Ticketing in der Fußball-Bundesliga:Geschlossene Gesellschaft auf der Tribüne

Ticketing in der Fußball-Bundesliga: Auch eine Möglichkeit, an eine Eintrittskarte zu kommen, wenngleich nicht ganz legal: der Schwarzmarkt vor dem Stadion, hier in München.

Auch eine Möglichkeit, an eine Eintrittskarte zu kommen, wenngleich nicht ganz legal: der Schwarzmarkt vor dem Stadion, hier in München. 

(Foto: imago sportfotodienst)

Wie gelangen Fans an ein Ticket für ein Spiel ihres Vereins? Wer keine Dauerkarte hat, tut sich damit schwer in der Fußball-Bundesliga. Zum Start der neuen Saison zeigt sich, dass die Nachfrage so riesig ist, dass die Vereine selbst überfordert sind. Vier Tipps, wie es dennoch klappen könnte.

Von Jonas Beckenkamp

Die Zahlen sind beeindruckend. 55.000 verkaufte Dauerkarten bei Borussia Dortmund, knapp 44.000 beim FC Schalke, 39.500 beim FC Bayern. Die Bundesliga geht in eine neue Saison und schon jetzt ist absehbar: Die Stadien werden voll sein. Richtig voll. Zu voll. Das Spektakel in den Arenen erfreut sich so großer Beliebtheit, dass bei weitem nicht jeder eine Karte bekommen wird, der kurzentschlossen zum Kassenhäuschen pilgert.

Es wimmelt von Vereinen, die bei Heimspielen selbst dann das "Ausverkauft"-Schildchen aufhängen könnten, wenn sie gar keine frei erhältlichen Tickets mehr anbieten. Gerade die großen Klubs sind theoretisch in der Lage, ihre Heimstätten Woche für Woche allein mit Jahreskarten auszubuchen. Dass sie es nicht tun und es trotzdem schwierig ist, samstags spontan ein Spiel live zu verfolgen, irritiert viele Anhänger.

Dauerkarten-Inhaber sind vor allem für die prominenteren Klubs Fluch und Segen zugleich. Einerseits liefern sie die Garantie für vollbesetzte Kurven, andererseits bleiben kaum noch Tickets für Einzelkartenkäufer übrig. Vereine wie Bayern oder Dortmund erlegen sich selbst einen Verkaufsstopp der Jahrestickets auf, damit wenigstens ein Teil der Karten noch in den freien Verkauf wandert. Denn wäre jeder Platz bereits im voraus vergeben: Das Stadion würde zur geschlossenen Gesellschaft und viele Menschen würden sich wohl abwenden.

In der Liga tummeln sich im Ticketmarkt Marketingmenschen, die in Superlativen sprechen: "Die Nachfrage ist exorbitant," sagt Carsten Cramer, Ticketing-Leiter bei Borussia Dortmund. Noch drastischer scheint die Situation bei den Bayern. Mediendirektor Markus Hörwick erklärt: "Wir könnten für die 17 Heimspiele jeweils ein Minimum von 100.000 Tickets verkaufen." Seit acht Jahren seien sämtliche Partien "mit Beteiligung des FC Bayern - egal ob zuhause oder auswärts - ausverkauft. Das ist schon enorm".

Welche Möglichkeiten bleiben Normalsterblichen, um einen Sitz- oder einen Stehplatz zu ergattern? Nicht jeder will gleich zum Dauergast werden, nur weil er mal Lust auf ein Live-Erlebnis verspürt. Abzüglich der Jahreskarten, der Kontingente für Sponsoren und Fanklubs bleiben an den meisten Standorten nicht mehr viele Tickets übrig. Beim FC Bayern gehen pro Spiel 20.000 Karten in den offenen Verkauf, beim BVB 17.000. Um an die ranzukommen, braucht es einige Kniffe.

  • Schnell sein, dranbleiben und vorbestellen

Meistens startet der Vorverkauf drei bis vier Wochen vor der Ansetzung eines Spiels. Auf den Internetseiten der Vereine lassen sich Karten entweder direkt buchen oder zumindest vorbestellen. Das heißt, der Interessierte "bewirbt" sich für die gewünschten Plätze und muss dann auf ein Losverfahren hoffen. Hörwick hat einen Tipp: "Ich empfehle, frühzeitig Karten für weniger gefragte Spiele im DFB-Pokal oder in der Vorrunde der Champions League zu ordern." Für Partien wie die vom Oktober 2011 gegen den Zweitligisten FC Ingolstadt seien problemlos Tickets erhältlich.

Auch in Dortmund finden Suchende so ihr Glück, sagt Ticketing-Leiter Cramer: "Man muss schnell sein und auch flexibel. Es lohnt sich, weit im Voraus im Online-Shop vorbeizuschauen und es bei der telefonischen Hotline zu versuchen." Wer das schon einmal probiert hat, weiß: Es geht nur mit Beharrlichkeit.

Cramer verweist darauf, dass manche Leute ihr Losrecht auf Bestellungen verstreichen lassen: "Manchmal gehen kurzfristig Kontingente zurück - wenn ein Spiel am Montag ausverkauft ist, kann es trotzdem am Dienstag wieder klappen." Was ein wenig so klingt wie auf gut Glück ins ausgebuchte Kino zu gehen, kann in der Liga tatsächlich funktionieren.

"Oft hängt es auch vom Termin ab"

  • Richtiges Timing auf verschiedenen Kanälen

Die Vertriebswege sind fast überall gleich: Online-Verkauf, Fanshops, Telefon, Ticketbörsen - seriös sind wohl nur die drei Erstgenannten. Die Kritik an Anbietern wie Viagogo war zuletzt riesig, auf Schalke führten Fanproteste gegen den Online-Zwischenhandel dazu, dass der Klub die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen kündigte. BVB-Sprecher Cramer hält nichts von Viagogo: "Das ist kein Service, sondern ein kostspieliger Zweitmarkt. Für uns war immer klar, dass wir damit nichts zu tun haben wollen."

Bei der herkömmlichen Kartensuche empfiehlt es sich, auf den richtigen Zeitpunkt zu setzen - und dann alle Optionen auszuschöpfen. "Oft hängt es vom Gegner ab und auch vom Termin," sagt Cramer. Für das erste Heimspiel der Borussia gegen Braunschweig waren zwei Wochen vor Saisonstart noch Tickets erhältlich. "Wir spielen an einem Sonntagnachmittag in den Ferien, das ist eine günstige Gelegenheit," so der Dortmunder Ticketing-Verantwortliche. Ob im Internet, im Laden oder per Telefon - im richtigen Moment mehrere Anfragen zu streuen, ist eine aussichtsreiche Variante.

  • Kleinere Klubs, größere Chancen

Wer unbedingt ein Heimspiel der Bayern oder des BVB besuchen will, hat es schwerer als in Nürnberg oder Augsburg. Wo die Nachfrage geringer ist, steigen logischerweise die Chancen auf Eintrittskarten. Der "Club" liegt mit 28.000 verkauften Jahreskarten zwar im oberen Mittelfeld der Liga, Tagestickets sind für viele Spiele aber leicht zu kriegen.

"In der vergangenen Saison gingen sogar Tickets für das Heimspiel gegen den FC Bayern in den freien Vorverkauf," lässt FCN-Sprecher Jakob Strahlhuber wissen, "Sie sehen also, dass beim 1. FC Nürnberg auch Nicht-Mitglieder die Chance haben, eine Karte zu erwerben." Ähnlich ist die Situation beim FC Augsburg, wo das Stadion zwar kleiner ist - dafür aber auch "nur" 18.000 Dauerkartenbesitzer die Plätze vorab besetzen.

"Wir raten, den freien Ticketvorverkauf zu nutzen, der nach einem Mitgliedervorverkauf angeboten wird," berichtet FCA-Pressesprecher Dominik Schmitz, "in der vergangenen Saison waren nur bei ein oder zwei Spielen keine Tickets mehr im freien Verkauf verfügbar." Ins Stadion kommt man bei den Schwaben - aber zu welchem Preis? Aus Fankreisen ist zu hören, dass die Tageskarten meist teuer sind, während die Abonnenten sich auf den günstigeren Stehplätzen tummeln. 40 Euro und mehr soll ein Ticket kosten.

  • Pragmatisch denken, Mitglied werden

Voraussetzung für den Erhalt von Eintrittskarten ist vielerorts die Mitgliedschaft im Verein. Kaum ein Bundesligaklub kommt ohne "Mitgliedervorverkauf" aus. Dies bedeutet, dass Vereinstreue bei Bestellungen zuerst in die Verlosung gelangen. "Als Nicht-Mitglied ist es beim FC Bayern sehr schwer," gibt auch Hörwick zu. Dass diese Bevorzugung andere Interessierte ärgert, glaubt er nicht: "Die Leute sind vernünftig. Viele Fans sehen ein, dass es sich rentiert, eine Mitgliedschaft abzuschließen. Das zeigt auch die Attraktivität des FC Bayern."

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es fast unmöglich ist, ohne eine Registrierung im Verein Karten zu kaufen. 60 Euro kostet derzeit beim Rekordmeister eine Mitgliedschaft - für jemand, der nur einmal Ribéry & Co. über den Platz flitzen sehen will, viel Geld. Dass die Bayern ihre neue Rekordmarke von 217.241 Mitglieder nur mit lauter wild entschlossenen "Mia-san-mia"-Romantikern erreichten, ist unwahrscheinlich. Einige zehntausend Karten-Pragmatiker dürften schlicht keine andere Möglichkeit gesehen haben als den Vereinsbeitritt.

Die Klubs fühlen sich ihren Mitgliedern mehr verpflichtet, das bestätigt auch der Marketingleiter aus Dortmund. Carsten Cramer versteht den Frust der Fans, die oft leer ausgehen. "Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir mit der Enttäuschung der Anhänger umgehen, denn es kann nicht jeder ins Stadion." Um genau zu sein, sind es sogar bemerkenswert wenige.

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