Tennisprofi Serena Williams:Das Herz schlägt für zwei

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Zurück am Arbeitsplatz: Serena Williams verliert ein Show-Match in Abu Dhabi gegen Jelena Ostapenko, hat aber bereits neue Ziele. (Foto: Tom Dulat/Getty)
  • Vier Monate nach der Geburt ihrer Tochter steht Serena Williams wieder auf dem Centre Court.
  • Sie verliert das Showmatch - und zweifelt, ob es schon für die Australian Open reicht.

Von Barbara Klimke, München

Sie versuchte es mit Bernsteinperlen und kalten Handtüchern, mit dem Kauen auf einem Finger und einem homöopathischen Wässerchen. Nichts brachte Linderung. Das zerreiße ihr das Herz, bekannte Serena Williams, und so wandte sie sich schließlich an ihre Facebook-Gefolgschaft: "Irgendjemand, der Hilfe weiß?"

Zwei Wochen ist dieser öffentliche Aufruf alt, und er gibt einen Hinweis darauf, was Serena Williams derzeit wirklich am Herzen liegt: Nicht die eigene körperliche Befindlichkeit vier Monate nach Ende der Schwangerschaft, sondern das Zahnen von Alexis Olympia, ihrem Töchterchen. Mehr als viertausend gut gemeinte Ratschläge gingen ein, der überwiegende Teil empfahl übrigens ein bewährtes Mittel gegen die Schmerzen, einen gekühlten Beißring.

Williams will ihr Comeback nicht beurteilen: Ihr fehlt der Vergleich

Auch als Serena Williams am Samstag in Abu Dhabi zum ersten Mal seit dem Finale der Australian Open vor einem Jahr wieder einen Centre-Court betrat, die Schläger aus der Tasche nahm, die ersten Bälle schlug, waren die Gedanken beim Baby. Sie sei etwas besorgt gewesen, erzählte sie später: "Ich habe dauernd zu meiner Box hochgeschaut und gefragt: Ist alles in Ordnung mit ihr?" Offenbar fühlte sich die Kleine, umsorgt vom Tross der besten Tennisspielerin der Gegenwart, aber behaglicher als die Mama unten auf dem Platz.

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Denn einerseits war Serena Williams, 36, stolz, wieder zwischen den Linien zu stehen, anderseits zeigte der Schaukampf gegen Jelena Ostapenko, welche Arbeit nach der Wettkampfpause noch vor ihr liegt. Die 16 Jahre jüngere Ostapenko gehört zu den jungen Profis, die die Abwesenheit der Branchenbesten zum eigenen Fortkommen nutzten: Im Frühjahr gewann sie die French Open. Sie prügelt die Bälle mit einer enormen Präzision übers Netz, wie Williams, die nie zuvor ein Einzel gegen sie bestritten hatte, schnell erkennen musste. Den ersten Satz verlor die 23-malige Grand-Slam-Siegerin 2:6. Oft war sie einen Schritt zu spät, und ihrem Kanonenaufschlag fehlte noch die übliche Wucht.

Jelena Ostapenko lächelte beim Seitenwechsel still vor sich hin, was womöglich nur zum Teil an dem Antrittsgeld lag, das so kurz vor dem Jahreswechsel erheblich gewesen sein dürfte. Im zweiten Satz zeigte sich dann eher, warum Serena Williams ihren Sport fast zwei Jahrzehnte lang dominierte: Sie kam besser in Tritt, mal zauberte sie einen Lob über die Jüngere hinweg, mal sprintete sie zum Netz, um einen Stoppball zu entschärfen und gewann 6:3. Den folgenden Match-Tiebreak entschied Ostapenko dann allerdings 10:5 für sich.

Der 67-minütige Auftritt war Teil des Rahmenprogramms für die pompös klingenden Mubadala World Tennis Championship der Männer, ein Einladungsturnier, für das es keine Ranglistenpunkte gibt. Wie immer bei solchen Show-Veranstaltungen ließen sich kaum Aussagen über den wahren Leistungsstand treffen, auch die Rückkehrerin selbst verweigerte jegliche öffentliche Analyse: Sie werde ihre Vorstellung nicht beurteilen, erklärte Serena Williams, weil ihr der Vergleich fehle: "Ich habe jede Menge Comebacks nach Verletzungen und Operationen erlebt. Aber ich bin nie auf den Platz zurückgekehrt, nachdem ich ein Kind geboren habe. Und deshalb war es in meinen Augen einfach ein wunderbares Match für mich."

Eine Schwangerschaft ist schließlich von anderer Dimension als die verdrehten Knie, gerissenen Bänder, gezerrten Muskeln und Knorpelschäden, die in die Kategorie der gängigen Arbeitsverletzungen von rackenden Athleten fallen. Das Blutvolumen vergrößert sich. Der Hormonhaushalt wird umgestellt. Der Körper verändert sich. Das Herz pumpt für zwei. Serena Williams wusste schon, dass sie ein Kind erwartete, als sie Ende Januar 2017 in Melbourne gewann. Sie hat sich in den neun Monaten mit Tennis fit gehalten und das durchgehend dokumentiert: auf Instagram, aber auch in den großartigen Porträts, die Annie Leibovitz für die Vogue aufnahm und die sie im siebten Monat zeigen.

Sie ist nicht die erste Leistungssportlerin, die durchgehend einen speziellen Trainingsplan beibehielt. Die Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe, Mutter zweier Kinder, erzählte der BBC kürzlich, dass sie bis zum Geburtstermin täglich laufen ging, und sie hat sehr anschaulich die besonderen Erfahrungen einer hoch sportiven werdenden Mutter beschrieben: Die Muskelbalance zum Beispiel ändert sich, "nicht wegen des Gewichts, sondern weil sich das Baby bewegt". Radcliffe spürte jeden Morgen nach dem Aufwachen nach, in welcher Position sich das Baby befand und passte ihr Training entsprechend an.

Dass es möglich ist, mit Kinderkarre und Tennistasche Grand-Slam-Titel zu gewinnen, hat zuletzt die Belgierin Kim Clijsters bewiesen, als sie 2009 und 2010 die US Open sowie 2011 die Australian Open gewann. Selten aber hat sich eine Athletin schon nach vier Monaten wieder einem Duell gestellt. Ein heimliches Comeback hatte Serena Williams sogar schon ein paar Tage früher gegeben, sofern man der Londoner Zeitung Times glauben darf, die von einem Wohltätigkeitsturnier in Florida berichtete, das Golf-Legende Jack Nicklaus organisierte und bei dem sie, wie auch Andy Murray, ein wenig im Doppel mitspielte.

Ob das allerdings schon reicht, um in zwei Wochen den Titel von Melbourne zu verteidigen, ließ sie offen. "Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, auf die Tour zurückzukommen", sagte sie nach der Niederlage in Abu Dhabi: Sehr wohl wisse sie aber, dass sie nicht antreten werde, wenn sie nicht über eine entsprechende Wettkampfform verfüge. Sie wird nach ihrer Pause nur noch als die Nummer 22 der Welt geführt, aber sie hat nichts von dem Ehrgeiz verloren, der sie zur Primadonna ihres Sports machte. In der ewigen Bestenliste hat sie 2016 Steffi Graf mit ihren 22 Grand-Slam-Titeln eingeholt; während der Schwangerschaft ließ sie durchblicken, dass sie noch den Rekord von Margaret Smith Court (24 Titel) anstrebt. Die Ankunft von Alexis Olympia hat nun alles verändert - vielleicht aber auch nicht. "Es gibt nichts, was ich noch beweisen müsste", sagte Serena Williams. Andererseits: "Fertig bin ich noch nicht."

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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