Tennis:Glücklich auf dem Bauch

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Spezielle Erfolge in nur einem Turnier: David Goffin schaffte in London das Kunststück, Rafael Nadal und Roger Federer zu besiegen. (Foto: Clive Brunskill/Getty Images)

Der Belgier David Goffin besiegt bei den ATP Finals in London zwar Rafael Nadal und Roger Federer, doch den Titel muss er dem Bulgaren Grigor Dimitrov überlassen.

Von Gerald Kleffmann, London/München

Vieles war wie so oft an diesem Abend. Auf den besseren Plätzen saßen Prominente, David Beckham etwa schaute vorbei mit Sohn Romeo, auch der Schauspieler Patrick Stewart gönnte sich einen Ausflug in die O2-Arena in London. Womöglich hatten auch sie auf ein spezielles Duell gehofft, als sie ihren Besuch geplant hatten, doch im Endspiel dieser ATP Finals standen sich am Sonntagabend doch nicht die beiden prägenden Darsteller der Tennissaison 2017, Roger Federer und Rafael Nadal, gegenüber. David Goffin gegen Grigor Dimitrov, so lautete nach einer Woche, in der nicht jedes Match hochwertig war, der letzte Akt. Der Bulgare Dimitrov, aktuell der Tennisprofi mit der wohl besten Athletik, hatte sich im Halbfinale gegen den Amerikaner Jack Sock mit 4:6, 6:0, 6:3 durchgerackert. Der Belgier Goffin hatte Federer seinerseits bezwungen, 2:6, 6:3, 6:4 - nachdem er in der Gruppenphase Nadal besiegt hatte (der dann verletzt aus dem Turnier ausstieg).

Die Stimmung war trotz der zwei Überraschungsteilnehmer ausgezeichnet, was vor allem an den verstreut sitzenden bulgarischen Fans lag, die laut ihre Sympathien bekundeten. Und Dimitrov, in der Heimat eine Berühmtheit, auch wenn er in Monaco lebt, erfreute sie. Der 26-Jährige sicherte sich mit 7:5, 4:6, 6:3 den größten Titel seiner Karriere. Die einstige Nummer eins der Jugendweltrangliste kassierte als ungeschlagener Champion samt der drei Gruppenspiele 2,5 Millionen Dollar. Glücklich lag er nach dem Matchball auf dem Bauch. Den Pokal überreichte Boris Becker.

Wie sich Besetzung und Dramaturgie beim Turnier der besten Acht entwickelten, belegte, dass am Ende der langen Saison die Kraftreserven zu Faktoren wurden. Diverse Spitzenkräfte wie Novak Djokovic, Stan Wawrinka und Andy Murray fehlten verletzt. Selbst in einem Jahr ohne viele Schwächen und Probleme wurden Nadal und Federer auf unterschiedliche Art eingeholt, der eine gesundheitlich, der andere glänzte diesmal im letzten Moment nicht spielerisch. Federer selbst monierte seine Aufschlagqualität bei der Niederlage gegen Goffin. Der Österreicher Dominic Thiem zeigte seinerseits Schwächen von der Grundlinie, der Hamburger Alexander Zverev ließ bei seinem London-Debüt gegen Federer und Sock in den dritten Sätzen nach, dem Kroaten Marin Cilic fehlte Konstanz. Ein wenig bröselte die Weltspitze auf den letzten Metern auseinander.

Federer, nach sechs Monaten Pause im Januar 2017 furios zurückgekehrt, wusste aber die Überhöhung, die ihm oft zuteil wird, einzuordnen: "Manchmal werde ich wie ein Genie dargestellt. Du pausierst, kommst zurück, bist wieder gut. So funktioniert das nicht einfach." Umso interessanter wird der Start der Saison 2018, dann kehren die vielen namhaften Verletzten zurück. Nicht wenige haben die Pausen für Veränderungen im Team genutzt.

Andy Murray, wegen Hüftbeschwerden abstinent, trennte sich zum zweiten Mal von Trainer Ivan Lendl. Nadals Onkel Toni überlässt nun endgültig Carlos Moya die Führung von Rafael Nadal. Dies war keine Überraschung, anders als das Aus des Duos Stan Wawrinka/Magnus Norman. Der Schwede will sich mehr um die Familie kümmern, und noch hat der Schweizer Wawrinka, der mit Norman drei Grand Slams gewann, keinen Nachfolger. Der Kanadier Milos Raonic, aufgrund einer Verletzung am linken Handgelenk unpässlich, beendete die Arbeit mit dem Italiener Riccardo Piatti. Novak Djokovic immerhin, wie Murray nebenbei zum zweiten Mal Vater geworden, reist auch 2018 mit Andre Agassi zu den großen Turnieren; jüngst hat der Serbe, am Ellbogen verletzt gewesen, erstmals nach Monaten auf dem Platz trainiert. Noch dünner als zuvor wirkte er.

Die Wiedervereinigung der Rekonvaleszenten fällt dann in eine spezielle Saison. Es wird die letzte nach dem seit Jahren gängigen Turnierkalender sein. Ab 2019 soll ja manches anders werden, in London hatten sich diverse Spieler aus dem Players Council, die weltweit angereisten Turnierdirektoren sowie Funktionäre der ATP in Arbeitsgruppen getroffen, um über mögliche Änderungen zu debattieren. Bislang werden diese Themen wie ein Staatsgeheimnis behandelt, nach außen drang aber bereits, dass sich zum Beispiel das Turnier in Shanghai, das zur Masters-Serie zählt, ein größeres Startfeld (96er) wünscht und damit auch auf zusätzliche Turniertage hofft. Rom und Madrid wiederum wollen ebenfalls ein Event über zehn Tage werden. Nach den vier Grand Slams gibt es drei Turnierkategorien, die 1000er (Masters), die 500er, die 250er; die Sieger erhalten jeweils 1000, 500 oder 250 Punkte. Um die kleineren 250er, zu denen etwa die Turniere in München und Stuttgart zählen, besser von den Challengers eine Etage tiefer abzugrenzen, die immer hochwertiger werden, könnten sie auf 350er Status hochgestuft werden. Und die 500er, etwa Hamburg und Halle, könnten 750er werden. Das ATP-Finale gilt erst mal bis 2020 als unantastbar, so lange laufen die Verträge.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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