Testturnier in München:"Das System ist wie eine Telefonnummer"

FC Bayern Muenchen v FC Sao Paulo - Audi Cup 2013

Ein Spiel, bei dem es um nichts geht, das aber dennoch einiges aussagt: Rafinha, Robben und Schweinsteiger (von links nach rechts) gegen Sao Paulo

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der FC Bayern besiegt beim Testturnier in München den FC São Paulo 2:0 - doch interessanter als das Ergebnis sind die Details. Bastian Schweinsteiger wird gelobt, Rafinha spielt verdächtig oft und Arjen Robben dämpft die Aufregung um den neuen Trainer.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Mehr als 56.000 Menschen saßen am Mittwochabend im Fußballstadion des FC Bayern München. Das sind eine Menge Leute, wenn man bedenkt, dass es unten auf dem Rasen keineswegs um Punkte oder das Fortkommen im Europapokal ging. Sondern um "60 Zentimeter pure Schönheit", wie es im Stadionheft zu diesem Vorbereitungsturnier steht. Um einen Preis, der "schlichtes Design und innovative Technologie" vereint.

Nein, der Sieger des Audi Cups erhält keinen Miniatur-Quattro, sondern einen silbernen Pokal. Obwohl der ein "außergewöhnliches Kunstwerk" sein soll, wird er es nicht in den Briefkopf der teilnehmenden Klubs schaffen. Und dennoch bot auch dieser Freundschafts-Cup ein paar aufschlussreiche Einblicke in den Fußballbetrieb.

Der Abend begann mit der Offenbarung einer herabgewirtschafteten Mannschaft namens AC Mailand. 0:5 lag die einstige Primadonna unter den italienischen Klubs im ersten Turnierspiel gegen Manchester City nach 36 Minuten zurück, so etwas hat es bestimmt noch nie gegeben, nicht in der Champions League und auch nicht in einem noch so unwichtigen Eisdielen-Cup an der Adria. Dass die in der Offensive extrem starken Engländer danach hinten ihre Schussligkeit offenbarten und Milan noch drei Treffer erzielen ließen, bewahrte die Italiener vor einer veritablen Krise. Die scheint allerdings nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Erkenntnis Nummer zwei: Mario Götze mag den Trubel um seine Person. Wie schon vor einer Woche gegen Barcelona setzte sich der rekonvaleszente Einkauf von Borussia Dortmund mitten auf die Haupttribüne, die Fans nahmen das Angebot dankend an und schwirrten in Horden mit Wünschen nach Autogrammen und Erinnerungsfotos um ihn herum. Kamerad Diego Contento flüchtete nach ein paar Minuten, Götze blieb sitzen, zur Halbzeit schützten sieben Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes den wertvollen Zuschauer.

Vielleicht erhoffte sich Götze von da oben einen besseren Überblick über seine neue Mannschaft. Er sah, wie sich der FC Bayern im zweiten Halbfinale überraschend hart tat mit dem sonst so federleichten Toreschießen. Die fleißig kämpfenden Gäste vom FC São Paulo wehrten sich, so gut sie konnten. Am Ende stand es nur 2:0 für den Triple-Sieger aus München durch Tore von Mario Mandzukic (55.) und Mitchell Weiser (86.). Das Ergebnis aber ist derzeit ohnehin zweitrangig (solange Bayern gewinnt). Was in diesen ersten Wochen unter dem neuen Wundertrainer Pep Guardiola zählt, sind die Details.

Details eins: Philipp Lahm spielte im Mittelfeld. Der Kapitän und ewige Außenverteidiger übernimmt diese Rolle gerade verdächtig oft und verdächtig gut, so dass die Vermutung naheliegt, das könnte so bleiben. Lahm kommentiert das verdächtig inhaltsleer: "Der Trainer stellt auf und wenn er mich da hinstellt, versuche ich, das Beste zu geben." Oder: "Mir macht's auch im Mittelfeld Spaß."

Wundersames Comeback von Rafinha

Noch will niemand so recht glauben, dass Guardiola das im Ernstfall durchzieht, im Supercup in Dortmund war Lahm als rechter Verteidiger einer der besten Bayern-Spieler und bereitete beim 2:4 beide Tore vor. Und selbst der aus den Tiefen der Ersatzbank auferstandene rechte Verteidiger Rafinha wiegelt ab: Philipp sei ein Rechtsverteidiger, aber wenn ihn der Trainer brauche, sei er selbstverständlich bereit, erklärte der Brasilianer, der zurzeit verdächtig oft zum Einsatz kommt.

Mit der Rochade Lahms verdichten sich die Hinweise, dass Guardiola sein Herzstück vom FC Barcelona sehr gerne in München nachbauen würde: ein Dreieck aus perfekten Pass- und Positionsspielern vor der Abwehr. In Barcelona war diese Formation mit den Namen Busquets, Xavi, Iniesta versehen. Und in München?

Wenn nicht alles täuscht, dann sind für diese drei Positionen zuvorderst Thiago Alcántara (gegen São Paulo geschont), Toni Kroos, Bastian Schweinsteiger und eben Philipp Lahm vorgesehen. Wobei sich bei vielen Beobachtern die Meinung festigt, dass Guardiola leicht zum Trio Thiago, Kroos, Lahm neigt. Weil dieses aber die Causa Schweinsteiger betrifft und damit eine Menge Sprengstoff birgt, loben Sportvorstand Matthias Sammer und Guardiola den Nationalspieler ausgiebig. Und das Trio Schweinsteiger, Thiago, Kroos (Lahm wieder rechts hinten) ist ja auch nicht schlecht. Der brasilianische Nationalspieler Luiz Gustavo spielt wohl keine Rolle mehr und sagt nun, dass in dieser Transferperiode alles passieren könne. Er sah dabei ein wenig überrascht und irritiert aus.

Der verletzte Bastian Schweinsteiger durfte gegen São Paulo zum ersten Mal unter Guardiola von Beginn an als hintere Spitze des Mittelfeld-Dreiecks ran und spielte gut wie eh und je. Dass Guardiola ihn schon nach ein paar Minuten zum Seitenrand rief und gestenreich auf ihn einredete, hat eher nichts zu bedeuten. Der Spanier holte anschließend auch noch Rafinha, die Innenverteidiger Dante und Javi Martínez zu sich und sprach ebenso gestenreich auf sie ein. Arjen Robben erhielt von der Ferne ein paar Rüffel wegen Stellungsfehlern, ebenso Torwart Manuel Neuer, weil er zweimal den Ball hoch statt flach rausspielte.

Pep Guardiola ist ein kleines Ereignis da unten in seiner Trainerzone, am liebsten würde er alle paar Minuten das Spiel anhalten, um seinen Profis die Laufwege und Angriffszüge zu erklären. Die Umstellung vom fast väterlichen Jupp Heynckes zum hochaktiven Guardiola ist enorm. Die meisten Münchner Profis aber beginnen nun, die Aufregung um den neuen Trainer zu dämpfen. "Wir dürfen jetzt nicht übertreiben, so anders spielen wir nun auch nicht als letztes Jahr", urteilt Arjen Robben.

Und als ein italienischer Journalist Pep Guardiola nach seinem weltberühmten Spielsystem fragte, nach dem 4-1-4-1, antwortete der: Das System sei wie eine Telefonnummer, das sei am Ende nicht entscheidend. Aha. Mal sehen, welche Nummer er im Finale gegen Manchester City wählt.

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