Tennis:Von sich selbst elektrisiert

Tennis: Porsche Tennis Grand Prix 2017 in Stuttgart

Erstaunlich viel Zutrauen in ihre Grundschläge: Maria Scharapowa in Stuttgart.

(Foto: Thomas Niedermüller/actionpress)

Sie spielt knallhart, sie stöhnt, sie peitscht sich an: In ihrem ersten Match nach dem Ende ihrer 15-monatigen Dopingsperre wirkt Maria Scharapowa in Stuttgart, als sei sie nie weg gewesen.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart

Ein paar Mal intonierte Ed Sheeran noch vom Band "I'm in love with the shape of you", wie ein Gruß all jener wirkte diese Zeile, die sich auf diesen Moment gefreut hatten. Und das sind ja nach ereignisreichen und juristisch teils hitzig ausgefochtenen 15 Monaten immer noch viele, wie schon kurze Blicke in Soziale Medien offenbaren. Als Maria Scharapowa an diesem Mittwoch um 18.32 Uhr den Ascheplatz in der Arena betrat, brandete höflicher, wohlwollender Applaus auf. Pfiffe waren zu hören, aber es konnten auch Freudenpfiffe sein. Für eine 15 Monate lang wegen Dopings gesperrte Tennisspielerin war dies ein gütiger Empfang.

Scharapowa, die frühere Nummer eins, fünfmalige Grand-Slam-Gewinnerin, Vermarktungsriese im globalen Spitzensport, wirkte bei ihrem Einmarsch so, wie sie die Tenniswelt letztmals im Januar 2016 bei einem ernsthaften Einsatz erlebt hatte, ehe sie der Einnahme eines seit Anfang 2016 nicht mehr erlaubten Herzmittels überführt wurde: bereit, aber auch geistesabwesend, als sei sie in anderen Sphären. Manche sagen ja, auch deshalb habe sie eine Aura, die dem Frauentennis wieder gut tue.

Noch ist offen, ob die Russin bei den French Open und in Wimbledon ins Hauptfeld rutscht

Nachdem die Debatte in der Branche, ob die Sünderin Scharapowa wirklich gleich bei ihrer Rückkehr mit Wildcards überschüttet werden sollte, noch eine Weile schwelen wird (noch ist offen, ob sie bei den French Open und in Wimbledon ins Hauptfeld rutscht), war an diesem Abend bei Deutschlands wichtigstem Frauenturnier in Stuttgart zunächst die Frage relevant, wie die Betroffene ihre Sperre spielerisch überstanden hatte. Roberta Vinci, die vor einem Jahr in den Top Ten stand, eine gerissene Gegnerin mit fiesem Rückhand-Slice, war der 30 Jahre alten Russin zugelost worden. Eine unangenehme Aufgabe, was rasch ersichtlich wurde. Scharapowa kam schwer in Gang. Am Ende aber knackte sie die Italienerin. 7:5, 6:3 nach 1:43 Stunden. Die abgeklärte Vinci, die auch zu jenen zählte, die die großzügige Wildcard-Vergabe an Scharapowa kritisiert hatte, gab ihr natürlich die Hand, wenn auch kurz. Scharapowa? Drehte sich daraufhin zu ihrem Team mit Trainer Sven Groeneveld und jubelte so, als fließe Strom durch ihren Körper. Als sei sie elektrisiert.

Die Erkenntnis dieses weltweit beachteten Matches ist im Grunde keine Sensation, aber nun herrscht eben Gewissheit: Die Scharapowa nach der Dopingsperre ist der Scharapowa vor der Dopingsperre immer noch verdammt ähnlich: Sie spielt mit Risiko, ständig Dominanz suchend, temporeich. Und ja, ihre Rituale hat sie noch intus, sie dreht sich vor jedem Return erst mal um und sammelt sich. Und ja, das quiekende Stöhnen bei ihren Schlägen sowie dieses sich anpeitschende "C'mon!" führt sie ebenfalls weiter im Repertoire.

"Es ist das beste Gefühl in der Welt", so umschrieb sie später beim Platz-Interview die Sekunden, als sie wieder einen Center Court betrat, sie habe "so lange darauf gewartet". Ein wenig "eingerostet" habe sich ihr Spiel angefühlt, meinte Scharapowa, "jedes Match, jeder Satz, jeder Punkt" sei für sie wichtig - allein diese Aussageverdeutlichte ihren Ehrgeiz. Und ihr Nachholbedürfnis an Erfolgen. "Es ist eine Reise, sie beginnt jetzt", fasste Scharapowa ihre gelungene erste Schicht zusammen, und selbstverständlich nahm sie in keinem Satz das Wort Doping oder Sperre in den Mund. Sie hat sich auch rhetorisch auf alles vorbereitet. Zuletzt hatte sie ohnehin zu verstehen gegeben, dass auch andere Schuld an ihrem Dopingvergehen trügen, etwa der Weltverband ITF, der sie unzureichend informiert hätte. Das Signal dieser sicher diskutablen Haltung war vor allem: Eine Scharapowa gibt nicht klein bei.

Dass sie nicht der Typ Profi von der Stange ist, unterstrichen schon die Ereignisse am Morgen dieses 26. April. Es war der ungewöhnlichste in der 40-jährigen Turniergeschichte. Um 9 Uhr in der Früh hatten sich hier in Bad Cannstatt noch nie gut 30 Berichterstatter und fast ebensoviele Fotografen eingefunden. Als wäre sie eine Art Rockstar, wurde Scharapowa beäugt, und obwohl in ihrem Training im Grunde rein gar nichts Spannendes passierte, sahen alle Beobachter gebannt zu und twitterten Bilder und Filmchen in die Welt, als werde gerade Geschichte geschrieben. Manchmal ist schon die Präsenz einer außergewöhnlichen Person das Außergewöhnliche an sich. Als Scharapowa ab 9.13 Uhr ihre erste Trainingsschicht auf dem Hauptplatz absolvierte - in den Tagen zuvor durfte sie die Anlage nicht betreten, weil die Sperre noch nicht abgelaufen war -, ließ gar die Frauentour WTA die letzten moralischen Ansprüche sausen - und übertrug auf einer ihrer Internetseiten Scharapowas Training, als sei die Prominente nach einer Verletzungspause zurückgekehrt wie jüngst der große Federer. Der hatte aber keinen frischen Dopingeintrag in der Akte.

Scharapowa habe ihre Auszeit nutzen wollen, "als Person zu wachsen", gab sie zu verstehen. Etwas weniger ehrenrührig lässt sich festhalten: Nach 456 Tagen gewann sie erst mal ein Match. "Sie ist eine großartige Spielerin", sagte Vinci, die indes den Überblick behielt und vielsagend anmerkte: "Sie kam nicht nach einer Verletzung zurück." Das dürfte wohl auch die Russin Ekaterina Makarowa in Scharapowas nächstem Match an diesem Donnerstag zu spüren bekommen.

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