Timo Werner:Auf der Schattenseite

Deutschland - England

Er darf, soll und wird vermutlich wiederkommen: Angreifer Timo Werner (rechts) und sein neuer Vorgesetzter Joachim Löw.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Bei seinem Debüt erleidet der Stürmer einen Muskelfaserriss - seinem Klub aus Leipzig fehlt er mindestens für drei Spiele.

Von Philipp Selldorf, Dortmund

Es kommt nicht oft vor, dass bei einem Heimspiel der Nationalmannschaft ein Neuling nach seinem ersten Einsatz mit Pfiffen verabschiedet wird, dazu muss er entweder sehr unbeliebt sein oder außerordentlich schlecht gespielt haben. Timo Werner hatte am Mittwochabend die unangenehme Wahl: Lag es a) an seiner Zugehörigkeit zu den in Dortmund besonders unwillkommenen Rasenballsportlern aus Leipzig? Oder b) an seiner unvergessenen Schwalbe im Spiel gegen Schalke vor drei Monaten? Oder c) an seinem aktuellen Auftritt gegen England? Letztlich war es nur ein schwacher Trost, dass Lösung c) entfiel: Die Pfiffe gegen ihn hatte es schon vor dem Anstoß gegeben.

Timo Werner, 21, stand an diesem dem Frohsinn gewidmeten Abend eindeutig auf der Schattenseite. Nicht genug, dass er unter der Ablehnung des unerbittlichen Publikums zu leiden hatte, das Debüt im DFB-Team machte auch sonst nicht viel Freude. Bis zur Auswechslung in der 77. Minute gelang Werner wenig Nützliches. Die bitterste Nachricht kam dann aber am nächsten Tag: Wegen einer Verletzung musste der Neuling gleich wieder die Heimreise antreten, noch vor der Weiterfahrt zum DFB-Qualifikationsspiel in Aserbaidschan an diesem Sonntag (18 Uhr/MEZ). Die Ärzte stellten die Diagnose Muskelfaserriss, ein Befund, der außer dem Patienten auch dessen Vereinstrainer nachhaltig erschreckte. Ralph Hasenhüttl sprach gar von einer "Katastrophe". Der Ausfall des torgefährlichsten Angreifers trifft den Aufsteiger in der bisher kritischsten Phase. Werner werde zumindest in den Spielen gegen Darmstadt, in Mainz und gegen Bayer Leverkusen ausfallen, hieß es im Verein, für drei der letzten neun Saisonspiele also. "Im Sturm wird es jetzt eng", sagte Hasenhüttl. Auch Werners Nebenmann im Verein, der Däne Yussuf Poulsen, fehlt zurzeit ja wegen eines Muskelbündelrisses.

Leipzigs Trainer Hasenhüttl reagiert frustriert

In Leipzig hatte man Werners Nominierung für die Nationalelf zunächst sehr begrüßt. "Mit Timo Werner im Sturm macht man nichts falsch", hatte Hasenhüttl geworben. Vielleicht erhoffte man sich damit etwas mehr Anerkennung und positive Publicity für das Fußball-Projekt. Werner jedenfalls suchte seine Chance auf dem schnellsten Weg. Sobald in Dortmund der Anstoß erfolgt war, ging er im Hochsprint auf die ballführenden Gegner los. Es sah aus, als wollte er gleich beim ersten Einsatz die notorisch aufdringliche Leipziger Spielweise in die Nationalelf importieren, notfalls mit Gewalt. "Er ist wahnsinnig viel gelaufen und hat unheimlich lange Wege gemacht", sagte Joachim Löw, und das klang im Kontext seiner weiteren Ausführungen nach einer höflichen Umschreibung für: Timo Werner war wohl ein wenig übermotiviert. Das Resümee des Bundestrainers konnte man ebenfalls vielseitig interpretieren: "War schon in Ordnung für sein erstes Spiel ..."

Werner hatte zudem bei seiner Premierenshow das Pech, dass die Partner an seiner Seite Julian Brandt und Leroy Sané hießen statt Thomas Müller und Mesut Özil. Das Trio garantiert eine Menge Talent und eine Menge Tempo, derzeit aber lediglich ein Minimum an Erfahrung. Die Raumaufteilung und die Vorstöße in die Tiefe seien "nicht so gut abgestimmt" gewesen, sagte Löw, was auch niemanden erstaunte: In dieser Formation hatten die Drei zum ersten Mal gespielt. Für ein Training hatte die Zeit nicht gereicht. "Er ist ein ganz ruhiger, bescheidener Junge, der sich freut, dabei zu sein", hatte Mats Hummels über Timo Werner gesagt, als er noch nicht abgereist war. Kleiner Trost für den Unglücklichen: Beim nächsten Wiedersehen mit der Nationalelf wird bestimmt nicht in Dortmund gespielt.

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