Tischtennis:Für die Vettern in Ozeanien

Auch im Tischtennis gibt es Anzeichen für Manipulation. Nun wird ein neuer Präsident gewählt, aber es geht um viel mehr - um Aufklärung oder Schattenwirtschaft.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Guinea-Bissau ist nun auch dabei, und der Rekord damit noch beeindruckender. 226 Mitglieder hat der Tischtennis-Weltverband (ITTF) durch die Aufnahme des westafrikanischen Landes, mehr als jeder andere globale Sportfachverband. Jetzt ist nur noch die Frage, wer diese Schar künftig anführt. Zu Beginn der Tischtennis-WM in Düsseldorf in der nächsten Woche wählt der Kongress einen neuen Präsidenten - und seit einiger Zeit läuft ein erbitterter Wahlkampf.

Zwei Kandidaten gibt es. Auf der einen Seite steht Amtsinhaber Thomas Weikert aus Limburg, einer von nur drei Deutschen, die einen olympischen Weltverband führen; auf der anderen der Belgier Jean-Michel Saive, ein früherer Weltklasse-Spieler, der bisher kein hohes Funktionärsamt innehat. Doch faktisch ist da noch ein Gegenspieler: Adham Sharara (Kanada), von 1999 bis 2014 selbst Präsident des Verbandes - und bis heute quer über die Kontinente ein mächtiger Strippenzieher.

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Als seine ehemalige Firma an den Verband verkauft wurde, vertrat er quasi beide Seiten: Ehrenpräsident Adham Sharara aus Kanada.

(Foto: Jacques DemarthonAFP)

Einige Jahre lang waren Weikert und Sharara eng verbunden. 2013 machte der Kanadier den Deutschen zum ersten Stellvertreter. Und als Sharara sich 2014 formal mit einem Status als Ehrenpräsident und "Chair" begnügen wollte, übernahm Weikert automatisch dessen Posten. Doch vor einem halben Jahr verschlechterte sich das Verhältnis. Er habe das Vertrauen in Weikert verloren, sagt Sharara, der als Ehrenpräsident im Wahlkampf offiziell neutral sein müsste, der SZ; die Gründe seien vertraulich. Weikert wiederum erklärt, er habe den Eindruck, "dass meine Vorstellungen von Transparenz und Good Governance bei der Führung eines Weltverbandes mit seinen Ansichten nicht harmonierten" und er sich so wohl Shararas "Missfallen und Gegnerschaft" zugezogen habe.

Vor diesem Hintergrund tobt nun der Wahlkampf. Es gibt durchaus programmatische Unterschiede: Weikert zeigt sich etwa offener gegenüber weiteren Regelreformen, um den Sport fernseh- und publikumstauglicher zu machen, Saive will nach diversen Änderungen in den vergangenen Jahren (kürzere Sätze, größere Bälle) vorerst alles so lassen, wie es ist. Aber Programmatik ist in der Sportpolitik ohnehin nur selten entscheidend. Stattdessen konzentrieren sich alle darauf, Allianzen zu schmieden. Und nun dürften neue Ungereimtheiten bei einer Firma namens TMS den Wahlkampf beeinflussen.

Thomas Weikert

Seine Ansichten von Transparenz harmonieren nicht mit denen der mächtigen Hintermänner: Weltverbands-Chef Thomas Weikert.

(Foto: Jens Wolf/dpa)

TMS ist nach Lage der Dinge eine jener intransparenten Konstruktionen im Reich der Sportpolitik, deren Hintergründe sich nie genau erhellen lassen - und über die Funktionäre politischen Einfluss nehmen können. Seit 2001 kümmerte sich die TMS um die Vermarktungsrechte für den Weltverband. Ihr Gründer: Adham Sharara selbst. Er sagt, er habe so die Entwicklung des Tischtennis voranbringen wollen. Eine überzeugende Kontrolle gab es offenkundig nicht. Über die Jahre machte die TMS nach Berechnungen von Insidern einen Profit in Höhe von zirka 20 Millionen Dollar. Schon 2013 prangerte Europas damaliger Tischtennis-Chef Stefano Bosi eine angebliche Veruntreuung von Geldern und eine Verquickung Shararas mit der TMS an. Allein: Sharara wehrte sich erfolgreich und blieb im Amt. TMS sei eine Non-Profit-Organisation, sagt er. Und außerdem sei er dort nur bis 2006 Direktor gewesen.

Doch nun zeigt sich, dass sein Einfluss in der umstrittenen Firma groß blieb. Im Jahr 2016 wollte die ITTF unter Weikerts Führung die Vermarktungsrechte wieder von der TMS zurückholen. Und an den Verhandlungen auf TMS-Seite beteiligt war: Sharara. Das ist eine eigentümliche Konstellation und wirft die Frage auf, wie Sharara dabei im Interesse der Föderation wirken kann, der er als Ehrenpräsident vorsteht. Der Kanadier sagt, Weikert habe ihn darum gebeten, den Vertragsentwurf zu verfassen; Weikert bestreitet das. "Ich kann so viel sagen, dass mich die Zusammensetzung der TMS-Verhandlungsdelegation überrascht hat. Und dass die ITTF ein paar Konzessionen machen musste, um endlich selbst den Kern ihrer eigenen Vermarkungsrechte zu erwerben." Weitere Einzelheiten zu benennen, sei ihm nicht erlaubt. Sharara wiederum bestätigt der SZ, dass für den Rückerwerb der Vermarktungsrechte 7,6 Millionen Dollar vom Weltverband an die TMS flossen. Und dass die TMS auch künftig noch Geschäfte mit Tischtennis-Föderationen machen kann.

In jedem Fall beeinflusst das Geld der TMS auch den Wahlkampf. Das zeigt ein Beispiel aus Ozeanien. Der dortige Kontinentalverband gab kürzlich bei einer Anwaltskanzlei in Singapur ein Gutachten in Auftrag. Der Inhalt: die Prüfung einer Überweisung über 30 000 Dollar von der TMS an die ozeanische Föderation im Sommer 2016 - also noch vor dem Verkauf der Firma an den Weltverband. Sharara sowie Ozeaniens Ehrenpräsident Patrick Gillmann sollen das eingetütet haben. Die beauftragten Anwälte sehen den Vorgang dem Vernehmen nach erkennbar kritisch. Ihr Resüme: Der Verband soll die 30 000 Dollar an TMS zurückzahlen, um dem Verdacht entgegenzuwirken, dass Sharara oder Gillmann zur Stimmensicherung Finanzhilfe organisiert hätten. Sharara sagt der SZ, er kenne ein solches Gutachten nicht, und erklärt: "Das war eine legitime Zahlung."

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