Testspiel-Pleite des FC Bayern:"A Wahnsinn!"

Red Bull Salzburg v FC Bayern Muenchen - Friendly Match

"Es war eine Lehre für uns": Pep Guardiola.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Österreich staunt: Der große FC Bayern ist in einem Testspiel beim österreichischen Tabellenführer RB Salzburg hoffnungslos unterlegen. Trainer Guardiola scheitert mit einem Abwehrexperiment - Kollege Roger Schmidt beeindruckt mit "einer speziellen Art" des Fußballs.

Von Thomas Hummel, Salzburg

Um dieses Ereignis in Salzburg in Worte zu fassen, brauchte es ein forsches Mitarbeiter-Mädchen im Presseraum der Arena und den hiesigen Stadionsprecher. Letzterer fasste Sekunden nach dem Schlusspfiff die Dimension des Nachmittags zusammen: "Unglaublich aber wahr: Red Bull Salzburg besiegt die beste Mannschaft der Welt 3:0."

Das Mädchen überbrachte wenig später praktisch in nationalem Auftrag die Huldigung an den Macher. Trainer Roger Schmidt ergriff jede Hand, die ihm entgegengestreckt wurde, da erfasste auch sie ihre Chance. Und erklärte mit leicht ergriffenem Gesichtsausdruck: "A Wahnsinn!" Sie sprach damit dem Klub, der Stadt Salzburg, dem kleinen Fußballland aus der Seele.

Null zu drei verlor der FC Bayern München am Samstag im Nachbarland. Nur ein Testspiel, klar. Dennoch hatte die Partie etwas Historisches an sich. Zum ersten Mal seit 1967 und zum zweiten Mal überhaupt verloren die Münchner ein Spiel gegen eine österreichische Mannschaft. Erstmals seit Menschengedenken (zumindest Menschen mit einer rot-weißer Zuneigung) war der Quintuple-Sieger 2013 einem Kontrahenten hoffnungslos unterlegen. Und auf die Frage, ob er jemals einen Gegner erlebt habe, der so brutales Pressing spielt wie die Salzburger, ließ Pep Guardiola die Mundwinkel fallen, schüttelte den Kopf. "Nein, in meiner Karriere als Trainer noch nie."

Obwohl Guardiola am Samstag seinen 43. Geburtstag feierte, war er etwa 60 Meter weit gegangen, um einem anderen zu gratulieren. Direkt nach Ende der Partie nahm er Reißaus von seinem Clan, marschierte entschlossen die Seitenlinie entlang, schlängelte sich durch eine Menge jubelnder Menschen bis er im hintersten Eck der Salzburger Ersatzbank seinen Kollegen Roger Schmidt entdeckte. Guardiola überbrachte seine Anerkennung, indem er sekundenlang auf Schmidt einredete und ihm die linke Schulter wundklopfte. Der Salzburger Trainer aus dem Sauerland errötete ob des anhaltenden Lobes.

Es war ein öffentlicher Ritterschlag. Seht her ihr da draußen: Ich, Trainerkönig Guardiola, erkläre hiermit den Knappen Schmidt zum hochverdienten Sieger! Später sagte er in die Mikrofone: "Der Gegner war besser als wir. Es war eine Lehre für uns."

Der in den Ehrenstand erhobene musste anschließend mehrfach berichten, wie er das nur angestellt hatte. Wie er aus einer Klubmannschaft Österreichs, erklärtermaßen ein Wintersportland, einen Quintuple-Sieger-Besieger formen konnte. "Wir spielen eine spezielle Art Fußball", sagte Schmidt, "und wir wollten unser Spiel auch gegen Bayern München durchziehen."

Diese spezielle Art sah nach zehn Spielsekunden vor, dass der Münchner Verteidiger Dante als letzter Mann drei Mann auf sich zusprinten sah. Der Anpfiff des Schiedsrichters muss im Nachhinein als Fanfare bewertet werden, mit der die Salzburger zur Attacke bliesen. Sie jagten die Münchner über den Platz, dass selbst Pressing- und Umschaltkönig Jürgen Klopp gestaunt hätte.

Löcher groß wie Bierzelte

Während es für die einen ein Testkick war, war es für die anderen das Spiel des Jahres. Mit ausverkauftem Stadion, Fernseh-Liveübertragung samt Zigarre rauchende Highsociety auf der Haupttribüne.

Die Hintereggers, Ilsankers und Leitgebs gingen forsch in die Zweikämpfe, nahmen den Götzes, Thiagos und Müllers die Bälle ab und euphorisierten sich an ihrem eigenen Auftritt. Es folgten die Treffer nach wundervoll schnellem Spiel von Sadio Mané (13.), Jonatan Soriano (20., Elfmeter) und Robert Zulj (44.). Es hätten noch mehr Tore werden können, Kevin Kampl scheiterte mit dem zweiten Elfmeter an Torwart Manuel Neuer. Die großen Bayern brachten bis auf zwei, drei gute Szenen nichts zustande.

"Wenn man schon verliert, dann am besten ein Freundschaftsspiel", kommentierte Thomas Müller pragmatisch. Ein Spiel, in dem Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Arjen Robben und Franck Ribéry fehlten. Und in dem der Trainer mit einem Experiment aufwartete, das schlimm scheiterte. Guardiola begann die Partie mit der Dreier-Abwehrkette Javi Martínez, Dante und Jérôme Boateng, davor besetzten Pierre-Emil Hojbjerg und Toni Kroos das defensive Mittelfeld. "Wir wollten einen Spieler mehr im Mittelfeld haben", erklärte der Trainer, ein Freundschaftsspiel sei dazu da, um Varianten auszuprobieren.

"Dann denkst du, der Trainer ist verrückt"

Das Ergebnis war ein Durcheinander, das die Münchner sonst nur von einem Samstagnachmittag auf dem Oktoberfest kennen. Keiner schien zu wissen, was er tun soll, es entstanden Löcher groß wie Bierzelte, wo vor allem die glänzenden Sadio Mané und Kampl ständig hineinflitzten. Guardiola erkannte: "Wenn es dann in der Halbzeit 3:0 steht, dann denkst du, der Trainer ist verrückt."

Doch allein an seiner Taktik hatte es nicht gelegen. Er hatte ja schon nach 25 Minuten auf die bekannte Viererkette umgestellt. Doch auch danach wuselten und kombinierten sich die Österreicher durch die bayerische Hälfte, als ginge es gegen den Wolfsberger AC. Hojbjerg war in der Zentrale überfordert, Toni Kroos ließ mal wieder seine Widerstandsfähigkeit vermissen. Martínez war früh angeschlagen, offenbarte als Innenverteidiger sein Schnelligkeitsproblem. Und wer bitteschön hat Jérôme Boateng schon einmal so konfus verteidigen sehen?

Die Bayern nahmen die Frage mit in den Mannschaftsbus, ob der erstaunliche Auftritt in Salzburg ein Unfall war oder doch ein Zeichen, das in die Rückrunde hineinstrahlen wird. Ist der Nimbus der totalen Unantastbarkeit dahin? Die Gegner aus Mönchengladbach und Stuttgart, wo der FC Bayern gleich zwei Gastspiele absolviert, werden das Video aus Salzburg studieren und versuchen, ein paar Schlüsse daraus zu ziehen.

Vielleicht wird auch das Telefon von Roger Schmidt demnächst ein paar Mal klingeln. Monsieur Favre (Gladbach) oder Herr Schneider (Stuttgart) könnten einige Tipps gut gebrauchen.

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