Tennis:Trost am Peninsula Square

Tennis: Ein Symbol für die Anschläge in Paris am Schläger: der französische Doppelspieler Nicolas Mahut bei seinem Auftritt in London.

Ein Symbol für die Anschläge in Paris am Schläger: der französische Doppelspieler Nicolas Mahut bei seinem Auftritt in London.

(Foto: Glyn Kirk/AFP)

Das ATP-Tour-Finale funktioniert - und bleibt bis 2018 in London.

Von Gerald Kleffmann, London/München

Wie jedes Jahr Mitte November trifft sich die Elite der Tennisszene in London, um den Besten am Saisonende zu ermitteln. Die ATP Tour Finals, wie das Turnier der Spieler von Weltranglistenplatz eins bis acht heißt, ist das Flagship-Event. Hier werden sportliche Bilanzen gezogen, Standards in der Vermarktung gesetzt, beschwingt nehmen die Profis letzte Schecks an. Diese Ausgabe ist keine Ausnahme, und doch ist manches anders. Wegen Paris. Die Anschläge in Frankreich haben nicht nur dafür gesorgt, dass die Sicherheitsvorkehrungen in England erhöht wurden. Der Geist ist ein anderer. Richard Gasquet etwa hat im Stade de France die Schreckensnacht miterlebt, als während des Fußballspiels zwischen dem Gastgeber und Deutschland Bomben detonierten.

"Das Spiel hatte begonnen. Wir hörten zwei Explosionen", erzählte der 29-Jährige L'Equipe und schilderte, wie er in einer Loge saß, wo auch ein Fernseher stand und er die Horrorszenen in der Stadt mitverfolgte. Erst spät in der Nacht wagte er sich hinaus. In London hat er nun das Los, die Geschehnisse zu verarbeiten, als Alternate steht er als Neunter im Ranking bereit einzuspringen, falls jemand zurückzieht. An den ersten Tagen war dies nicht der Fall, besondere Vorkommnisse sportlicher Art blieben vorerst aus. Umso bemerkenswerter dafür war, wie den Organisatoren der Spagat gelang, die traurigen Begebenheiten mit dem Big Business zu vereinen.

Die Solidarität mit den Opfern und deren Angehörigen wurde angemessen zum Ausdruck gebracht. Es gab eine Schweigeminute, vor der O2-Arena leuchtete die französische Flagge ebenso auf wie auf den Banden rund um den Tennisplatz. Die französischen Profis Nicolas Mahut und Pierre-Hugues Herbert trugen bei ihrem Doppeleinsatz den Schriftzug "Pray 4 Paris" auf den Hemden und das Peace-Zeichen als Schwingungsdämpfer auf der Saite. Mit Paris, das kommt für Tennisprofis erschwerend hinzu, pflegen die meisten eine besondere Beziehung. Im Frühsommer finden dort die French Open statt, die Weltranglisten-Erste Serena Williams besitzt eine Wohnung an der Seine. Erst vergangene Woche fand in Bercy im Osten der Stadt ein Turnier der 1000er Serie statt, das Novak Djokovic gewann. Da konnte niemand ahnen, wofür Paris bald stehen und in welchem Klima das Tennisturnier in London stattfinden würde. Das Schicksal wollte es nun gar, dass das DFB-Team, das um die Ecke von Roland Garros wohnte, nach einer Bombendrohung am Freitagmorgen Zuflucht auf dem Tennisareal fand.

Am Fahrplan der Abschlussveranstaltung hat sich indes wenig geändert, wie auch am Sinn - man würdigt sich selbst und zeigt das. Im Grunde sind alle, die es nach London schaffen, Gewinner, finanziell sowieso. Gasquet erhält als Ersatzmann 95 000 Dollar, der Sieger 2,22 Millionen. In diesen Summen steckt allerdings auch ein Jahr an erfolgreicher Arbeit, die - das ist Usus - in London stets ideell geehrt wird, in Form der ATP Awards. Würde Dinner-for-One-Darsteller Freddie Frinton noch leben, hätte er fragen können: "The same procedure as last year?" Bester Spieler ist demnach Djokovic, den alle vergebens jagen, Roger Federer ist der ewige Fan-Liebling, die Bryan-Zwillinge Mike und Bob wurden für soziales Engagement geehrt. Der 18 Jahre alte Alexander Zverev aus Deutschland fiel da schon aus der Reihe, der Jüngste in den Top 100 bekam den Preis "Star of Tomorrow" zugesprochen und kündigte ehrgeizig an: "Mein Ziel ist es, noch lange dazuzugehören!"

Interessenten wie Abu Dhabi und Peking müssen sich gedulden

Dass im großen Tennissport die üblichen Verdächtigen erneut zum Zuge kommen, ist ihnen nicht vorzuwerfen. Noch beeindruckender als im vergangenen Jahr wehrten sie die Angriffe der neuen Generation um Nick Kyrgios und Co. ab, seit zwölf Jahren schon heißt der Beste der Jahreswertung am Ende entweder Roger Federer, Rafael Nadal oder, wie jetzt, Djokovic. Die drei sind weiterhin in bestechender Form und gewannen souverän ihre Auftaktmatches; gespielt wird in zwei Gruppen mit je vier Spielern, die ersten zwei qualifizieren sich fürs Halbfinale.

Auch dieses Jahr, das ist absehbar, wird London den Status quo manifestieren, ein geeigneter Austragungsort zu sein. Das Turnier wird, anders als Anfang des Jahrtausends, als man es in Lissabon, Sydney, Schanghai und Houston versuchte, angenommen, mehr als eine Viertelmillion Menschen kommen auch 2015 zum Peninsula Square. Dass ATP-Chef Chris Kermode verkündete, der Vertrag mit London werde bis 2018 verlängert, passt ins einträchtige Bild - was nicht heißt, dass es keine Debatten gäbe. Federer etwa wünscht sich einen schnelleren Belag, Nadal, dass das Turnier mal auf Sand stattfindet. Vielleicht kommt es ja zu einem Bodenwechsel. Andere Interessenten wie Abu Dhabi und Peking müssen sich derweil noch gedulden. London ist tatsächlich dabei, eine Heimat zum Saisonende zu werden.

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