Tennis:Wimbledon opfert den Sonntag

Wimbledon - All England Lawn Tennis & Croquet Club

Wimbledon: Gerade eher ein Ort für Hallensport

(Foto: REUTERS)
  • Jeden Tag müssen in Wimbledon weitere Spiele wegen des Regens verschoben werden - nun kommt es zu einem äußerst seltenen Szenario: Sonntag wird gespielt, zum vierten Mal in der Geschichte. Ansonsten wird das Turnier nicht rechtzeitig fertig.
  • Dustin Brown verliert nach fünf Sätzen gegen Nick Kyrgios, fünf deutsche Frauen stehen in der dritten Runde.
  • Alle Ergebnisse finden Sie hier.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Die skurrilsten Sekunden ereigneten sich auf dem No.1 Court, Venus Williams wird diesen Moment sicher so schnell nicht vergessen. Die Amerikanerin, Schwester von Serena Williams und ebenfalls mehrmalige Grand-Slam-Gewinnerin, hatte Matchball. Sie führte 7:5, 4:6, 7:6 und 40:30 gegen die Russin Daria Kasatkina. Sie stellte sich zum Return an die Grundlinie, sie blickte konzentriert. Bereit für den letzten Punkt. Das nächste, was sie tat, war die Tasche zu packen und zu gehen.

Von oben stürzten die Regentropfen nur so hinab in das zweitgrößte Stadion im All England Lawn Tennis and Croquet Club. Abbruch aller Spiele am Freitagnachmittag, mal wieder.

Wimbledon 2016 fällt mehr und mehr ins Wasser, und was anfangs noch als very british allseits empfunden wurde, stellt die Turnierleitung zunehmend vor organisatorische Probleme. "We all share your frustration", wir alle teilen Ihren Frust, diese immerhin sehr entspannt vorgetragene Durchsage im Medienraum erklingt seit einige Tagen immer öfter. Seit der Wochenmitte hinkt ja die dritte Grand-Slam-Veranstaltung des Jahres im Zeitplan hinterher. Statt aufzuholen, kommen jeden Tag neue Matches hinzu, die verschoben werden oder ganz ausfallen und gleich für den nächsten Tag angesetzt werden.

Nur in absoluten Ausnahmefällen wird die Tradition gebrochen

In Paris, bei den French Open, hatte es vor vier Wochen auch so viel wie selten geregnet. Immerhin aber konnten die Spieler dort noch eine Weile weiterspielen, als erste Tropfen fielen. In London verlassen die Akteure notgedrungen mit dem Feuchtwerden des Rasens sofort den Platz. Die Verletzungsgefahr wäre viel zu groß, wenn es glitschig wird. Die Verantwortlichen haben nun erstmals reagiert.

Die Erst- und Zweitrundenspiele im Männerdoppel werden nicht im Best-of-five-Modus gespielt, sondern im Best-of-three-Modus, also über zwei Gewinnsätze. Ob der heilige Sonntag fällt, wurde lange diskutiert - an diesem Wochentag wird kategorisch nicht gespielt, um den Rasenplätzen etwas Erholung zu gönnen. Nur in absoluten Ausnahmefällen hob man diese Tradition auf, zuletzt wurden in den Jahren 1991, 1997 und 2004 am mittleren Sonntag Partien angesetzt. Am Freitagabend stand dann tatsächlich fest: Am Sonntag wird gespielt, zum vierten Mal in der Geschichte. Ansonsten wird das Turnier nicht rechtzeitig fertig.

Erstmals seit 1968 fünf deutsche Spielerinnen in der dritten Runde

Ein deutsches Erfolgserlebnis stand immerhin vor dem x-ten Abbruch am späten Freitagnachmittag fest. Annika Beck aus Bonn hatte das Beste getan, was ein Profi in Wimbledon derzeit tun kann: Sie hat sich beeilt. In nur 55 Minuten gewann die 22-Jährige 6:2, 6:1 gegen die Weißrussin Alexandra Sasnowisch. Ein fleißiger Reporter des Sportinformationsdienstes hat darauf alle Ergebnislisten seit Einführung des modernen Tennis durchgeforstet und einen bemerkenswerten Fakt ermittelt: Erstmals seit 1968 haben fünf deutsche Spielerinnen die dritte Runde in Wimbledon erreicht.

Die Drittrunden-Matches von Angelique Kerber (gegen Witthöft), Anna-Lena Friedsam (gegen die Japanerin Misaki Doi) und Sabine Lisicki (gegen die Kasachin Jaroslawa Schwedowa) wurden wegen des Regens auf Samstag verschoben. Ausgeschieden ist dagegen Benjamin Becker. Der 35-jährige Profi aus Merzig, seit Jahren in den USA zu Hause, unterlag dem Weltranglisten-Neunten Tomas Berdych mit 4:6, 1:6, 2:6. Dustin Browns Match gegen den Australier Nick Kyrgios wurde beim Stand von 7:6 (3), 1:6, 6:2, 4:6, 3:3 vorerst abgebrochen, das von Alexander Zverev gegen den Russen Michail Juschni beim Stand von 6:4, 3:6, 3:0. Brown verlor dann am Abend den fünften Satz mit 4:6.

Nach der Niederlage der French-Open-Siegerin Garbiñe Muguruza gegen die Slowakin Jana Cepelova gab es bei den Männern ein sehr spezielles Aus. Der zweimalige Grand-Slam-Gewinner Stan Wawrinka schied in der zweiten Runde aus, aber noch spezieller als das frühe Scheitern des Schweizern war der Name des Siegers: Juan Martin Del Potro hat sich mit dem 3:6, 6:3, 7:6 (2), 6:2 auf der großen Bühne zurückgemeldet. Fast drei Jahre, bis auf wenige Unterbrechungen, war der US-Open-Champion von 2009 wegen komplizierter Handgelenksverletzungen ausgefallen, dreimal war er operiert worden. "Es fühlt sich unglaublich an. Ich habe es überhaupt nicht erwartet", sagte der Argentinier. "Ich genieße es und fühle mich wieder lebendig", sagte er nach seinem ersten Grand-Slam-Matchsieg seit Januar 2014 (Australian Open).

Für Venus Williams immerhin war das Ende doch noch positiv. Sie vergab zwar den Matchball, siegte aber noch mit 10:8 im dritten Satz.

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