eindruck, im Herbst seiner Karriere gerade seinen zweiten (oder dritten?) Frühling zu erleben. Boll, der sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit körperlichen Problemen herumgeschlagen hatte, war rechtzeitig zur Heimat-WM in absoluter Topform und kann sich nun sogar eine ganz kleine Chance ausrechnen, wenn er an diesem Sonntag auf seinen Freund Ma Long trifft. Es wäre der Ort und die Zeit, gegen den amtierenden Weltmeister und Olympiasieger endlich einmal eine Sensation zu schaffen.

© SZ vom 04.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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