Tennispolitik:Djokovic als Revoluzzer?

ATP-Tour - Australian Open

Novak Djokovic: Anführer der sich finanziell minderprivilegiert Fühlenden?

(Foto: Dita Alangkara/dpa)

Tennisprofis fordern gerechtere Verteilung von Turniererlösen. Sie finden, dass sie im Vergleich zu US-Sportlern wie jenen aus der NBA zu kurz kommen.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Sechs Monate war Novak Djokovic weg, der sechsmalige Sieger dieser Australian Open, nun ist er zurück in Melbourne. Die Ellbogenverletzung ist verheilt, seine Aufschlagbewegung stark verändert, in Radek Stepanek hat er einen weiteren Trainer (neben Andre Agassi) - und doch ging es am Dienstag verhältnismäßig kurz um sein Tennis. Nachdem er betont hatte, wie zufrieden er sei mit dem 6:1, 6:2, 6:4 in der ersten Runde gegen den Amerikaner Donald Young, gab es Diskussionsbedarf. Der Auslöser: die angeblich von ihm angeführte Revolte zur Gründung einer neuen Spielerunion, die mehr Preisgeld von Turnieren erzwingen soll.

Djokovic trat, wie die englische Daily Mail als erstes Medium berichtete, am Freitag vor dem Turnier bei einem Meeting aller Spieler vor die Profis und hielt einen Vortrag. Als Präsident des Spielerausschusses (Players Council) bat er angeblich die Offiziellen der ATP (Association of Tennis Professionals) und vom Veranstalter Tennis Australia, den Raum zu verlassen. An der ATP, 1972 gegründet, sind die Spieler zu 50 Prozent beteiligt. Die andere Hälfte gehört den Turnieren. Djokovic gehe es vor allem um eine gerechtere Ausschüttung etwa bei Grand-Slam-Events, den vier größten Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York, hieß es. Und angeblich nicht um sich selbst; er hat bis heute mehr als 100 Millionen Dollar eingespielt.

Tennis boomt seit Jahren weltweit, auch wirtschaftlich, weshalb die Preisgelder stetig steigen. Erstrunden-Verlierer bei Grand Slams erhielten vor fünf Jahren 16 000 Euro, nun sind es 40 000. Craig Tiley, Turnierdirektor in Melbourne, hatte - ehe Djokovic intern auftrat - vor den 100 anwesenden Profis angekündigt, das gesamte Preisgeld der Australian Open in den nächsten fünf, sechs Jahren fast verdoppeln zu wollen: von derzeit 35 Millionen Euro auf 65 Millionen Euro. Das klingt gigantisch, sei aber - so Djokovic' kolportierte Kritik - prozentual nicht vergleichbar mit den Gewinnen, die die Grand Slams als Geldmaschine erzielen. Es heißt, dass 15 bis 28 Prozent der Einnahmen bei ATP-Turnieren an die Spieler fließen, aber nur sieben bis zehn Prozent bei Grand Slams.

Kaum ein Profi wollte sich zu dem hochpolitischen Thema äußern. Klar ist aber, dass innerhalb der ATP die Spieler weniger Druck ausüben können, da die Turnierveranstalter sie bremsen können. Der Amerikaner Ryan Harrison, in Melbourne in der zweiten Runde, verwies auf andere Sportligen wie die US-Basketballliga NBA, wo die Spieler wesentlich stärker an den Geldflüssen teilhaben. Der Serbe Viktor Troicki, mit Djokovic befreundet, sagte als Einziger öffentlich: "Ich finde, der Anteil der Einnahmen, den wir bei den Grand Slams kriegen, ist lächerlich."

Djokovic selbst wurde natürlich bei seiner ersten Pressekonferenz nach seiner Ansprache auch dazu befragt. Er bestätigte die internen Konfliktthemen, aber er dementierte auch viele Aspekte der dargestellten Versionen. So hätte er niemanden aus dem Raum komplimentiert, es sei auch nicht zum Boykott der Australian Open 2018 aufgerufen worden, wie berichtet wurde. Diverse Schilderungen seien "übertrieben" und "aus dem Kontext" gerissen worden. Es blieben viele Unklarheiten, fest steht aber: Im Männertennis rumort es.

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