Tennis:Volle Garage

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Nun Weltranglisten-25.: Philipp Kohlschreiber besiegte im Finale den Österreicher Dominic Thiem. (Foto: Marc Müller/dpa)

Philipp Kohlschreiber besiegt Dominic Thiem. Er triumphiert damit zum dritten Mal beim Tennisturnier in München - und steigt in der Weltrangliste auf.

Von Gerald Kleffmann, München

Da stand er und warf den Schläger weg. Irgendetwas muss man ja machen, wenn man gewinnt, und so schritt Philipp Kohlschreiber schließlich nach einem Moment des Innehaltens ans Netz, umarmte Dominic Thiem lange, die zwei sind befreundet. Es war ein spezieller Sieg für den deutschen Profi. Während oft der 19 Jahre alte Aufsteiger Alexander Zverev im Mittelpunkt der hiesigen Tennis-Szene steht, hat der 32-Jährige aus Augsburg mit Wohnsitz Kitzbühel beschlossen, noch ein bisschen die deutsche Nummer eins zu bleiben. 7:6 (7), 4:6, 7:6 (4) besiegte er den österreichischen Weltranglisten-15. Thiem, der in dieser Saison alle 14 Partien, die in einem Entscheidungssatz beendet worden waren, gewonnen hatte. Das ist Tour-Rekord. Kohlschreiber stoppte diese Serie im Finale der BMW Open, des ATP-Turniers am Münchner Aumeister, und er stoppte einen Trend, der hieß: Kohlschreiber kann keine engen Matches.

Im vergangenen Jahr hatte der nun neue Weltranglisten-25. im Finale gegen den Schotten Andy Murray hauchdünn im Tie-Break des dritten Satzes verloren. Die damals wichtigsten zwei verlorenen Punkte hat er nicht vergessen. Auch gegen Topspieler scheitert er regelmäßig nur knapp. Diesmal bewies er Biss. 82 450 Euro Preisgeld kassierte Kohlschreiber, dazu eine Lederhose sowie einen Sportwagen. Da Kohlschreiber schon zwei Mal in München triumphierte und ein Autofan ist, hat er ein neues Problem: eine volle Garage. "Man kann nicht zu viele Autos haben", hatte er indes vorab gescherzt. Bedenkt man, dass Kohlschreiber neben seinen Siegen 2007 und 2012 noch 2013 und eben 2015 im Finale stand, wirkt seine Erklärung, München sei das "Turnier meines Herzens", keineswegs zu pathetisch.

Philipp Kohlschreiber sei in der "Phase des Verstehens", sagt sein Trainer Stephan Fehske

Vor dem Match noch hatte sich Kohlschreiber einen Spaß gegönnt. Zwar lobte er Thiem zutreffend als "heißen Spieler"; so sicherte sich Thiem mit 29:7 Saisonsiegen gar bis dato einen mehr als der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic (28:2), zudem gewann er die Turniere in Buenos Aires und Acapulco. Aber wie ein Boxer vor einem Schwergewichtsfight meinte Kohlschreiber: "Als einer der Über-30-Jährigen will ich die jungen Burschen im Zaum halten. Ich muss Dominic klar machen, dass es hier für ihn nichts zu holen gibt." Kohlschreiber ist in einer Karriere-Phase, in der er Erfolg sowie Freude und Offenheit am Beruf neu kombiniert. Sein Coach und Manager Stephan Fehske, 32, nennt sie die "Phase des Verstehens". In Indian Wells Anfang März hätten sich die beiden in einem Gespräch verloren, in dem es um die großen Themen ging, da habe Kohlschreiber ihm eröffnet: "Früher war Tennis für mich Arbeit. Jetzt liebe ich den Sport." Das habe Fehske, der mit Kohlschreiber eine Art loyale Ehe führt, in der es auch mal gelegentlich kurz kracht, "tief bewegt".

Im Fußball würde man sagen, Kohlschreiber hat sich massiv im Umschaltspiel verbessert, "er kann sich besser aus einer negativen Situation befreien und in die Offensive gehen", erklärte Fehske. Kohlschreiber wagt öfter aus der Bedrängnis heraus den aggressiven, riskanten Topspin-Schlag, auch gleich beim Return, um der Bestimmende in einem Ballwechsel zu sein. "Er hat schlau gegen mich gespielt", erkannte Verlierer Thiem an.

Im Finale war Kohlschreiber im ersten Satz der dominantere Spieler, benötigte jedoch acht Satzbälle. Aber: Er bewies Zähigkeit. Danach erhöhte Thiem das Risiko, Kohlschreiber wurde minimal passiver, 4:6. Kohlschreiber erkämpfte sich in Satz drei dann mit einem Break den ersten Vorteil, schlug bei 5:3 zum Sieg auf. Als Kohlschreiber zwei Matchbälle bei 5:4 und 40:15 vergab und es in den Tie-Break ging, war eine Parallele zu 2015 gegeben. Den Tie-Break diktierte Kohlschreiber aber, bei 4:4 machte er drei Punkte in Serie. Weil er der Linie treu blieb und mutiger agierte.

Vor dem Finale hatte Kohlschreiber angesichts seiner rasanten Zweisatzsiege gegen Florian Mayer, Juan Martín del Potro und Fabio Fognini gemeint, seine Form sei für ihn "nicht ganz greifbar", er sei so "deutliche Ergebnisse nicht gewohnt". Nun weiß Kohlschreiber, dass seine Form griffig ist. Nur ist er hörbar gereift, er wolle den Sieg "nicht zu hoch hängen und Ziele hinausposaunen", sondern "fleißig bleiben". Er sei "in einem guten Tennis-Alter", er wird nun bei den großen Events wieder gesetzt, leichtere Gegner warten in den ersten Runden. Am wertvollsten von allen Preisen, sagte er, und das war die bestmögliche Antwort, seien die Punkte, die er für die Weltrangliste gewonnen habe.

© SZ vom 02.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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