Tischtennis:E-Mail aus Tokio

Ohne eigenes Zutun kam der TSV Bad Königshofen zu Koji Itagaki, einem der renommiertesten Tischtennistrainer Japans. Der hat den Klub nun in die erste Bundesliga geführt.

Von Andreas Liebmann

Entschlusskraft, Handlungsschnelligkeit und ein untrüglicher Instinkt, das sind Eigenschaften, die einen guten Teammanager auszeichnen. Also dachte Andreas Albert nicht lange nach, sondern drückte auf: Löschen. Was hätte sich auch sonst hinter dieser E-Mail aus Japan verbergen können, die ihn vor knapp zwei Jahren im Südtirolurlaub erreichte und die mit irgendetwas Blumigem begann wie: "This is your great day." Was außer Spam, Datenmüll? Oder einem Scherz? Stutzig wurde Albert einige Tage später, als ihn Jian Xin Qiu anrief, ein deutscher Tischtennistrainer chinesischer Abstammung: Ob er denn keine Nachricht aus Japan erhalten habe. Inzwischen weiß Albert, dass das damals wirklich ein "great day" war für seinen TSV Bad Königshofen. Ein Glückstag.

Die Sporthalle des Gymnasiums im unterfränkischen Bad Königshofen ist gerade ziemlich leer. Nur eine Tischtennisplatte ist aufgebaut, zwei Jugendspieler üben, mit etwas Abstand stramm an einer Wand steht ein Japaner und beobachtet die Schläge. Keine Aufsehen erregende Szenerie, es sei denn, man weiß, wer dieser klein gewachsene Mann mit Brille ist, der dort steht, ohne eine Miene zu verziehen. Koji Itagaki, 46, war vor geraumer Zeit noch Englischlehrer an einer High School in Aomori, einer Großstadt im Norden Japans, gleichzeitig auch Tischtennistrainer. Als solcher hat er Jun Mizutani ausgebildet, die aktuelle Nummer sechs der Welt; Koki Niwa und Kenta Matsudaira, Nummer 13 und 19 der Rangliste; Ai Fukuhara, einst Nummer vier der Frauen; und so ziemlich alle jungen Japaner, die zurzeit in der ersten und zweiten Bundesliga ihr Geld verdienen, darunter auch Mizuki Oikawa vom Zweitliga-Meister TSV Bad Königshofen, den Itagaki auch schon in Englisch unterrichtet hatte. Stellt sich die Frage: Wieso steht so einer in der Schulturnhalle eines unterfränkischen 6000-Einwohner-Städtchens und trainiert Nachwuchsspieler?

Bad Königshofen Tischtennis Trainer Jian Xin Qiu

Sponsorentermin: Bad Königshofens Trainer Koji Itagaki (rechts) und die Tischtennisspieler Kazuhiro Yoshimura (links) und Koudai Hiraya demonstrieren ihre Begeisterung für ein örtliches Bauunternehmen.

(Foto: oh)

Alles begann mit dieser E-Mail, oder besser: Eigentlich begann es wohl damit, dass die Frau eines gewissen Akihiko Kotani, eines wohlhabenden Geschäftsführers zweier Marketingfirmen in Tokio, Marathon läuft und beschloss, auch ihr Mann solle mal wieder Sport treiben. "Er hat dann daran zurückgedacht, dass ihm Tischtennis mal viel Spaß gemacht hat", erzählt Albert. So sei eines zum anderen gekommen. Kotani habe aus seinem alten und neuen Hobby gleich noch ein Start-up entwickelt, eine App, über die Mitglieder Lehrvideos mit Tipps und Technikkorrekturen von professionellen Trainern erwerben können. Und weil er mit dieser Idee auch Europa beliefern will, wo ohnehin die meisten japanischen Profis spielen, fasste er den Plan, japanische Profitrainer anzustellen und nach Deutschland sowie in die Schweiz zu entsenden. Koji Itagaki ist einer davon.

Für den TSV Bad Königshofen war es ein doppelter Glücksfall. Denn bislang hat ihn sein Coach noch keinen müden Cent gekostet. Kotanis Firma Shakehands, für die Itagaki nun aus Unterfranken seine Lehrvideos nach Japan schickt, übernahm die Kosten. Weil sich Andreas Albert und der japanische Unternehmer Kotani auf Anhieb gut verstanden, stieg Shakehands gleich auch als Sponsor beim TSV ein. Und natürlich profitiert der Verein vor allem sportlich. Als Itagaki im Januar 2016 ankam, stand das Team um den damals verletzten Jungnationalspieler Kilian Ort nur einen Punkt vor einem Abstiegsplatz. Es verlor in der restlichen Saison kein einziges Spiel mehr und wurde Meister. Auch in der aktuellen Runde, in der die Titelverteidigung mit inzwischen zwei jungen Japanern im Team bereits feststeht, gab es nur eine einzige Niederlage. Damals, in einem allerersten Gespräch im Hotel Schlundhaus, hatte Itagaki als eines seiner Ziele den Aufstieg in die erste Liga formuliert, was die Klubverantwortlichen doch mit einiger Skepsis und Sorge vernahmen. Inzwischen steht der Aufstieg fest, die Lizenzunterlagen sind eingereicht. Und Itagaki kann künftig sicher noch mehr bewirken, denn anstelle der beiden über 40-jährigen Tschechen Marek Klasek und Richard Vyborny, für die das letzte Saisonspiel an diesem Sonntag (14 Uhr gegen Fortuna Passau) der Abschied vom heimischen Publikum sein wird, soll die künftige Mannschaft einen Altersschnitt von knapp 20 Jahren haben.

Tischtennis: SZ-Karte

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Itagaki fühlt sich wohl im unterfränkischen Grabfeld. Seine Frau und die drei Kinder kamen einige Monate nach ihm, das Haus in Japan ist verkauft; er versichert, dass er nicht etwa auf der Durchreise ist. Die Kinder sollen hier zur Schule gehen. Er genießt es, nur noch Trainer zu sein. Seine früheren Arbeitszeiten hätten kaum Zeit mit der Familie zugelassen. Das ist nun anders. Sein ältester Sohn Akito, 11, spielt schon für Bad Königshofen. Lustigerweise mit der asiatischen Penholder-Grifftechnik, dem Gegenteil des "Shakehands".

Der Unternehmer Kotani war nun schon mehrmals zu Besuch. Er ist angetan von seinem Investment. "Wir beide haben einen gemeinsamen Traum", erzählt Albert. In Kilian Ort, Mizuki Oikawa und Kazuhiro Yoshimura wollen sie im Jahr 2020 drei Bad Königshöfer zu Olympia bringen. Das stand noch nicht in der ersten E-Mail. Aus damaliger Sicht hätte es vermutlich ebenfalls stark spamverdächtig geklungen.

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