Timo Werner:Löws neuer Lieblingsstürmer

Czech Republic v Germany - FIFA 2018 World Cup Qualifier

Torschütze zum 1:0 gegen Tschechien: DFB-Angreifer Timo Werner.

(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)
  • Joachim Löw kritisiert nach dem 2:1-Sieg gegen Tschechien den Auftritt seiner Elf.
  • Angreifer Timo Werner, Torschütze zum 1:0, erhält als einziger Spieler Lob vom Bundestrainer.
  • Nach den Schmähgesängen gegen sich kontert er souverän.

Von Carsten Scheele, Prag

Über den Umstand, dass die deutsche Nationalelf beim 2:1 in der WM-Qualifikation in Tschechien nicht gerade ihre beste Partie aller Zeiten abgeliefert hatte, bestand rasch Einigkeit. Für einen kurzen Moment wurde sogar der sonst sehr entspannte Bundestrainer ungehalten. Nein, ihm habe nicht gefallen, was er auf dem Platz gesehen habe, sagte Joachim Löw. Sein Team habe sich unglaubliche viele Abspielfehler geleistet, "über das ganze Spiel keine Torchancen herausgespielt". Ein Unentschieden wäre das gerechtere Ergebnis gewesen.

Dass es dazu nicht kam, lag an Verteidiger Mats Hummels, der in der 88. Minute einen Flankenball von Toni Kroos mit einem original hummelsschen Kraftkopfball zum finalen 2:1 verwertete. Und ein wenig musste Löw seine Generalkritik dann doch relativieren: Es gab nämlich schon einen Spieler, der ihm in der Offensive mit all seinen Bewegungsabläufen gut bis sehr gut gefallen hatte, der es nur schwer hatte, weil er eben als Einziger die von Löw genormten Laufwege wirklich nutzte. Dieser Spieler war Timo Werner.

Der Bundestrainer hatte gegen die Tschechen eine sehr offensive Ausrichtung gewählt, mit Kroos als einzigem Sechser, davor zwei offensiven Außen, zwei versetzten Zehnern und zwei Mittelstürmern. Es ballte sich in der offensiven Mitte, doch der Plan war klar: Mit vielen wuseligen Offensivkünstlern häufig in die Tiefe gehen und "die Räume aufreißen". Das klappte wunderbar vor dem 1:0 in der vierten Minute, als Mesut Özil den Ball flink durchs Mittelfeld trieb, Werner sich im richtigen Augenblick in eben jene Tiefe absetzte und mit seinem zweiten Ballkontakt die Führung besorgte.

Schmähgesänge gegen Werner? "Da kann man sich seinen Teil denken"

Danach klappte das leider nicht mehr, trotzdem heimste Werner sich das Sonderlob des Bundestrainers ein. Der frühere Stuttgarter und heutige Leipziger scheint auf dem besten Weg zu sein, sich zu Löws Angreifer erster Güte zu entwickeln, "Timo war der Einzige, der immer wieder in die Tiefe gestartet ist, dabei sollten das alle tun", so Löw. Doch Kroos war zunehmend mit Defensivaufgaben beschäftigt, Özil ließ einer guten ersten Halbzeit eine deutlich schwächere zweite folgen. Thomas Müller, Julian Brandt und Lars Stindl schafften es gegen die dichte tschechische Fünferkette nie, ihre Wege in wernerscher Qualität anzusetzen. "Sie sind immer wieder entgegen gekommen", klagte Löw über Özil, Brandt und Müller. Es folgten Ballverluste und tschechische Konter. In manchen Phasen habe sein Team um ein Gegentor "gebettelt".

Auch wenn der Bundestrainer am Montagabend in Stuttgart aus Proporzgründen Mario Gomez einen Platz in der DFB-Startelf spendieren könnte, scheint Werners Weg im A-Team vorgezeichnet. Galt früher Mario Götze in seiner Funktion als "falscher Neuner" als Löws bevorzugte Lieblingssturmkraft, dürfte ihm Werner diese Rolle abspenstig gemacht haben. Weil Werner mit Konsequenz in besagte Tiefe geht und sich nicht - wie Götze - zunächst als Ballverteiler in vorderster Linie sieht. Der 21-Jährige hat nun in sieben Länderspielen viermal getroffen, dabei als Stammkraft auf der Neun den Confed Cup gewonnen. Keine schlechte Bilanz. "Als Stürmer ist es immer am besten, wenn man trifft", bewertete Werner seinen Auftritt in fast schon routinierter Lässigkeit.

Auch mit dem Rummel um seine Person scheint er besser klarzukommen. Werner hätte sich verbal verteidigen können gegen die Schmähgesänge, die auch am Freitagabend aus den Kehlen deutscher Fans durchs Stadion hallten - tat er aber nicht. Er wisse ja, welche deutsche Stadt in der Nähe von Prag liege, "da kann man sich seinen Teil denken", urteilte Werner und lächelte. Manchen Fußballsympathisanten aus Dresden sind schöne Laufwege egal: Ihnen wird ein Leipziger nie zum Lieblingstürmer Nummer eins aufsteigen.

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