Thomas Müllers kurioses Tor:"Und dann war er halt drin"

Olympiakos Piräus  - FC Bayern München

Bayerisches Phänomen: Thomas Müller

(Foto: dpa)

Von Jonas Beckenkamp, Piräus

Für ein zünftiges griechisches Mahl ist es nie zu spät, das haben sie dann auch beim FC Bayern beherzigt. Die Uhren tickten schon in Richtung Mitternacht, da trugen extra engagierte Nahrungsbeschaffer Tabletts mit Essen in den Mannschaftsbus der Münchner. Was auf dem Menü stand, war nicht herauszufinden, es wird aber deftig gewesen sein - denn so eine Gruppe hungriger Fußballer muss man erst mal satt kriegen. Thomas Müller hatte sich zunächst nur ein Fläschchen Saft gekrallt, er nahm einen Schluck, dann erklärte er, wie er das wieder einmal hinbekommen hatte mit dem Toreschießen.

"Wollt ihr die echte Version wissen?", fragte er. "Der ist mir abgerutscht, da muss ich ehrlich sein. Ich kriege auf Rechtsaußen den Ball, schaue in die Mitte und will mit einer Flanke Lewy (Robert Lewandowski; d. Red.) bedienen. Als der Ball plötzlich in der Luft abbiegt, habe ich selbst über die Flugkurve gestaunt. Und dann war er halt drin."

Ein dickes Grinsen, keine Absicht also. Sein Treffer zum 1:0 (52. Minute) bei Olympiakos Piräus war eher Zufall als Geniemoment. Wobei das ja keine Rolle spielt, denn noch hat im Fußball niemand Punktabzüge wegen Duseltoren zu befürchten. Für Müller und seine Bayern gestaltete sich das 3:0 (0:0) in der Athener Vorstadt in vieler Hinsicht angenehm.

Müller hat schon 30 Treffer

Der zwölfte Auftakterfolg in der Champions League in Serie geriet nie richtig in Gefahr, weil die Münchner zu dominant auftraten. "Es war sehr wichtig, mit einem Sieg zu starten. Die letzten sechs Heimspiele hatte Olympiakos alle gewonnen, das ist keine leichte Kulisse hier", betonte Müller, "unsere Aussichten sind jetzt ganz gut." Er hätte das auch gleich über sich selbst sagen können, denn seine persönlichen Aussichten sind mindestens ebenso gut. Weil Müller in der Nachspielzeit noch einen Elfmeter verwandelte, liegt er jetzt in der Champions League bei insgesamt 30 Treffern - gleichauf mit den internationalen Grandseigneurs Samuel Eto'o und Kaka.

Müller durchlebt wieder einmal eine dieser Phasen in seinem Stürmerleben, in denen ihm fast alles gelingt. Seine Bogenlampe zum 1:0 stand dabei sinnbildlich für sein derzeitiges Wettbewerbsglück: Eine vermeintlich missratene Aktion endete mit dem Nussknackermoment des Abends. Bis zur Führung hatten die Münchner zwar gefühlte 600 Prozent Ballbesitz, doch vorne wollte einfach keiner rein. Trainer Pep Guardiola hatte aber zurecht darauf vertraut, dass der entscheidende Moment irgendwann kommt: "Wir haben das Spiel komplett kontrolliert, fast keine Torchance zugelassen und genug Chancen kreiert, um das Spiel zu gewinnen."

Dabei hatte Müller keinen weltmeisterlichen Tag erwischt

Nach Müllers Kasperlnummer schnürten die Bayern die harmlosen Griechen weiter ein, so wie Guardiola sich das vorstellt. Auffällig war, mit welcher Überzeugung die Mannschaft das Mauerwerk der Gastgeber malträtierte. Hinten schob David Alaba wiederholt als spielender Innenverteidiger die Angriffe an, in der Mitte dirigierten Xabi Alonso und Thiago - und vorne fummelte Müller vor sich hin. Dabei hatte er wahrlich keinen weltmeisterlichen Tag erwischt. Ein paar versprungene Bälle, eine Ringereinlage mit gelber Karte als Folge, dazu einige Tritte der Gegner. Egal. Müller würde in diesen Tagen wohl auch sein Tor machen, wenn er nebenbei Sirtaki tanzt.

"Er hat einfach abgedrückt und drin ist der Ball", erklärte Sportvorstand Matthias Sammer voller Bewunderung. Bei seinem Versuch, das Naturwunder Thomas Müller in Worte zu fassen, entstand schließlich noch ein Satz der Resignation: "Phänomene kann man nicht erklären." Als einmalige Erscheinung ist Müller ja schon lange bekannt, er traf nun in acht aufeinanderfolgenden Jahren in der Champions League - auch das ist ein Rekord in diesem Wettbewerb, zumindest für einen deutschen Fußballer. Seine Bilanz in diesem Spätsommer summiert sich auf sechs Treffer in der Liga, drei im Nationalteam, dazu nun zwei weitere in Piräus.

Den Elfmeter wollte er selber schießen

"Thomas macht das überragend", lobte auch Mario Götze, der als Einwechselspieler in der 89. Minute noch das zwischenzeitliche 2:0 erzielt hatte. Und so musste Müller zum Schluss nur noch eine Sache aufklären: Warum ließ er den von Kingsley Coman herausgeholten Elfmeter in der vierten Minute der Nachspielzeit nicht Thiago schießen, der auch gerne angetreten wäre? "Ich bin keiner, der darauf besteht. Aber da gibt es klare Absprachen", insistierte Müller, "und der Trainer hat mich zum Schießen beordert. Es geht hier um Punkte, da muss man seriös bleiben."

Wer so zielstrebig auftritt, kann demnächst noch weitere Bestmarken einreißen - und natürlich steht so einem torhungrigen Menschen auch eine Extraportion Grillfleisch nach der Leibesertüchtigung zu.

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