Tennis:Der Davis Cup braucht "neues Make-up"

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Alexander Zverev (l.) verlor sein Duell gegen Rafael Nadal in drei Sätzen. (Foto: REUTERS)
  • Das 3:2 Spaniens gegen Deutschland im Davis Cup werten deutsche Tennisfunktionäre als eine Botschaft gegen Radikalreformen des Davis Cups.
  • Der Chef des Tennis-Weltverbands, David Haggerty, will einen World Cup of Tennis statt des 117 Jahre alten Davis Cups.
  • Boris Becker, der das deutsche Team berät, ließ sich in Valencia zu einer Liebeserklärung an den Wettbewerb hinreißen.

Von Philipp Schneider, Valencia

Michael Kohlmann sah so aus, als stürze er sich mit großer Freude auf das Mikrofon eines TV-Senders, das ihm in diesem rundum wunderbaren Moment entgegengereicht wurde. Kohlmann stand am Samstag inmitten der in eine Tennisarena verwandelten Stierkampfarena von Valencia. Es war wieder etwas ruhiger. Die spanischen Zuschauer hatten ihre Sitzbänke fast fluchtartig verlassen, nachdem das spanische Spitzendoppel Marc und Feliciano Lopez gegen das deutsche Anarchodoppel Jan-Lennard Struff und Tim Pütz, die Nummern 50 und 120 der Welt, in fünf Sätzen verloren hatte. Fast fünf Stunden lang hatten zuvor die partyerprobten Valencianos die Arena in ein spanisches Volksfest verwandelt, mit Kapelle und Gesang. Und nun stand da also Kohlmann, der Teamchef des deutschen Davis Cup Teams, er sagte: "Grüße an David Haggerty. Genau das ist Davis Cup". Dann lächelte er.

Das Video von Kohlmanns doppelbödiger Botschaft an den Chef des Tennis-Weltverbands ITF verbreitete sich rasant. Was auch daran lag, dass es Lleyton Hewitt aufgriff, die ehemalige Nummer eins der Welt, und auf Twitter teilte. Der Australier ist einer der lautesten und prominentesten Gegner der Radikalreformen, die Haggerty Anfang des Jahres für den Davis Cup angeregt hatte.

Und so kam es, dass der eher leise und bescheidene Kohlmann unversehens im Mittelpunkt einer Debatte stand, die seit Wochen an Lautstärke zunimmt und die noch weiter anschwillen wird - ehe im August die Nationalverbände darüber abstimmen werden, ob aus den vier K.-o.-Runden mit Länderspielen einer Heim- und einer Auswärtsmannschaft ein sogenannter World Cup of Tennis werden soll. Diesen sollen, so will es Haggerty, zum Saisonabschluss die besten 18 Länderteams an einem Ort austragen. Zehntausend Spanier, die bei einem Heimspiel in der Stierkampfarena von Valencia Rafael Nadal und Lopez/Lopez huldigen, würde es dann wohl nicht mehr geben.

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Das Team um Alexander Zverev unterliegt Spanien. Das entscheidende Match zwischen Kohlschreiber und Ferrer gerät zu einem fulminanten Krimi.

Am Sonntag legte Ulrich Klaus nach, der Präsident des Deutschen Tennis-Bund. "Der Wettbewerb benötigt kleine Anpassungen, die mit Bedacht ausgeführt werden. Aber keine radikale Reform, die eine mehr als 100 Jahre alte Tradition, einen der ältesten und prestigeträchtigsten Länderkämpfe im Sport, kaputtmacht." Der Moment war wie geschaffen zur Kritik an den ITF-Plänen. Das hatten sie beim DTB erkannt.

Bei Spaniens 3:2 gegen Deutschland zeigt sich der Kern des Davis Cups

An diesem Wochenende in Valencia, in einem Viertelfinale, das die Spanier so knapp wie überhaupt möglich mit 3:2 gegen Deutschland gewannen, ließ sich der Kern des 117 Jahre alten Davis Cup wie unter einem Brennglas beobachten. Die Prinzipien, die ihn an guten Tagen auszeichnen: die einzigartige Atmosphäre, enge Matches, Spannung über drei Tage, bis zum fünften Satz des letzten Einzels. Aber auch seine Probleme, wegen derer es unstrittig ist, dass das Format in seiner gegenwärtigen Format zumindest sanft reformiert werden sollte.

Alexander Zverev, der deutsche Spitzenspieler, der am Sonntag nach seiner klaren Dreisatz-Niederlage gegen Rafael Nadal unter schweren Augenlidern hervorschaute, aber noch die Kraft besaß, eine lange Rede darüber zu halten, wie müde er, wie heftig sein Jetlag und wie wenig roboterhaft sein Körper doch sei, schuf eines der Bilder, die bleiben. "Was Sascha macht, das ist nicht zu unterschätzen und nicht gut für seinen Körper", sagte Kohlmann. Es war Lob und Mahnung zugleich. Er klang wie ein Chef, der sich einerseits über den Fleiß und die Überstunden seines Angestellten freut, gleichzeitig aber befürchtet, dass dieser irgendwann mit Burnout ein paar Monate ausfallen könnte.

Zverev hatte am Sonntag noch ein Finale in Miami gespielt, am Abend stieg er in Florida in den Flieger. Hätte er gegen John Isner gewonnen, hätten sich die Feierlichkeiten so in die Länge gezogen, dass er erst am Dienstag in Valencia eingetroffen wäre und nicht schon am Montag. Dazu kam die plötzliche Umstellung von Hartplatz auf Sand. Am Sonntag, nach seinem zweiten Einzel innerhalb von 48 Stunden, war Zverev so platt wie ein drei Wochen zu lang geprügelter Tennisball. Er werde nun in die Heimat fliegen, kündigte Zverev an. "Ich liege nur im Bett und spiele ein bisschen Golf vielleicht." Das sei ihm gegönnt. Hauptsache, er kommt wieder.

Es sei für einen Top-Spieler wie Zverev halt "schwierig, sich zum Davis Cup zu bekennen. So etwas kann man nicht verlangen, und schon gar nicht jedes Jahr", sagte Kohlmann. Wer sich noch erinnert, wie Kohlmanns Vorgänger reihenweise daran verzweifelten (und teilweise deshalb ihr Amt räumen mussten), die Kohlschreibers, Kiefers und Haas' zur Teilnahme am Davis Cup zu ermuntern, der kann sich nur wundern, wie sehr sich die öffentliche Debatte zur Freude der Spieler gewandelt hat.

Jeder weiß, dass der Davis Cup nur funktionieren kann, wenn die besten Spieler der Welt antreten. Wenn der Nationenwettbewerb nicht verkommt zum Schaulaufen auf der Resterampe.

Boris Becker, der dem deutschen Team seit vergangenem Jahr als Kopf des Männertennis beratend zur Seite steht, ließ sich in Valencia zu einer Liebeserklärung an den Davis Cup hinreißen. "Wenn du am Ende deiner Karriere deine Erfolge aufzählst, dann hast du, wenn du Glück hast, einen Turniersieg. Wenn du noch mehr Glück hast, hast du einen Sieg bei einem Grand Slam. Und wenn du unglaublich viel Glück hast, dann hast du einen Davis-Cup-Sieg. In der Reihenfolge." Allerdings, und das sei schon zu seiner Zeit als Profi das Ärgernis am Davis Cup gewesen, hätten die für ihre Nationen antretenden Spieler ein "Zeitproblem". Deshalb gebe es "einige Topspieler, die mal aussetzen. Auch ein Becker hat mal ausgesetzt, als er den Davis Cup schon gewonnen hatte und wurde dafür kritisiert." Nichts herrlicher, als wenn Becker über sich in der dritten Person spricht. Man ahnt sofort: Jetzt geht es um die wahrhaftig großen Themen.

Der Davis Cup, sagt Becker, braucht "neues Make-up", um die Spieler zu entlasten. Die Frage sei allerdings: "Wo fängst du an herumzudoktern?" Denkbar sei, den Freitag als Spieltag zu streichen und stattdessen, wie die Frauen im Fed Cup, alle Partien am Samstag und Sonntag auszutragen. Auch eine Verkürzung der Matches von drei auf zwei Gewinnsätze sei ein Szenario. "Kann man auch mal überlegen. Wenn du zehn Leute fragst, bekommst du zehn verschiedene Meinungen."

Den Teamkapitän Kohlmann stört an Haggertys Vorschlag vor allem der späte Termin am Ende des Jahres. "Die Saison ist ohnehin schon sehr lang, und noch nie gab es so viele verletzte Spieler wie jetzt. Wenn nun 18 Nationen mit vier oder fünf Profis am World Cup teilnehmen, dann bedeutet das, das zwischen 60 und 70 Tennisprofis vier Wochen länger trainieren müssen und kaum noch eine Regenerationspause haben. Da kann man die Uhr danach stellen, wann die nächsten Verletzungen kommen."

An Rafael Nadal ließ sich am Wochenende beobachten, wie der Davis Cup in einer perfekten Welt immer aussehen würde. Wie ein Derwisch sprang der 31-Jährige an seinem einzigen spielfreien Tag am Spielfeldrand auf und ab, als er tatenlos mit ansehen musste, wie Lopez/Lopez gegen ein Doppel verloren, das aus guten Gründen den Spitznamen Tim und Struffi trägt. Nadal war so sehr in Bewegung, dass man meinte, er sehe sich gerade selbst dabei zu, wie er ein Grand Slam Finale gegen Roger Federer spielt. Er, Nadal, Weltranglistenerster, zehnmaliger Gewinner der French Open, er "ging ab, hat reingeschrien", wie Kohlmann lobend anerkannte. "Er hasst es halt zu verlieren." Und man vergisst ja manchmal, dass Rafael Nadal den Davis Cup so sehr liebt, dass er ihn viermal gewann.

© SZ vom 10.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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