Thomas Holzmann beim Deutschland-Cup:Mit fünf Schrauben im Schädel

Deutschland - Kanada

Der Augsburger Thomas Holzmann (li.) flitzt beim Deutschland-Cup neun Monate nach seinem Schädelbruch übers Eis.

(Foto: dpa)

Neun Monate nach einem Schädelbruch debütiert Thomas Holzmann für die DEB-Auswahl. Der erste Sieg beim Deutschland-Cup ist noch lange nicht das Ende seiner Geschichte.

Von Johannes Schnitzler, Augsburg

"Das ist eine Wahnsinnsgeschichte, klar", sagt Thomas Holzmann. Die Hauptrolle in dieser Geschichte spielt Holzmann selbst, weshalb man ihn für befangen halten darf. Objektiv und mit ein wenig mehr Distanz betrachtet ist Holzmanns Geschichte natürlich nichts weniger als eine totalirrecrazymegagaga Wahnsinnsgeschichte. Und sie geht so: Ende Februar, die Augsburger Panther trudeln den Playoff-Plätzen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) hinterher, wird Holzmann in Wolfsburg vom Schlittschuh eines Teamkollegen am Kopf getroffen. Der Stürmer fühlt sich benommen, sieht leicht verschwommen, vor allem ist da dieses Pfeifen in seinen Ohren. Wolfsburgs Teamarzt unterzieht Holzmann einer oberflächlichen Untersuchung - und schickt ihn ins Krankenhaus.

Dort wird Holzmann durchleuchtet - und nach Braunschweig verlegt. Dort wird er wieder geröntgt - Diagnose: Schädelbruch. Abtransport in eine Spezialklinik. Not-OP. Holzmann hat diese Geschichte, seine Geschichte, seitdem oft erzählen müssen. Aber noch immer schaudert es ihn bei dem Gedanken an die Röntgenbilder. Man müsse sich das ungefähr so vorstellen, als ob ein Golfball ihn am Kopf getroffen und eine Delle hinterlassen habe. Fünf Schrauben fixieren seitdem seinen Schädelknochen.

Thomas Holzmann, geboren in Buchloe im Allgäu, hat 337-mal in der DEL gespielt. Immer galt er als talentiert, aber auch als ein bisschen zu weich, zu schmächtig. Beim EHC München macht er in seiner letzten Saison gerade einmal zwei Tore und fristet ein Dasein als Hinterbänkler in der vierten Reihe. Erst in Augsburg, sagt er, habe er "wieder richtig Spaß am Eishockey gefunden". In der vergangenen Saison erzielt er 13 Treffer und bereitet 13 weitere vor, es ist seine beste Spielzeit in der DEL. Dann kommt der 29. Februar 2016 - und der Spaß hat ein golfballgroßes Loch.

Neun Monate nach dem Unfall debütiert Holzmann für den DEB

Seit diesem Samstag ist Thomas Holzmann Nationalspieler. Beim Deutschland Cup in Augsburg hat der Augsburger beim 3:2 (0:1, 1:1, 2:0) gegen die Schweiz sein Debüt im DEB-Team gegeben, keine neun Monate nach seinem Unfall. Es ist eine Wahnsinnsgeschichte.

Gegen die Schweiz, die am Vorabend Kanada 0:3 unterlegen war, hatte Bundestrainer Marco Sturm seinen Kader im Vergleich zum 1:3 gegen die Slowakei wie verabredet verändert. Neben Torwart Matthias Niederberger (Düsseldorf) rotierte Holzmann an der Seite von Brent Raedeke (Mannheim) und Thomas Greilinger (Ingolstadt) ins Team, wenn er auf dem Videowürfel zu sehen war, riefen die Fans seinen Spitznamen "Woody".

Holzmann spielte unauffällig. Das deutsche Team vergab wie gegen die Slowaken zu viele Chancen, im Spielaufbau und vor allem im Powerplay zeigte sich, wie wenig eingespielt diese deutsche Auswahl ohne rund 20 Stammspieler ist. Und Sturm musste nach der Verletzung von Yasin Ehliz im zweiten Drittel weiter improvisieren. Aber die Mannschaft kämpfte. Zweimal gingen die Schweizer durch Herren (5.) und Schäppi (38.) in Führung, zweimal glich das DEB-Team aus: erst durch Nico Krämmer (26.) in Überzahl, dann durch einen Handgelenkschuss von Leo Pföderl (46.). Und dann traf, nein, nicht Holzmann, sonder Denis Reul: Einen Konter in Unterzahl schloss der Mannheimer Verteidiger mit dem 3:2 (49.) ab. Die Titelverteidigung ist noch möglich, wenn die Schweiz am Sonntag die Slowakei schlägt - und Deutschland Kanada.

Bundestrainer Sturm bewundert Holzmanns Fitness

Thomas Holzmann wird am Sonntag (16.30 Uhr) im abschließenden Spiel gegen Kanada auf seinen Klubtrainer Mike Stewart treffen, der bei Team Canada Chefcoach Dave King assistiert, sowie die AEV-Kollegen Brady Lamb und Trevor Parkes. "Das wird noch mal etwas Besonderes", sagt Holzmann. Mit 29 Jahren ist der Augsburger ein Spätberufener. Aber "nur weil er Augsburger ist, ist er nicht dabei", betont Marco Sturm. Im Vorjahr war der Bundestrainer dafür kritisiert worden, dass er die Gastgeber bei seiner Auswahl ignoriert hatte. Holzmanns Nominierung sei nun nicht als späte Gefälligkeit zu verstehen: "Thomas ist der deutsche Spieler hier, der auffällt." Er habe sich mit vielen Leuten unterhalten und nur Positives gehört: wie fit Holzmann sei, wie anständig. Kurz: "Er ist ein Profi geworden. Er hat sich die Nominierung verdient."

Es könnten dennoch seine einzigen Länderspiele bleiben, das weiß Holzmann. Er werde alles geben, um noch auf den Zug zur Heim-WM 2017 aufzuspringen. "Aber hier dabei zu sein, ist jetzt schon eine super Erfahrung, die ich sehr gerne mitnehme. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich jetzt schon so weit bin." Für ihn sei bereits mit seiner Nominierung ein Traum in Erfüllung gegangen. "Ich bin sehr happy."

Nur in Augsburg sind sie nicht ganz so glücklich. Natürlich freuen sie sich mit "Woody". Aber ein Deutscher, der auffällt? Im ewig klammen Augsburg machen sie sich leise Sorgen, dass Holzmann allmählich zu sehr auffallen könnte, zu interessant werden könnte für die Klubs mit den tieferen Taschen. Es wäre für die Panther die bittere Pointe dieser Wahnsinnsgeschichte.

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