Politiker verschiedener Parteien zeigen sich irritiert, dass IOC-Präsident Thomas Bach bereits seit den Neunzigerjahren im Besitz eines Diplomatenpasses der Bundesrepublik Deutschland ist. "Das verwundert mich, weil mir eine inhaltlich nachvollziehbare Begründung jedenfalls bisher fehlt", sagte Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages, der SZ. Ähnlich äußerte sich der Staatsrechtler und frühere Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz (CDU). "Eine Legitimität kann ich nicht erkennen", sagte er dem Deutschlandfunk: "Deshalb ist ein Diplomatenpass nach meiner Auffassung hier völlig fehl am Platz."
Am Samstag veröffentlichte SZ-Recherchen hatten ergeben, dass Bach erstmals 1994 einen Diplomatenpass bekam. Damals war er frisch ins Internationale Olympische Komitee (IOC) aufgerückt, seit Herbst 2013 führt er es als Präsident an. Diplomatenpässe gewähren nicht automatisch strafrechtliche Immunität, können sich aber bei Reisen an verschiedenen Stellen als hilfreich erweisen, beispielsweise um die Wartezeit bei Kontrollen an Flughäfen zu verkürzen. Normalerweise sind diese Ausweise nur für Politiker, echte Diplomaten sowie deren Familienangehörige gedacht. Es sind allerdings Ausnahmen möglich für Personen, die "Reisen im amtlichen Auftrag oder im besonderen deutschen Interesse" unternehmen.
Im Fall Bach ist es jedoch schwer, von einem besonderen deutschen Interesse zu sprechen. Immerhin ist das IOC eine private Institution, die gemäß Charta die Mitglieder anhält, nur die Interessen des IOC und nicht die des Heimatlandes zu vertreten. Von daher muss sich auch das Auswärtige Amt die Frage gefallen lassen, warum es Bach einen Pass ausstellte. "Die Ausstellung des Diplomatenpasses ist nach ganz klaren Regularien festgelegt, und deswegen möchte ich von der Bundesregierung wissen, mit welcher Begründung Herr Bach einen solchen Diplomatenpass besitzt", sagte Özcan Mutlu, sportpolitischer Sprecher der Grünen.