Tischtennis:Timo Boll und die Wunderkinder

Tischtennis EM Mannschaft

Timo Boll: Mit 36 Jahren nicht mehr der jüngste, in Europa dennoch unangefochten.

(Foto: Vio Dudau/dpa)
  • Deutschland holt sich mit Boll (36), Ovtcharov (29) und Franziska (25) den EM-Mannschaftstitel.
  • Die internationale Konkurrenz wird immer jünger, die deutsche Jugend kann noch nicht wirklich mithalten.
  • Das heute 14-jährige japanische Wunderkind Tomokazu Harimoto will Boll bei Olympia 2020 in Tokio noch einmal herausfordern.

Von Ulrich Hartmann

Die Weltspitze im Tischtennis wird immer jünger. Der Japaner Koki Niwa ist 23 Jahre alt, der Brasilianer Hugo Calderano 21, der Chinese Fan Zhendong 20 und der Japaner Tomokazu Harimoto 14. Gegen Harimoto hat Timo Boll neulich das Endspiel der "Czech Open" in Olmütz verloren. Boll ist 36 Jahre alt. Man denkt schon länger, dass seine Zeit abläuft, aber der beste deutsche Tischtennisspieler der Historie ist ein Wunder an Effizienz. In Europa ist ein gesunder Timo Boll immer noch äußerst schwer zu besiegen - allenfalls von Dimitrij Ovtcharov, aber der spielte ja bei der Tischtennis-Europameisterschaft im selben Team.

Boll, 36, Ovtcharov, 29, und Patrick Franziska, 25, haben mit einem souveränen 3:0-Finalsieg gegen Portugal am Sonntag in Luxemburg jenen EM-Mannschaftstitel zurückgeholt, den man mit angeschlagenen Spielern 2014 an Portugal und 2015 an Österreich verloren hatte. Für Europa reicht es noch mit einem Boll in guter Form, im internationalen Vergleich sieht es anders aus. Noch. In diesem Jahr sind nämlich nicht nur zum insgesamt siebten Mal die deutschen Männer Europameister geworden, sondern zwei Monate zuvor auch schon die deutschen Junioren. Gerrit Engemann, 18, vom Zweitligaklub TTC Bad Hamm sowie Tobias Hippler, 18, und Credric Meissner, 17, vom Drittligisten TuS Celle haben im portugiesischen Guimaraes das Endspiel gegen Russland mit 3:0 gewonnen. Bereits im Februar war der deutsche Nachwuchsspieler Dang Qiu, 20, bei der U21-EM in Sotschi ins Finale eingezogen. Kilian Ort, 21, hatte es dort ins Viertelfinale geschafft.

Zehn Titel für Deutschland: Team-Europameister im Tischtennis seit 2000

Jahr: 2000 / Männer: Schweden / Frauen: Ungarn

2002 / Schweden / Rumänien

2003 / Weißrussland / Italien

2005 / Dänemark / Rumänien

2007 / Deutschland / Ungarn

2008 / Deutschland / Niederlande

2009 / Deutschland / Niederlande

2010 / Deutschland / Niederlande

2011 / Deutschland / Niederlande

2013 / Deutschland / Deutschland

2014 / Portugal / Deutschland

2015 / Österreich / Deutschland

2017 / Deutschland / Rumänien

"Wir sind ganz zufrieden, wie es zurzeit läuft", sagt der Männerbundestrainer Jörg Roßkopf. Qiu und Ort trainieren regelmäßig mit Boll und Ovtcharov im deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf und spielen für Grünwettersbach und Bad Königshofen in der Bundesliga. Beides hält Roßkopf für wichtig, damit sich die Spieler entwickeln. "Unsere Trainingshalle ist stets voller Topleute", sagt er.

Der Blick in die Zukunft löst keine Euphorie aus

Überschwang kommt im Deutschen Tischtennis-Bund aber trotzdem keiner auf, wenn sie dort an die Zeit nach Boll und Ovtcharov denken. Qiu und Ort stehen in der Weltrangliste auf den Plätzen 225 und 167. Asiatische Talente wie Harimoto und Zhendong stehen aber schon auf den Rängen 13 und zwei. Mit ihnen werden sie es nicht mehr aufnehmen können. Wie sich Hippler, Engemann und Meissner weiterentwickeln, muss sich zeigen. "Sie sind vom Niveau eines Timo Boll oder Dima Ovtcharov noch weit weg", sagt Roßkopf. Bis Olympia 2024 dürfte es einen Generationswechsel geben, bis Olympia 2020 verspürt das deutsche Männertischtennis hingegen noch Planungssicherheit. Boll ist dann 39 Jahre alt, Ovtcharov 32. Sie sind zurzeit die Nummern sechs und vier in der Welt, umgeben von lauter Chinesen und Japanern. Weil diese bei der Team-EM aber nicht mitspielen durften, bekamen es die Deutschen in Luxemburg mit Ukrainern (Viertelfinale), Slowenen (Halbfinale) und Portugiesen (Endspiel) zu tun.

Schwer taten sie sich nur mit den Slowenen. Gegen die in der Bundesliga spielenden Darko Jorgic (Bad Königshofen) und Bojan Tokic (1. FC Saarbrücken) verloren Ovtcharov und Ruwen Filus beim knappen deutschen 3:2-Halbfinalsieg die einzigen beiden Einzel, die die Deutschen bei dieser Team-EM überhaupt hergaben. Boll kam am Ende des Turniers auf eine 5:0-Bilanz, Franziska auf 4:0, Ovtcharov auf 4:1, Filus auf 3:1 und Ricardo Walther auf 2:0.

Die fehlende olympische Einzelmedaille

Am Montag sind Boll, Ovtcharov und Roßkopf direkt nach Malaysia geflogen. Dort nehmen sie an einer neuartigen Turnierserie teil: T2Apac. Man spielt nach Zeit, wer binnen 24 Minuten die meisten Sätze holt, gewinnt. "Das ist spannend und bringt neue Facetten ins Spiel", sagt Boll, "aber es ist auch hektischer und stressiger." Bis Weihnachten hat Boll ohnehin viel Stress: Bundesliga, Champions League, viele Turniere. Nächstes Jahr im Mai ist dann die Mannschafts-WM in Schweden. Dort treten die Deutschen nicht nur als Europameister an, sondern als ein Team, das wissen will, was seine kontinentale Überlegenheit im globalen Vergleich noch wert ist.

Die Chinesen werden nicht zu besiegen sein, aber mit den Japanern können es Boll und Ovtcharov aufnehmen. Vielleicht trifft Boll wieder auf Harimoto, den kleinen, gebürtigen Chinesen mit japanischem Pass. Boll und Harimoto markieren die Altersgrenzen der Weltspitze. Aber Boll ist längst nicht bereit abzudanken. Harimoto will er 2020 bei Olympia in Tokio noch einmal herausfordern. Eine olympische Einzelmedaille fehlt ihm noch. Ganz im Gegensatz zu europäischem Edelmetall. Die am Sonntag gewonnene Goldmedaille war für Boll die 17. bei EM-Turnieren im Team (6), Einzel (6) und Doppel (5).

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