Tischtennis:Pflicht erfüllt

Die deutschen Frauen holen zum dritten Mal nacheinander den EM-Titel mit dem Team. Das 3:0 gegen Rumänien geht in 104 Minuten über die Bühne, die Teamleitung hat nichts anderes als Gold erwartet.

Als das Endspiel begann, hörte man in der Messehalle in Jekaterinburg immer wieder das "Häiii" der rumänischen Tischtennisspielerin Bernadette Cynthia Szocs. Nach jedem gewonnenen Ballwechsel schrie sie das mit langer und schriller Betonung auf dem "i" in die Halle. Die Rumäninnen hatten sich viel vorgenommen. Sie wollten unbedingt Revanche für das vor zwei Jahren gegen Deutschland verlorene EM-Finale. Doch ihre Schreie wurden schnell leiser. Szocs verlor 0:3 gegen Han Ying, Elisabeta Samara verlor 0:3 gegen Shan Xiaona, und im dritten Einzel hörte man am Ende nur noch Petrissa Solja nach jedem gewonnenen Ballwechsel schreien. Solja besiegte Daniela Dodean 3:2.

Zum dritten Mal nacheinander haben die deutschen Tischtennis-Frauen den Mannschaftstitel bei der Europameisterschaft gewonnen. 104 Minuten und elf Sätze waren bloß nötig, um die Rumäninnen 3:0 zu besiegen. Die Dominanz der deutschen Frauen in Europa wird immer größer. Hatten sie 2013 in Österreich beim 3:1-Finalsieg gegen Rumänien noch neun Sätze abgegeben, so waren es 2014 in Portugal beim 3:0 gegen Österreich schon nur noch vier - und am Dienstag beim 3:0 gegen die Rumäninnen gar nur noch zwei. Beide Sätze verlor die Pfälzerin Petrissa Solja, nachdem die Deutsch-Chinesinnen Han Ying und Shan Xiaona ihre Matches jeweils unerwartet deutlich gewonnen hatten. Die Freude der deutschen Spielerinnen und ihrer Trainerin Jie Schöpp fiel somit fast ein bisschen routiniert aus. "Der Titel war nicht nur Ziel, sondern fast sogar Pflicht", gestand Schöpp, "ich bin aber trotzdem sehr stolz auf meine Mannschaft, wie sie den Druck ausgehalten und die Situation gemeistert hat." Direkt im Anschluss hatten auch die deutschen Männer die Chance, im Endspiel gegen Österreich Mannschafts-Europameister zu werden (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe).

Table Tennis European Championships Teams

Unüberwindbar: Han Ying, Shan Xiaona und Petrissa Solja (von links) gewinnen für Deutschland das EM-Finale gegen Rumänien ohne Spielverlust.

(Foto: Sergei Ilnitsky/dpa)

Seit 2013 spielen die beiden 32 Jahre alten gebürtigen Chinesinnen Han Ying und Shan Xiaona für die Auswahl des Deutschen Tischtennis-Bundes. Die Weltranglisten-Elfte Ying kam 2002 zum Bundesligisten Busenbach und erhielt 2010 einen deutschen Pass. Sie spielt mittlerweile für den polnischen Klub Tarnobrzeg. Die Weltranglisten-Vierzehnte Xiaona kam 2005 nach Busenbach und erhielt 2012 den deutschen Pass. Sie spielt für den Bundesligisten TTC Eastside Berlin. Seit beide für Deutschland antreten, gewann die Mannschaft jedes Jahr den EM-Titel. Einzige gebürtige Deutsche im Finalteam war am Dienstag die 21-jährige Petrissa Solja (Weltranglisten-36.).

Solja kam im Mannschaftswettbewerb dieser EM auf eine 6:0-Bilanz, Ying auf 6:1, Xiaona auf 3:1. Auch Irene Ivancan (1:0) und Sabine Winter (2:0) hatten in der Gruppenphase mitspielen dürfen. Bloß beim 3:1 gegen die Slowakei und beim 3:1 gegen Österreich im Viertelfinale hatten die Deutschen einen Punkt abgegeben. "Das war sehr beeindruckend", lobte Sportdirektor Richard Prause den souveränen Auftritt. "Wir sind viel selbstbewusster geworden in den vergangenen Jahren", fand Schöpp. Die gebürtige Chinesin, als Spielerin für Deutschland 1996 und 1998 zweimal Team-Europameisterin, war lange vorsichtig mit Titelforderungen, legte aber vor der EM ihre Zurückhaltung ab.

Längst haben die deutschen Frauen die Niederländerinnen abgelöst, die von 2008 bis 2011 vier Mal nacheinander den EM-Titel gewonnen hatten. Die tragische Rolle in dieser erst niederländischen, dann deutschen Phase der Dominanz spielen die Rumäninnen, die 2010 und 2011 gegen die Niederlande sowie 2013 und 2015 gegen Deutschland im Endspiel unterlagen. Da war die 0:3-Niederlage am Dienstag noch einmal ein herber Dämpfer.

Diese EM war ursprünglich einmal als Einzel-EM in Deutschland vorgesehen, doch weil sich keine Stadt als Ausrichter fand, sprang Jekaterinburg ein und richtet nun alle Wettbewerbe aus: Mannschaft, Doppel und Einzel. Diese Komprimierung, wenn auch 4000 Kilometer fern des heimatlichen Trainingszentrums in Düsseldorf, ermöglicht den deutschen Athleten bis kommenden Sonntag weitere Medaillen, denn in den am Donnerstag beginnenden Individual-Wettbewerben haben Dimitrij Ovtcharov bei den Männern sowie Ying und Xiaona bei den Frauen beste Chancen auf weiteres Edelmetall.

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