Thorsten Fink beim Hamburger SV:Wenn der Chef ein Lied von Seal singt

Halb Trainer, halb Psychologe: Unter Trainer Thorsten Fink haben viele Spieler des Hamburger SV einen Schritt nach vorne gemacht. Fink sagt, er spüre eine "Aufbruchstimmung" in Hamburg - am Samstag kommt es nun zum Duell mit seinem früheren Klub, dem FC Bayern.

Jörg Marwedel, Hamburg

Wer im Internet den Begriff Thorsten Fink, Psychologe, eingibt, der stößt schnell auf den Hamburger Dr. Thorsten Fink, Facharzt für Psychologie und Psychotherapie. Es gibt aber in Hamburg seit gut drei Monaten noch einen zweiten Thorsten Fink. Der ist zwar kein Studierter und auch "kein Copperfield", wie er selbst sagt, nachdem ihn Franz Beckenbauer quasi zum Zauberer erklärte, weil er als Fußballcoach das Team des Hamburger SV reanimiert hat. Aber auch Fink II. ist vor allem im psychologischen Bereich erfolgreich. Der einstige Bayern-Spieler Fink kann, wie sein früherer Trainer Ottmar Hitzfeld hervorhebt, "Menschen führen".

Fink erkennt 'keine Verunsicherung'

Gegen die alte Liebe: HSV-Trainer Thorsten Fink.

(Foto: dapd)

Wer im Fußball Menschen führen kann, der steigt normalerweise in der Tabelle Stück für Stück nach oben. So wie der HSV, der im Oktober Tabellenletzter war und nach zehn Spielen unter Fink mit nur noch einer Niederlage mittlerweile auf Rang elf geklettert ist.

Und nun kommt am Samstag ein Spiel, das auch für Fink besonders ist. Es kommt sein früherer Arbeitgeber in die Hamburger Arena. Dorthin, wo er selbst 2001 einen der größten Momente mit dem FC Bayern erlebte. Jenes in der 94. Minute erzielte 1:1 beim HSV im letzten Saisonspiel, mit dem die Münchner doch noch den Titel gewannen und ihn den schon feiernden Schalkern wegnahmen wie Bankräuber.

Neun Jahre spielte der gebürtige Dortmunder Thorsten Fink in München, weshalb ihm vor seiner Entscheidung für Hamburg auch die Einschätzung seiner früheren Chefs wichtig war. In Bodos Kaffeezelt auf dem Oktoberfest befragte er Karl-Heinz Rummenigge und Karl Hopfner, auch Hitzfeld bat er um seine Meinung. Einige Münchner haben Fink zugeraten, wie etwa Rummenigge ("Der HSV ist ein toller Klub"). Andere rieten ihm ab, erzählt Fink.

Bereut hat er seine Entscheidung bislang nicht. Stattdessen hat er zur "Aufbruchstimmung", die er beim HSV spürt, maßgeblich beigetragen. Er hat den Teamgeist des neu zusammengestellten Kaders deutlich vorangebracht. Sei es damit, dass eine Mannschaft, die im Training verliert, dem Sieger Wünsche erfüllen muss. Sei es, dass er sogar schon als Sänger aktiv war.

Wie alle Neulinge hat er ein Lied geschmettert, einen Hit von Seal. Man könne sich als Chef nicht ausschließen, sagt er. Und er findet es prima, dass am Auto des Gesangsverweigerers Ivo Ilicevic eine Kralle angebracht wurde und dieser nicht wegfahren konnte. "So etwas", sagt Thorsten Fink, "müssen wir uns erhalten." So etwas spreche für den Zusammenhalt des Teams.

Fink setzt auf Jarolim

Der Psychologe Fink hat recht schnell herausgefunden, welchen Profi er eher streicheln muss und wer zuweilen etwas hinter die Ohren braucht. Die meisten HSV-Profis haben tatsächlich einen Schritt nach vorn gemacht, seit er da ist. Zum Beispiel Torwart Jaroslav Drobny, bei dem der Trainer bald erkannte, dass man den nur mal in den Arm nehmen muss.

Auch für Heung-Min Son, 19, hatte er ein Ohr. "Viele denken, wenn ich sie nicht aufstelle, hätte ich etwas gegen sie. Da hilft Reden", sagt Fink. Son habe trotz seines Tiefs "bei uns eine große Zukunft". Ähnliches hat er Ilisevic mitgeteilt, der nach seinen Verletzungen noch nicht zur Startelf gehört.

Fink hat zuletzt auch erkannt, dass der schon fast aussortierte David Jarolim, 32, noch immer "ein Vorbild für die anderen" ist. Einer, der jeden Morgen als Erster komme und als Letzter gehe. Der Coach hat gemerkt, dass er Jarolims Erfahrung noch braucht, auch "wenn andere schneller oder offensiv stärker sind".

Anders als seine Vorgänger Armin Veh und Michael Oenning lässt er Profis nach einem schwächeren Spiel in der Mannschaft - wie etwa Jeffrey Bruma nach dem 1:5 gegen Borussia Dortmund. Alles andere würde nicht nur Bruma verunsichern, sagt Fink. Eine Woche später beim 2:1 in Berlin spielte der Niederländer wieder auf gewohntem Niveau.

Man werde gegen die Bayern nicht den gleichen Fehler wie gegen Dortmund machen, sagt der Fußballlehrer. Gegen ein spielerisch überlegenes Team solle man nicht versuchen mitzuspielen, sondern man müsse "die Zweikämpfe gewinnen, kratzen und beißen", sagt Fink, da müsse man nicht 60 Prozent Ballbesitz haben. Das klingt realistischer als manche dem forschen Fink nachsagen.

Es gibt ja Leute, die ihm sogar zu viel Selbstbewusstsein attestieren. Dabei sagt Fink auch: "Ein Neuaufbau braucht Zeit." Und zur momentanen Tabellensituation - vier Punkte mehr als der Drittletzte Kaiserslautern, acht weniger als Euro-League-Anwärter Leverkusen - versucht er sich gar als schielender Marty Feldman: "Wir gucken mit einem Auge nach oben und mit dem anderen nach unten."

Kommunikation, sagt Fink, sei ein wesentlicher Teil seiner Arbeit. Er weiß noch, wie sein heimliches Vorbild Ottmar Hitzfeld diese Tastatur beherrschte. Als der den betagten Spieler Fink loswerden wollte, begann er das Gespräch so: "Du wirst bestimmt mal ein Super-Trainer." Da habe er, erinnert sich Fink, "gar nicht gemerkt, dass er mich gerade abgeschossen hat".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: