Tierquälerei im Pferdesport:"Ich würde den erschießen"

Hamburg - Derby-Woche 2016

Sieg mit langem Nachspiel: Dario Vargiu (M.) auf Hengst Isfahan nach dem Deutschen Derby 2016.

(Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
  • Im Galopp-Sport hält sich seit einem Jahr eine Debatte über Tierquälerei.
  • Anlass war damals die Geschichte eines Pferdes, das mit Peitschenhieben zum Sieg getrrieben wurde.
  • An diesem Sonntag wabert das Thema bei Deutschlands größtem Pferderennen in Hamburg durch die Szene.

Von Georg Heil, Hamburg

Am Sonntag findet in Hamburg das 148. Deutsche Derby statt, das renommierteste Pferderennen des Jahres, Höhepunkt der deutschen Galopp-Saison. Überschattet wird es allerdings von dem bis heute andauernden Streit um das Vorjahresrennen.

Die deutsche Galopprennszene ist tief zerstritten über die Frage, ob der damalige Siegerhengst Isfahan und der Zweitplatzierte Savoir Vivre nachträglich hätten disqualifiziert werden müssen: Beide wurden von ihren Jockeys regelwidrig mit einer unerlaubt hohen Zahl von Hieben - nur fünf sind laut Rennordnung erlaubt - zum Sieg gepeitscht. Neben der erbittert geführten juristischen Auseinandersetzung wird der Streit in der ansonsten eher verschwiegenen kleinen deutschen Galopprennszene inzwischen auch offen mit persönlichen Angriffen ausgetragen.

Von "regelrechtem Mobbing" spricht Bernd Dietel, der Manager des Rennstalls des deutschen Milliardärs Horst Julius Pudwill, dessen Hengst Dschingis Secret beim Derby 2016 den dritten Platz belegte - und der gegen die Platzierungen von Isfahan und Savoir Vivre geklagt hatte. "Wir sehen uns im Recht, aber wir werden geächtet, und man fordert andere auf, nicht mehr mit uns zu reden. Dabei sind nicht wir es, die dem Rennsport schaden, sondern die, die betrügen und ihre Pferde prügeln lassen."

Dietel berichtet von giftigen Blicken auf den Rennbahnen und gezielten Diffamierungen im Internet. "Wenn ich ein Maschinengewehr hätte, würde ich den erschießen", habe ein bekannter deutscher Züchter unlängst über ihn geäußert - ohne zu wissen, dass er direkt neben ihm stand.

Sogar die sonst übliche Siegerehrung mit einem Champagner-Empfang habe man dem Stall Pudwill nach einem gewonnen Rennen auf der Rennbahn in Köln verweigert. Auf Nachfrage habe ihm die betreffende Geschäftsleitung erklärt, die Gönner der Rennbahn wünschten nicht, dass Mitglieder des Stalls Pudwill mit Champagner geehrt würden, berichtet Dietel. Das Derby am kommenden Sonntag will er sich im Fernsehen anschauen, die Lust auf einen Besuch auf der Rennbahn in Hamburg-Horn hat er verloren, auch wenn er mit den Dreijährigen Shanjo und Ming Jung zwei Hengste im Rennen hat.

"Zustände wie in Nordkorea"

Auch andere Züchter, die Dietels Rechtsauffassung teilten, beklagen sich, sie würden ausgegrenzt. Seit er seine Meinung offen geäußert habe, grüße man ihn nicht einmal mehr, berichtet ein Züchter, der ungenannt bleiben will, der SZ. Manager Dietel beklagt, der Rennsport sei zunehmend unfair und unsportlich geworden. "Das ist ein Fifa-ähnlicher Sumpf. Der Sport wird durch eine kleine Clique dominiert, für die Fairness und Sportlichkeit offenbar nicht mehr zählen."

Der juristische Streit um die Rechtmäßigkeit des Sieges von Isfahan hatte kürzlich zu einem bislang beispiellosen Eklat geführt. Zunächst hatte das Renngericht des deutschen Galoppverbands DVR den Protest des Drittplatzierten in erster Instanz zurückgewiesen. Der Fall landete vor dem Oberen Renngericht, der höchsten Instanz der Verbandsgerichtsbarkeit.

Pferde, die siegen, gewinnen an Wert

Und tatsächlich: Das Obere Renngericht kassierte das Urteil mit der Begründung ein, das Renngericht habe die Vorschriften bzw. deren Auslegung nicht rechtskonform angewandt. Der Fall landete erneut beim Renngericht - und dieses setzte sich über die Anweisung der höchsten Instanz hinweg. Mit der erstaunlichen Begründung, das Urteil des Oberen Renngerichts sei ein "Nicht-Urteil" ohne Bindungswirkung.

Kurz darauf traten die Richter des Oberen Renngerichts - unter ihnen Günter Paul, ein ehemaliger Präsident des hessischen Staatsgerichtshofes - unter Protest von ihren Ämtern zurück. Nun geht die juristische Auseinandersetzung in eine neue Runde. Doch auf die Rechtsprechung des neu besetzten Oberen Renngerichts vertraut Kläger Dietel nicht mehr. Nachdem sich das Renngericht dem Votum des Oberen Renngerichts widersetzt hatte, sieht er im Rennsport "Zustände wie in Nordkorea". Der Manager des Rennstalls Pudwill geht davon aus, dass das neue Urteil zu seinen Ungunsten ausfallen wird und kündigt jetzt schon den Gang zu einem ordentlichen Gericht an. "Wir werden das durchziehen bis zum Ende."

Das System lädt zum Peitschen ein

Bei dem Streit, wer der rechtmäßige Sieger des Derbys 2016 war, geht es neben Ruhm und Ehre auch um viel Geld - neben dem Preisgeld in Höhe von 390.000 Euro für das Siegerpferd 2016 ist insbesondere auch die mit dem Sieg einhergehende Wertsteigerung des Erstplatzierten finanziell lukrativ. Der Wert des Siegerhengstes Isfahan sei seit dem Rennen 2016 um ungefähr eine Million Euro gestiegen, schätzen Branchenkenner.

Angesichts solch hoher Gewinne lädt das System zu unerlaubt häufigem Peitschengebrauch geradezu ein, so Kritiker. Wird ein Pferd im Rennen öfter als die erlaubten fünf Mal gepeitscht, wird nur der Jockey bestraft - mit einigen Tagen Lizenzentzug und einer Geldstrafe, die einen niedrigen fünfstelligen Bereich in der Regel nicht überschreitet. Im Fall des Derbysieges von Isfahan hatten Zeugen ausgesagt, der Rennstall-Manager habe den Jockey gar dazu aufgefordert, die Peitsche nach Belieben einzusetzen - etwaige Strafen würden übernommen.

Für das Derby an diesem Sonntag ist eine Wiederholung eines solchen Rechtsstreites ausgeschlossen. Nach dem Eklat 2016 wurden die Regeln präzisiert - jetzt ist klar geregelt: Ein Pferd wird nicht disqualifiziert, auch wenn der Jockey öfter als erlaubt zur Peitsche greift. Für Bernd Dietel ist dieses Regelwerk ungerecht. Er sagt: "Der Betrüger wird belohnt. Der Betrug schadet dem Sport, auch weil die Menschen es nicht sehen möchten, dass Tiere verprügelt werden."

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