Tennis:Wohlfühlen auf dem Killesberg

Mit der Erstausgabe auf Rasen gelingt den Stuttgarter Veranstaltern die Wiederbelebung ihres Tennisturniers. Am Ende gewinnt der Favorit Rafael Nadal souverän.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart

Die Welt auf dem Killesberg ist zweifellos heilerer Natur, davon künden schon Einfahrtsbereiche zu Häusern, die an die der Southfork Ranch des herrlichen TV-Ekels J.R. Ewing erinnern. Aber an diesem Sonntagmorgen strahlt Stuttgarts Edelecke noch eine Nuance mehr Besonderheit aus. Einer wie Toni Nadal sitzt ja nicht jeden Tag im Klubhaus des TC Weissenhof auf der Terrasse, die Skyline Stuttgarts wie eine Tapete im Rücken, und plaudert mit Trainerkollege Francisco Roig, der zum Team gehört. Ihr Mandant Rafael Nadal ist noch nicht zu sehen, aber wie sehr die Anwesenheit dieses Ausnahmesportlers bereits zu spüren ist, bezeugen die Besucher, die emsig herumtigern, obwohl noch lange nicht gespielt wird. Viele Zuschauer, wird der Turnierchef Edwin Weindorfer später sagen, hätten sich, da der Center Court seit Donnerstag ausverkauft war, gar Groundtickets geleistet. "Sie wollten nur rumlaufen, das Training einiger Profis und die Atmosphäre auf der Anlage genießen", sagte der Österreicher.

Nächstes Jahr werde das Teilnehmerfeld noch besser, prophezeit der Veranstalter

Diese Veranstaltung 2015 war ja wirklich interessant. Das lag an Halmen. Und an diesem Spanier aus Manacor.

Nadal, 29, hat den Organisatoren jedenfalls einen mächtigen Gefallen getan und bei der Premiere des Rasenturniers der 250er Kategorie gleich reüssiert. In mehrerlei Hinsicht. Nadal, der 14-malige Grand-Slam-Champion, ließ sich im Jet einfliegen, nahm an allen offiziellen Veranstaltungen teil, überstand seine ersten beiden Matches in jeweils drei Sätzen und rang Viktor Troicki im Finale 7:6 (3), 6:3 nieder. Der 29-jährige Serbe wäre auch ein spezieller Sieger gewesen, er war mal lange gesperrt gewesen, wegen einer seltsamen Dopingprobengeschichte. Nadal aber ist der bessere Sieger, zumindest aus Sicht der Ausrichter in Stuttgart.

In diesem Jahr ging es immerhin darum, das seit 1979 als Mercedes-Cup existierende Profiturnier zu reanimieren. Das ist gelungen, die Veranstaltung, die lange funktionierte und dann unter Identitätsverlust litt, hat ihren Platz in der Nische wiedergefunden. Die resümierenden Lobhudeleien, die sonst eher nach Pflicht klingen, besaßen diesmal eine hohe Glaubwürdigkeit. Es ist zum Beispiel nicht immer üblich, dass sich der Supervisor der Männertour ATP final äußert, Mark Darby ließ nun erfreut wissen, dass "die Spieler das Turnier extrem gelobt" hätten, viele seien "selbst nach ihrer Niederlage geblieben, um zu trainieren". Philip Brook, Chairman in Wimbledon, war gar nur für diesen Sonntag eingeflogen. "Very pleased", sehr angetan, war ATP-Mann Darby insgesamt, und dieses Urteil zauberte natürlich Weindorfer ein Lächeln ins Gesicht.

Zwei Millionen Euro hatte er in den Rasen-Relaunch investiert, sich von Wimbledons Greenkeepern beraten und den beim berühmtesten Rasenturnier verwendeten Samen auf dem Killesberg sprießen lassen. Seit 2007 ist Weindorfer mit seiner Agentur in der Verantwortung - 53 800 Besucher konnte er nie verbuchen, bis jetzt. "Das Event ist so eine Aufwertung der ATP-Lizenz", sprach er; die Rechte der Veranstaltung hat er vom TC Weissenhof übernommen. Und weil Weindorfer auch ein Stratege ist, der den Preis für zukünftige Lizenzpreisverhandlungen sicherlich nicht zu hoch treiben will, ergänzte er rasch: "Es ist eine Win-Win-Situation für alle." Gert Brandner, Vorsitzender des TC Weissenhof, strahlte neben ihm.

Aber Weindorfer hatte ja recht. Das Finale wurde von 100 Fernsehsendern übertragen, die New York Times berichtete per Ortsbesuch groß über jenes Turnier, das zuvor stets nach Wimbledon im Windschatten stattfand und plötzlich zum Geheimtipp unter Profis mutiert ist. Weindorfer sagte mit Stolz, er habe Topspieler wie Gilles Simon, der nur zum Doppelspielen und Trainieren gerne angereist wäre, ablehnen müssen. Das Feld war zu, die Wildcards vergeben. Zwar rechnete sich seine Investition in Nadal "punktuell nicht", wie er meinte. Das lag etwa daran, dass die Fernsehgelder schon austariert waren, und "Nadal ist durchs Ticketing allein nicht zu bezahlen", erklärte Weindorfer; der Center Court mit 6000 Plätzen gibt ein Limit vor. Dass er aber den Spanier zu dem aufbaut, was Roger Federer in Halle beim dortigen Rasen-Event darstellt, ein Botschafter höchster Güte, dürfte sich "langfristig schon" rechnen. Nadal schwärmte nach seinem 66. Profi-Triumph von einer "extrem tollen Woche". "Er hat hier nicht den Druck eines Grand Slams", das hatte Weindorfer zuvor noch gesagt. So gab sich Nadal auch.

Wenn der Mallorquiner schlau ist, wird er nicht herumerzählen, wie er verwöhnt wurde im Schwabenland, mit Annehmlichkeiten, Aufmerksamkeit und Geld, aber vielleicht ist es dafür zu spät. 2016, versprach Weindorfer, werde sein Feld "noch besser". Und das Beste: Wo sich Topspieler um Startplätze balgen, sinken die Antrittsgagen, "nicht die ganz hohen Garantien" seien dann erforderlich. Drei aus den Top Ten hätte man gerne, aber auf Nadal, das betonte Weindorfer, setze man. Dafür spricht ja auch die Zusammenarbeit des Veranstalters mit Toni Nadal, die seit 2013 das Nachwuchsprojekt "The Making of a Wimbledon Champion" initiiert haben. Die Pointe schlechthin wäre, wenn Rafael Nadal selbst Anfang Juli auf jenen Ort verweisen könnte, wo er nach fünf erfolglosen Gras-Jahren wieder Rasen-Glück zurückfand: auf den Killesberg.

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