Tennisprofi Dominic Thiem:"Ich habe gegen Djokovic nicht gezeigt, was ich kann"

French Open tennis tournament at Roland Garros

Dominic Thiem überraschte in Paris eine ganze Menge Leute - wie ergeht es ihm nun auf Gras?

(Foto: Caroline Blumberg/dpa)

Ein Österreicher im Halbfinale der French Open? Das gab es seit mehreren Jahren nicht mehr. Im Interview spricht Dominic Thiem über seinen Aufstieg - und die Umstellung zur Rasen-Saison.

Interview von Matthias Schmid, Stuttgart

Dominic Thiem ist der beste österreichische Tennisspieler seit Thomas Muster und Jürgen Melzer, in dieser Woche startet er beim Rasenturnier in Stuttgart. Nach seiner Halbfinalteilnahme bei den French Open wird der 22-jährige Wiener auf Rang sieben der Weltrangliste geführt. In diesem Jahr hat keiner so viele Spiele auf Sand gewonnen wie er - nicht einmal Novak Djokovic. Auf Gras hat er dagegen in seiner Karriere bisher erst zwei Matches für sich entschieden. Im SZ-Interview spricht Thiem über seinen aktuellen Erfolg und seine Spielweise.

SZ: Herr Thiem, in Stuttgart wollen Sie alle sehen, wenn Sie trainieren. Nur bei Roger Federer schauen noch mehr Menschen zu. Genießen Sie die neue Popularität?

Dominic Thiem: Die Zuneigung der Fans ist natürlich schön. Aber für mich ändert sich nicht wirklich etwas, wenn mir jetzt fünf Leute zuschauen oder 500. Trainieren muss ich trotzdem weiterhin gescheit, damit ich die gute und erfolgreiche Zeit noch eine Weile aufrechterhalten kann.

Mit der Halbfinalteilnahme in Paris haben Sie in Ihrer Heimat Sportgeschichte geschrieben, weil Sie nun Siebter der Weltrangliste sind - nur Thomas Muster war bisher als Österreicher besser platziert.

Das ist natürlich ein echter Meilenstein für mich. Es ist schon ein Riesenunterschied, ob man die Nummer sieben der Welt ist oder die 13, weil es so schwer ist, im Herrentennis in diese Dimension überhaupt vorzustoßen. Man muss dafür so lange konstant auf hohem Niveau spielen. Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dass ich schon mit 22 Jahren die Top Ten erreichen kann.

Nun beginnt mit der Rasensaison die schwerste Zeit für Sie. Wie kommt es, dass Sie auf diesem Untergrund erst drei Matches gewonnen haben?

Es ist halt etwas ganz anderes. Und die Umstellung ist um einiges größer als von Sand- auf Hartplatz oder umgekehrt. Das größte Problem für mich ist, dass der Belag meine Waffen mit dem Kickaufschlag und dem vielen Spin in meinen Grundschlägen ziemlich entschärft. Ich werde mich darauf einstellen müssen, dass es keine langen Ballwechsel mehr gibt, die Beinarbeit ist auch eine andere. Man muss tief in die Knie gehen und kann auch plötzlich Dinge machen, die man sonst nicht tun kann. Zum Beispiel den Ball einfach mal flach auf die andere Seite schieben. Auf Sand geht das nicht, da haut der Gegner dir einen solchen Ball gleich um die Ohren.

Thomas Muster behauptete mal, dass Gras nur für Kühe da sei.

Da kann ich ihm nicht zustimmen. Ich spiele extrem gern auf Rasen. Ich habe überhaupt nichts dagegen, es ist halt anders. Und ich muss jetzt viel darauf trainieren und brauche die Matches. Auf diesem Niveau habe ich hier noch nicht so viel gespielt und tue mich deshalb noch schwer.

Wann haben Sie denn das erste Mal auf Rasen gespielt?

Vor sechs Jahren war das, beim Juniorenturnier in Halle.

Gibt es denn keine Rasenplätze in Österreich?

Doch, es gibt da einige, aber die waren von meinem zu Hause zu weit weg.

Sie bringen eigentlich alles mit, um auf Rasen spielen zu können: Einen wuchtigen Aufschlag und ein gutes Flugballspiel. Beim Training in Stuttgart haben Sie hart und gerade durch die Mitte serviert. Warum nicht auch im Match?

Ich übe es. Aber wenn ich voll durchziehe, erreiche ich keine so hohe Quote an ersten Aufschlägen, was auf Sand wichtig ist. Auf Rasen muss ich aber viel häufiger einen geraden Aufschlag spielen, damit ich mehr freie Punkte habe und meine Ergebnisse auf Rasen auch endlich verbessern kann.

"Nadal ist sicher ein Vorbild"

Auch an Ihrem Stoppball haben Sie gefeilt?

Er ist ein gutes Mittel auf Rasen, weil er so nieder abspringt und der Boden oftmals so rutschig ist. Der Gegner kommt dann nicht so schnell weg vom Fleck.

Sie trainieren so was sehr intensiv. Ihr Trainer Günter Bresnik gilt nicht als Freund von lockerem Training. Sehen Sie das genauso?

Eigentlich schon. Am mühsamsten sind für mich der Jetlag und die vielen Reisen, nicht das Training. In Europa fällt diese Plackerei zum Glück weg. Für mich ist es deshalb einfacher, ohne Pausen durchzuspielen. Und wenn man viele Matches hat, zeigt das ja auch, dass man viel gewonnen hat, das ist immer positiv. Dann wird man nicht müde. Dann bleibt das Selbstvertrauen weit oben. Schwierig wird es nur, wenn man in eine Negativspirale gerät, ein paar Erstrundenpartien hat und eine Woche auf das nächste Match warten muss, das laugt einen dann mental aus.

Wie erschöpft waren Sie denn im Paris-Halbfinale gegen Djokovic?

Das Viertelfinale zuvor gegen Goffin hat tatsächlich sehr viel Energie gekostet. Ich betrachte das Match gegen Djokovic daher inzwischen eher nüchtern. Natürlich war das Halbfinale super für mich, aber das Ganze hat auch einen bitteren Beigeschmack, weil die Niederlage gegen Novak relativ glatt war und ich nicht gut gespielt habe. Wenn ich besser aufgetreten wäre, hätte ich die French Open mit einem glücklicheren Gefühl verlassen. Ich habe definitiv im Semifinale gegen Djokovic nicht gezeigt, was ich kann.

Auf Rasen können Sie es nun geradebiegen und es wie Rafael Nadal machen, der als Sandplatzspieler zweimal Wimbledon gewann. Taugt er als Vorbild?

Sicher. Der hat auch eine längere Zeit gebraucht, bis er auf Rasen gut gespielt hat. Er hat sich auf Sand wie ich am wohlsten gefühlt und ist für mich deshalb ein Vorbild, weil er mir gezeigt hat, dass man auch als guter Sandplatzspieler exzellent auf Gras spielen kann. Aber es ist nicht schlecht für mich, dass ich auf Rasen auch mal ohne die ganz große Erwartungshaltung in die Turniere gehen kann und es keine Katastrophe ist, mal früher zu verlieren. Aber irgendwann will ich auch mal bei solchen Turnieren sehr weit kommen.

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