Tischtennis:Boll fühlt sich "ausgebootet"

Timo Boll Borussia Duesseldorf wartet auf den Aufschlag von Wang Xi Fulda Borussia Duesseldorf

Mitglied eines speziellen Teams: Timo Boll half Düsseldorf, 2010 und 2011 das Triple zu erringen - der 35-Jährige steht für die Glanzzeit der Borussia.

(Foto: Eibner/imago)
  • Der Weltverband hat dem Tischtennisspieler Timo Boll eine Wildcard für den Worldcup im Oktober im schwedischen Halmstad verwehrt.
  • Boll entgingen viele mögliche Weltranglistenpunkte. Das wiederum könnte seine Ausgangssituation für Olympia 2016 verschlechtern.
  • Die größte Chance nachzurücken, ist kurioserweise die Verletzungen eines Spielers aus Bolls eigenem Klub.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Timo Boll bangt um den vielleicht letzten großen Traum seiner Karriere: eine olympische Einzel-Medaille. Drei Mal schon war Deutschlands erfolgreichster Tischtennisspieler bei Olympia dabei. Er hat mit der Mannschaft 2008 in Peking Silber und 2012 in London Bronze gewonnen. Aber eine Einzel-Medaille war ihm nicht vergönnt. 2016 will er in Rio de Janeiro sein Edelmetall gewinnen. Die Teilnahme sollte kein Problem sein, wenn er gesund bleibt. Bloß seine Weltranglistenplatzierung und damit seine Position in der Setzliste des olympischen Einzelturniers, die bereiten ihm Sorge.

Im Frühjahr hatte ihn der Weltverband vorübergehend aus der Weltrangliste gestrichen, weil Boll mehr als vier Monate lang kein internationales Turnier bestritten hatte. "Fragwürdig" nannte Boll das damals, hielt sich ansonsten aber mit Kritik zurück. Jetzt, fünf Monate später, hat ihm der Weltverband eine Wildcard für den Worldcup im Oktober im schwedischen Halmstad verwehrt. Und nun ist Boll wütend.

Die fast unbezwingbaren Chinesen

Die Wildcard, auf die er sich als Siebter der Weltrangliste Hoffnungen gemacht hatte, bekommt stattdessen ein 18-jähriger schwedischer Nachwuchsspieler, der auf dem 105. Platz rangiert. Sollte Boll auch durch den kurzfristigen Ausfall eines der 20 gesetzten Spieler nicht zum Worldcup nachrücken können, dann entgingen ihm viele mögliche Weltranglistenpunkte. Das wiederum könnte seine Ausgangssituation für Olympia 2016 verschlechtern. Boll droht dann bereits vor dem Halbfinale in Rio auf einen der nahezu unbezwingbaren Chinesen zu treffen. Und dann wäre sein vermutlich letzter Karriere-Traum so gut wie dahin.

Die Sache mit dem Turnier in Schweden wird noch kurioser, wenn man einen anderen Aspekt betrachtet. Dabei geht es um Jimmy Butler. Der Amerikaner ist bereits 44 Jahre alt. Er hat zwischenzeitlich 15 Jahre gar kein Tischtennis mehr gespielt. Er war bei den Olympischen Spielen 1992 und 1996 dabei, ehe seine Karriere vor 17 Jahren wegen muskulärer Probleme beendet zu sein schien.

Doch inzwischen spielt Butler seit zwei Jahren wieder auf professionellem Niveau, ist in der Weltrangliste bis auf Platz 415 vorgestoßen und darf Mitte Oktober zum ersten Mal in seinem Leben bei einem Worldcup mitspielen - und zwar bei jenem im schwedischen Halmstad. Butler ist 20. und Letzter in der Worldcup-Setzliste, vor ihm rangiert der Australier William Henzell, davor der 18-jährige Schwede Anton Källberg, der die einzige Wildcard des Turniers bekommen hat. Damit hatte Boll nicht gerechnet.

Die Chance aus dem eigenen Club

Das Europe-Top-16-Turnier im vergangenen Februar, bei dem er sich für den Worldcup hätte qualifizieren sollen, hatte er wegen einer Hüftverletzung versäumt. Als renommierter Spieler und wegen seiner guten Weltranglisten-Platzierung war er aber davon ausgegangen, die Wildcard für den Worldcup zu bekommen. Daran, dass der Weltverband ITTF diese lieber dem Einheimischen Källberg gab, konnte offenbar auch der deutsche ITTF-Präsident Thomas Weikert nichts ändern.

Er hielt sich aus dieser Entscheidung komplett heraus. Für eine Wildcard gebe es keine detaillierten Kriterien, heißt es beim Weltverband. Der SZ erklärte die ITTF-Managerin Judit Farago aber: "Das 'ITTF Competition Program' ist bei seiner Entscheidung der bereits zuvor praktizierten Empfehlung gefolgt, wonach einer Wildcard-Anfrage eines Gastgebers Vorrang gegeben wird, um einem Wettbewerb bei der Werbung und bei der Vermarktbarkeit im gastgebenden Land zu helfen." Boll hat für diese Entscheidung kein Verständnis. "Ich spiele seit 13 Jahren unter den Top Ten der Welt, stehe derzeit auf Position sieben und fühle mich ohne jede sportliche Begründung im vorolympischen Jahr ausgebootet."

Nun muss er abwarten, ob wirklich alle 20 Starter beim Worldcup mitspielen können. Sollte auch nur einer dieser 20 ausfallen, dann wäre Boll erster Nachrücker. Die größte diesbezügliche Chance besteht kurioserweise ausgerechnet in Bolls eigenem Klub: bei Borussia Düsseldorf.

Für Düsseldorf spielt nämlich auch der für den Worldcup qualifizierte Inder Sharat Kamal Achanta, 34, der allerdings seit drei Monaten in Reha ist. Denn der Muskelriss im Oberschenkel, den er sich bei der WM im Mai zugezogen hatte, erweist sich als hartnäckig. Die Borussen rechnen für die nächsten sechs Wochen nicht mit Achantas Comeback. Dann ist es bereits Anfang Oktober, und der Worldcup in Halmstadt wird vom 16. bis 18. Oktober ausgespielt. Doch Achanta sagt: "Ich hoffe und glaube, bis zum Worldcup wieder fit zu sein und dort antreten zu können, weil es auch für mich ein sehr wichtiger Wettbewerb ist." Boll wird sich weiter gedulden müssen.

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