Terminchaos im Handball:"Unglaublich unprofessionell"

Rafael Baena Gonzales Rhein Neckar Loewen im Zweikampf mit Rune Dahmke THW Kiel und Rene Toft Ha

Umkämpftes Spitzenspiel: Im Hinrunden-Duell nehmen die Kieler Rune Dahmke (rechts) und Rene Toft Hansen (verdeckt) den Löwen-Profi Rafael Baena Gonzales in die Mangel; nun sind die Klubs selbst in eine Zwickmühle geraten.

(Foto: imago/Eibner)
  • Der THW Kiel und die Rhein-Neckar Löwen müssen womöglich binnen 24 Stunden in Bundesliga und Champions League antreten.
  • Die deutsche Handball-Bundesliga und die europäische EHF werfen sich gegenseitig vor, für die Situation verantwortlich zu sein.
  • Für die Spieler ist es abermals ein unzumutbarer Zustand.

Von Carsten Scheele

Ein Machtkampf? Dieses Wort würde Uwe Schwenker, der Präsident der Handball-Bundesliga (HBL), lieber vermeiden. Der Frust ist zwar groß über die Europäische Handball-Föderation (EHF), aber man will ja auch in Zukunft noch miteinander auskommen und bessere Lösungen finden, wenn der aktuelle Streit erst mal beigelegt ist. "Es geht um den Handball als Produkt", sagt Schwenker, um Vorsicht bemüht: "Da sollte man kooperativ miteinander umgehen."

Der Streit um die Terminpolitik ist in dieser Woche trotzdem eskaliert - eben weil die EHF nach Ansicht der deutschen Klubs wenig bis gar nicht kooperiert. Schon vor Monaten hatte die HBL ihr Spitzenspiel zwischen dem Rekordmeister THW Kiel und dem aktuellen Champion Rhein-Neckar Löwen auf den 24. März angesetzt. Für die Liga ist das einer der wichtigsten Tage des Jahres, die Fußball-Bundesliga pausiert nämlich - die Partie zwischen den Teams aus Kiel und Mannheim soll zur "Sportschau-Zeit" live in der ARD übertragen werden. Das ist der wohl bestmögliche Werbetermin für die Sportart, also hatten alle zugestimmt: ARD, Liga, Klubs. Auch die EHF wurde informiert, mit der Bitte, dieses Ereignis von herausragender Wichtigkeit zu berücksichtigen.

Notfalls wollen sich die Kieler auf zwei Spiele innerhalb von 24 Stunden einlassen

Da beginnt der Konflikt, denn der EHF sind die Prioritäten des deutschen Markts nicht wichtiger als die anderer Länder, sie pocht auf ihren eigenen Terminkalender. So sollen sich die Klubs in den Champions-League-Wochen gleich fünf Tage von Mittwoch bis Sonntag für mögliche Ansetzungen freihalten. Im konkreten Fall heißt das: Die Achtelfinal-Hinspiele sollen zwischen dem 21. und 25. März stattfinden, die Kieler müssen beim ungarischen Klub Pick Szeged antreten, die Löwen in Polen bei Vive Kielce. Da Szeged und Kielce die Austragung ihrer Heimspiele am 21. und 22. März ablehnen (offiziell, weil sie keine Halle zur Verfügung haben), kollidieren die Hinspiele nun mit dem deutschen Spitzenspiel am 24. März. Das sei "unglaublich unprofessionell", kritisiert HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann. Es geht darum, wer sich nach wem zu richten hat: die HBL nach der EHF oder umgekehrt, die EHF nach der HBL. Ausbaden müssen es die Vereine und vor allem die Spieler.

Im November hatte es die Rhein-Neckar Löwen schon einmal erwischt. Nach ihrem Bundesligaspiel in Leipzig blieb den Profis nur die Regeneration im Flugzeug, keine 25 Stunden später traten sie in Barcelona an. Selbst in einem Sport, in dem die besten Spieler wegen der Termindichte locker auf 60 Pflichtspiele pro Jahr kommen, war das ein unzumutbarer Zustand. Wie durch ein Wunder holten die Löwen trotzdem ein Unentschieden in Spanien.

Doch die EHF bleibt auch vier Monate später hart. Sie stellte gar ein Ultimatum bis Donnerstag, 11 Uhr, inklusive Gütevorschlag: Die deutschen Klubs sollten auf ihr erkämpftes Heimrecht verzichten, also die Hin- statt die Rückspiele in eigener Halle austragen, um sich die Anreise am Wochenende nach Szeged (1100 Kilometer entfernt) und Kielce (800 Kilometer) zu ersparen. So könnten beide Klubs am Donnerstag zu Hause in der Champions League antreten und am Samstag in der Bundesliga. Andernfalls, so die Drohung, würde die EHF die Auswärtsspiele in der Königsklasse unnachgiebig auf den 24. März terminieren. Dann bliebe nur noch die Verlegung des deutschen Topspiels (ohne TV), was niemand möchte. Lieber sei man "sogar bereit, uns auf zwei Spiele innerhalb von 24 Stunden einzulassen", sagte Kiels Sportchef Viktor Szilagyi.

Der deutsche Markt ist nicht der beliebteste Partner

Die HBL fordert indes, dass künftig nur noch zwei Termine in der Woche für die Champions League freigehalten werden - statt bislang fünf. Für die EHF ist das kaum verhandelbar. Sie hat viele unterschiedliche Fernsehverträge in anderen Ländern geschlossen, in denen Champions-League-Handball zur Primetime im Fernsehen läuft. Die meisten Klubs in Polen, Ungarn oder Kroatien wollen ihre internationalen Heimspiele an Wochenenden austragen, da so die meisten Zuschauer erreicht werden. Da ist der deutsche Markt, für den kein öffentlich-rechtlicher Sender, sondern der Privatanbieter Sky den Zuschlag erhalten hat, nicht der beliebteste Partner.

Auch die Bundesliga hat feste Termine eingerichtet, am Donnerstag und Sonntag. Diese Pläne hätten sich von Anfang an "gegen die Champions-League-Spiele gerichtet. Dies kann nicht als Zufall gesehen werden", heißt es in einem EHF-Schreiben. Der umgekehrte Vorwurf: Die HBL habe die Königsklasse "als reine Konkurrenz behandelt, anstelle die Lokomotivfunktion anzuerkennen", heißt es weiter. Davon könne keine Rede sein, sagt Schwenker. Er bedauert, dass die EHF nicht einsehe, dass es für den Handball keine bessere Werbung geben könne, als dieses Live-Spiel in der stärksten Liga der Welt. Die Einschaltquoten dürften in Deutschland am 24. März höher liegen als bei allen Champions-League-Spielen deutscher Klubs im Privatfernsehen zusammen.

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