Theo Zwanziger tritt zurück:Nach mir die Sintflut

DFB-Präsident Theo Zwanziger kündigt seinen Rücktritt an und hinterlässt ratlose Gesichter. Offiziell führt er an, er sehe keine Herausforderungen mehr beim DFB - doch der Verband hat aktuell mehr offene Baustellen als je zuvor. Wurde der Druck auf Zwanziger am Ende zu groß?

Carsten Eberts

Nicht einmal seine beiden leitenden Angestellten hatte Theo Zwanziger vorab informiert. Bundestrainer Joachim Löw und Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff verdauten in Kiew gerade noch die schwere Vorrundengruppe, die ihnen die EM-Auslosung in der Ukraine beschert hatte, als Bierhoffs Handy klingelte. Am anderen Ende der Leitung sprach DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach, mit einer eindeutigen Nachricht: Der DFB-Präsident tritt zurück.

Zwanziger kuendigt Ruecktritt an

Rückzug im Oktober 2012: DFB-Präsident Theo Zwanziger.

(Foto: dapd)

Später äußerten sich auch Löw und Bierhoff. Der Bundestrainer sprach von einem bedauerlichen Schritt, der Teammanager erklärte, man müsse "die Entscheidung akzeptieren". Auch sie hat der Zeitpunkt von Zwanzigers Rücktrittsankündigung überrascht .

Auf der Jahresabschlussfeier des Verbands, in einem Hotel in Neu-Isenburg bei Frankfurt, hatte Zwanziger am Freitagabend seinen Rücktritt verkündigt. Nicht sofort, das stellte der Präsident klar, im Oktober 2012 soll jedoch Schluss sein. Er habe sich die Entscheidung reiflich überlegt, sagte Zwanziger, seit einiger Zeit zudem eine gewisse Amtsmüdigkeit verspürt. "Ich sehe in Deutschland für mich persönlich ehrlich gesagt keine große Herausforderung mehr", erklärte er weiter. Anders bei der Fifa, in deren Exekutivkomitee Zwanziger verbleiben will.

Amtsmüdigkeit? Keine Herausforderungen? Die Worte des Präsidenten überraschten seine Zuhörer. Denn selten gab es mehr offene Baustellen beim DFB als dieser Tage. Die kommenden Monate werden zweifellos wichtige für den Verband sein - Zwanzigers Rücktritt kommt deshalb zu einem höchst problematischen Zeitpunkt.

Die vergangenen Jahre waren nicht einfach für Zwanziger. Er war stets ein Präsident, der mit schwierigen Situationen zu kämpfen hatte. Erst ereignete sich der Wett- und Manipulationsskandal um Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer; 2009 dann der Suizid von Nationaltorhüter Robert Enke, den Zwanziger als Präsident einem ratlosen Fußballland erklären musste. 2010 folgte die Affäre um die Schiedsrichter Manfred Amerell und Michael Kempter, in der sich Zwanziger sehr früh auf Kempters Seite schlug - und dafür Kritik einstecken musste.

In diesem Herbst häuften sich die Probleme erneut. Zuerst brachte sein Lieblingsgegner Amerell die Steueraffäre ins Rollen, wonach offenbar gegen 70 deutsche Schiedsrichter wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt wird. Dann musste Zwanziger seinen Vizepräsidenten Reiner Koch öffentlich degradieren, um einen Machtkampf zu verhindern.

Zwanziger trat stets medienwirksam in die Öffentlichkeit, erging sich in vielen Worten, gab Erklärungen heraus, präsentierte sich als großer Kümmerer. Eine professionelle Figur machte er dabei nicht immer.

Auch nicht im Fall des Schiedsrichters Babak Rafati, der im November vor einem Bundesligaspiel in Köln einen Suizidversuch unternahm. Zwanziger stellte sich bereits Stunden später in die Öffentlichkeit, berief eine Pressekonferenz ein, auf der er berichtete, wie viel Blut Rafati bei seinem Suizidversuch doch verloren habe. Derartige Details kamen in der Öffentlichkeit nicht gut an, Zwanziger wurde von mehreren Seiten heftig kritisiert. Nun will er gehen - und lässt seinen Verband mit den Problemen alleine.

"Das kostet schon eine Menge Kraft“

Zwanziger gestand, dass die Kritik nicht spurlos an ihm vorüber gegangen sei. "Ich gebe zu, dass mich einzelne Aussagen sehr enttäuscht haben", sagte Zwanziger bei seiner Rücktrittserklärung, "jedes Spannungsfeld wird medial gleich zu einer Krise hochstilisiert, das kostet schon eine Menge Kraft." Damit war auch Zwanzigers Einzug ins Exekutivkomitee der Fifa gemeint, für den er ebenfalls viel Kritik abbekam. Vieles spricht dafür, dass der Druck auf Zwanziger einfach zu groß wurde - und dass die Rücktrittserklärung deshalb nicht ganz freiwillig kam.

Zwanziger will seinen Schritt jedoch anders interpretiert wissen. Er habe bereits nach dem DFB-Bundestag im vergangenen Jahr erklärt, dass er nicht erneut kandidieren wolle. "Ich weiß, wann für mich persönlich mit einer bestimmten Epoche Schluss sein muss", sagte Zwanziger am Freitagabend.

Mit dem Zeitpunkt seines Rücktritts hat er auch der Nationalmannschaft einen fragwürdigen Dienst erwiesen. Am Tag der EM-Auslosung, als eigentlich die sportliche Nachricht über die schwere Vorrundengruppe mit den Niederlanden, Portugal und Dänemark das Geschehen bestimmen sollten, platzte Zwanziger fast zeitgleich mit seiner eigenen Erklärung heraus.

Damit zog er nicht nur den Fokus mit aller Macht auf sich, sondern bringt ein halbes Jahr vor dem wichtigen EM-Turnier, bei dem Deutschland Europameister werden soll, auch mächtig Unruhe in seinen eigenen Verband. Erst 2010 hatte er sich als Präsident bestätigen lassen. Nun, am Abend der Auslosung für das große Turnier, kündigt er seinen Rücktritt an.

Seinen Nachfolger will der Noch-Präsident selbst suchen, das kündigte Zwanziger am Freitagabend ebenfalls an. Er sei "seit einigen Monaten diesbezüglich mit einer Persönlichkeit im Gespräch, die ich für sehr geeignet halte", sagte Zwanziger. Den Namen wollte er noch nicht nennen.

Die Suche nach einem Nachfolger soll also Chefsache sein. Ob ein Präsident, der seinen Verband in schwierigen Zeiten allein lässt, für diese Suche der richtige ist?

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