Tennisprofi Alexander Zverev:"Vielleicht das beste Tennis meines Lebens"

Tennis: Zverev - Wawrinka

"Ich denke, es wird ein aufregendes Jahr für mich": Alexander Zverev besiegte in Miami Stan Wawrinka.

(Foto: dpa)
  • Alexander Zverev siegt beim Tennis-Turnier in Miami in drei Sätzen gegen den an Nummer eins gesetzten Schweizer Stan Wawrinka und erreicht das Viertelfinale.
  • Ein Trend setzt sich somit fort: Die Sterne am Tennishimmel geraten näher und näher für das größte Talent Deutschlands.
  • Keine Entwicklungskurve im Tennis geht derart sukzessive nach oben wie die von Zverev.

Von Gerald Kleffmann

Nach dem nächsten speziellen Moment seiner jungen Profikarriere trat Alexander Zverev vor die Medienvertreter in Miami. Natürlich lächelte er, der Geburtstagsschreck, er hatte ja seinem Gegner Stan Wawrinka dessen 32. Ehrentag ordentlich vermiest. Oder doch nicht? "Ich weiß nicht, ob ich ihm die Party verdorben habe", fiel Zverev süffisant ein, "ich denke, er kann jetzt sogar etwas mehr feiern."

Mit 4:6, 6:2, 6:1 hatte der 19-Jährige aus Hamburg beim ATP-Turnier der 1000er-Kategorie, die direkt nach den vier Grand Slams gelistet ist, den an Nummer eins gesetzten Schweizer besiegt - ja, am Ende gar beherrscht, als wäre nicht Wawrinka der Mann mit den drei Grand-Slam-Titeln. "Ich bin sehr glücklich", gab Zverev zu. "Nach dem ersten Satz spielte ich vielleicht das beste Tennis meines Lebens."

Zverevs chronischer Hunger nach mehr

Ein Trend setzt sich somit unverändert fort: Die Sterne am Tennishimmel geraten näher und näher für das größte Talent Deutschlands, das selbstredend längst zu den größten Versprechungen der Branche zählt. Keine Entwicklungskurve geht derart sukzessive nach oben wie die von Zverev. Nun hat er die nächste Sprosse erreicht. Erstmals steht er im Viertelfinale einer Veranstaltung dieser Größenordnung.

"Großartig" sei das, versicherte er, aber schob auch rasch nach: "Ich hoffe, dass ich noch einige Matches gewinnen kann." Dieser Hunger nach mehr ist nicht antrainierbar, und genau mit diesem Hunger fällt Zverev chronisch auf. Als er die Top 100 und Top 50 erreicht hatte, war er nicht zufrieden. Als er 2016 seine ersten Finals spielte und verlor, in Nizza und Halle, grämte er sich. Als er im September des vergangenen Jahres in St. Petersburg seinen ersten Titel errang, als er Wawrinka im Endspiel bezwang, sah er sich endlich in seiner liebsten Pose: in der des Siegers.

Ein Geheimtipp auf Platz eins der Weltrangliste ist Zverev längst nicht mehr. Bei den Australian Open in Melbourne bot er dem späteren Finalisten Rafael Nadal faszinierend intensive Gegenwehr und verlor hauchdünn im fünften Satz. Während ihn alle Welt lobte, war er geknickt und sprach: "Ich hätte gewinnen können. Das ist enttäuschend." Sein Bruder Mischa, zehn Jahre älter, auch Profi und der zweite, wenngleich nicht ganz so spektakuläre Teil der Erfolgsgeschichte der Zverevs, schilderte kürzlich im Tennis Magazin eindrucksvoll, wie Alexander ticke: "Wenn beim Training etwas nicht klappt, dann wird er es fünf Stunden versuchen. Da kann die Sonne schon untergegangen sein. Er würde auch mit Teelicht noch spielen."

Zverev trifft nun auf das andere riesige Talent der Szene

Für Vater Alexander, ein vorzüglicher Spieler zu UdSSR-Zeiten und mit Ehefrau Irena sowie Mischa von Moskau nach Hamburg einst umgezogen, ist der junge Sohn ein Musterschüler. Er muss ihn nie antreiben. In den Wintermonaten vor dem jährlichen Saisonstart zieht sich der Clan inzwischen nach Florida zurück, Alexander und Mischa machen stets Grundlagentraining und vor allem körperliche Aufbauarbeit, unter der strengen Anleitung des Fitnessgurus Jez Green, einst in Diensten von Andy Murray.

Dank neuer Ausdauer kann Alexander Zverev nun Matches wie gegen Nadal durchstehen, in Miami holte er in zwei Partien jeweils einen 0:1-Satzrückstand auf. Gegen den Amerikaner John Isner in der Runde zuvor wehrte er gar drei Matchbälle ab. Sein Spiel ist kein ungestümes Gehämmer. Er baut Punkte geduldig mit Winkelspiel auf und beißt dann bei der richtigen Gelegenheit zu wie eine Kobra.

Zverev führt seine Steherqualitäten auch auf einen auf höchstem Niveau oft ausschlaggebenden Aspekt zurück. "Du musst gegen diese Jungs mental dranbleiben", erklärte er, "sonst reißt du ab und es ist sofort vorbei." Mischa hat ihm viel beigebracht, Alexander kennt das Tourleben bereits, seit er ein Kind war. Patricio Apey, der eloquente, fuchsschlaue und auch rigorose Manager Zverevs , der den Masterplan für die langfristige globale Vermarktung seines Mandanten entworfen hat, nennt die riesigen Tennisarenen Zverevs "natürliche Umgebung". Sie schüchtere ihn daher nicht ein. Vielmehr sei er für diese geschult und quasi bestimmt. Viele Jahre drehte sich bei den Zverevs das meiste um Mischa, der aufgrund seines Alters schon eine Generation früher seine Erfahrungen sammelte.

Nun ist es Alexander, der in eine eigene Dimension aufbricht - und nebenbei, das war ja das durchaus Spektakuläre, Mischa seinerseits zuletzt wieder mit nach oben zog. Der stand als einziger Deutscher in Melbourne im Viertelfinale. Im Viertelfinale von Miami trifft Alexander Zverev nun auf den Australier Nick Kyrgios, 21, vor zwei Wochen verlor er gegen das andere riesige Talent und den Bad Boy der Szene, in Indian Wells. "Das war eines meiner schlechtesten Matches", meinte er. Niederlagen nimmt er richtig persönlich. Noch einmal wird er sicher nicht so spielen wie beim 3:6, 4:6. Zverev ist einer, der in atemberaubendem Tempo lernt. "Ich denke, es wird ein aufregendes Jahr für mich", hatte er im Januar gesagt. Zverev weiß auch, dass die Sterne auf ihn warten.

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